Bad Ragaz. Von Bayer Leverkusen kam Gonzalo Castro nach Dortmund. Mit dem BVB will er wieder nach oben - und vielleicht auch in die Nationalmannschaft.
Es knarzt in den Lautsprechern. Der Stadionsprecher atmet am Donnerstagabend schwer in die Anlage. Dann lässt er wissen, dass auf der Nordseite des Trainingsplatzes Ri-Au in Bad Ragaz noch ein wenig Platz ist für die Zuschauer. Es sind viele. Sie haben