Dortmund. Weil der BVB noch keine Stabilität aufweist, muss er sich im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart mit einem 1:1 begnügen. Georg Niedermeier gleicht die Führung von Nelson Valdez aus - Aufregung um Ellbogenchecks von Jens Lehmann und Neven Subotic.

Vor dem Spiel hatten nicht wenige Borussen-Fans darüber diskutiert, ob Jürgen Klopp nach der 1:4-Niederlage in Hamburg wohl die Aufstellung verändern würde. Der Trainer aber hatte dieses ärgerliche Erlebnis offensichtlich als einmaligen Ausrutscher gewertet und gewährte zehn seiner Profis Bewährung – lediglich Rückkehrer Dede ersetzte auf der linken Abwehrseite wie erwartet den jungen Marcel Schmelzer.

Erster Wechsel in der fünften Minute

Schon in der fünften Minute kam allerdings einer der zuvor vermutlich enttäuschten Ersatzleute ins Spiel: Weil sich Tinga ohne gegnerische Einwirkung verletzte (erste Diagnose: Muskelfaserriss im Adduktorenbereich), nahm Mats Hummels die zentrale Mittelfeldposition vor der Abwehr ein. Ein Wechsel ohne dramatische Auswirkungen, Hummels fügte sich nahtlos ein und empfahl sich mit einer insgesamt beeindruckenden Leistung für einen Platz in der ersten Elf am nächsten Samstag in Frankfurt. Auf dieser „Sechser“-Position hat der BVB ohnehin die wenigsten Probleme, wenn man bedenkt, dass auch Nuri Sahin dort spielen könnte und Sebastian Kehl sogar noch verletzt fehlt. Als es nach zwölf Minuten immer noch 0:0 stand, witzelten Beobachter. Vor einer Woche hatte es zu diesem Zeitpunkt bereits 3:1 für den HSV gestanden.

Für Aufreger am Samstag in Dortmund sorgte vor allem ein alter Bekannter im Dress des VfB Stuttgart: Jens Lehmann, 2002 noch Deutscher Meister mit dem BVB, legte sich zuerst mit Neven Subotic und Felipe Santana an, weil er Flanken gerne ungestört herunterpflücken wollte. Kurz vor der Halbzeit verpasste er dann sogar Neven Subotic einen Ellbogencheck und ließ sich dann theatralisch fallen, als Subotic ebenfalls den Ellbogen ausfuhr.

Subotic gab seine Überreaktion nach Spielschluss zu, Lehmann hingegen verteidigte sich. „Er hat seinen Ellbogen in mein Gesicht gehalten“, erklärte der Torwart nach dem Spiel dürftig. „Ich habe mich nicht revanchiert.“ Seltsame Deutung. Revanche? Lehmann selbst hatte dieses unsportliche Duell ausgelöst.

BVB-Fans pfiffen Lehmann aus

Die Quittung: Die BVB-Fans pfiffen Lehmann phonstark aus. Bei ehemaligen Borussen machen sie feine Unterschiede – erst am Mittwoch hatten sie Christoph Metzelder, der sich nach seinem Wechsel zu Real Madrid erstmals wieder in der Heimat präsentiert hatte, genauso groß gefeiert wie vor zwei Jahren Jan Koller, als der mit dem 1. FC Nürnberg zu Gast war. Aber Lehmann, der frühere Schalker, ist wegen seiner sportlichen Herkunft schon zu seiner Dortmunder Zeit maximal respektiert worden, jedoch nie geliebt. Wenn er dann so auftritt wie an diesem Samstag wieder, muss er sich allerdings über Gegenwind auch nicht wundern.

Mit Anfeindungen der Fans kann Lehmann leben. Die provoziert er ja teilweise sogar, die putschen ihn eher noch auf. Als persönliche Demütigung empfindet er vielmehr eine Szene wie die in der 27. Minute. Seine Vorderleute standen schlecht gestaffelt, Nuri Sahin spielte einen seiner Zuckerpässe exakt durch die Mitte, genau in den Lauf von Nelson Valdez, und der erlaubte sich auch noch die Dreistigkeit, den ehemaligen Nationaltorhüter zu tunneln. 1:0 – befreiend für den BVB, beschämend für Lehmann.

Acht Minuten später hätte Valdez auf ein beruhigendes 2:0 erhöhen können, oder besser: müssen. Doch anstatt noch zwei Schritte Richtung Tor zu laufen oder den Ball platziert in eine Ecke zu schieben, drosch er unkontrolliert drauf – Lehmann parierte prächtig und bewies, dass er eigentlich ein Torhüter ist, der Mätzchen gar nicht nötig haben müsste.

Eine ähnliche Großchance vergaben die Stuttgarter, in deren Anfangsformation überraschend sowohl Elson als auch Pavel Pogrebnyak fehlten, direkt vor der Halbzeit: Julian Schieber, 20 Jahre jung, fehlte die Eiseskälte beim Abschluss: Auch er zog ab, ohne zu zielen, und schoss Roman Weidenfeller an.

Ein Warnschuss, der von den Dortmundern allerdings nicht als solcher interpretiert wurde. Denn kaum kamen sie wieder aus der Kabine, erlaubten sie sich die nächste Abwehrpanne. Und diesmal wurden sie dafür bestraft. Ein auf den zweiten Pfosten gezogener Freistoß von Thomas Hitzlsperger landete nach Verlängerung von Sami Khedira bei Georg Niedermeier, der den Ball ins lange Eck köpfte. Keine Orientierung, keine Zuordnung – in diesem Moment wies nichts mehr darauf hin, dass Borussias zuverlässigster Mannschaftsteil in der vergangenen Saison die Abwehr war.

„Im Laufe des Spiels haben wir uns defensiv aber wieder stabilisiert“, meinte Jürgen Klopp. „Das war heute das Wichtigste nach den vier Gegentoren in Hamburg und den fünf gegen Real Madrid.“

Das Gegentor hatte die Dortmunder dennoch aus dem Konzept gebracht. Es fehlte trotz aller Bemühungen eine klar erkennbare spielerische Linie. Für Unruhe in der Stuttgarter Hälfte sorgte vor allem der schnelle und agile Jakub Blaszczykowski, der seine guten Aktionen allerdings nicht gebührend abschloss.

Barrios spielte keine Rolle

Wo war Lucas Barrios, der Welttorjäger? Er spielte keine Rolle an diesem Samstag, Jürgen Klopp ersetzte ihn folgerichtig in der 65. Minute durch Dimitar Rangelov, der seine Torgefahr bei Energie Cottbus wiederholt nachgewiesen hatte.

Auch die Stuttgarter hatten noch einen Mann auf der Bank, von dem sie sich einiges erhofften: In der 70. Minute schickte Markus Babbel den russischen Angreifer Pavel Pogrebnyak ins Rennen, eine Maßnahme, die von den VfB-Anhängern unter den 72 100 Zuschauern lautstark gewürdigt wurde.

Die beste Gelegenheit, den Gästen den Sieg zu bescheren, hatte allerdings ein anderer Eingewechselter: Timo Gebhart prüfte mit einer tollen Direktabnahme aus 25 Metern Roman Weidenfeller, der den wunderschönen Schuss nicht weniger gekonnt parierte.

Auch auf der anderen Seite ergaben sich noch zwei Chancen, um das Spiel entscheiden zu entscheiden können. Dimitar Rangelov hatte Pech, dass sein Kopfball vor die Latte tickte, der eingewechselte Kevin Großkreutz brachte einen flotten Konter nach starkem Antritt nur mit einem schwachen Schuss zu Ende.

„Das war leider ein gerechtes Unentschieden“, urteilte BVB-Innenverteidiger Neven Subotic ehrlich. Auch VfB-Trainer Markus Babbel war dieser Ansicht, er verzichtete allerdings auf das Wörtchen „leider“. Nicht ohne Grund: „Am Ende mussten wir froh sein, einen Punkt mitnehmen zu können“, meinte Babbel. „Denn bei dem Dortmunder Lattenkopfball stand uns das Glück zur Seite."

An diese Szene dachte wohl auch Jürgen Klopp, als er urteilte: „Wir wären heute auch kein unverdienter Sieger gewesen. Obwohl das Unentschieden am Ende in Ordnung geht.“

Drei Spiele – ein Sieg, eine Niederlage, jetzt ein Unentschieden. In Dortmund weiß noch niemand, wohin die Reise des BVB in dieser Saison gehen wird.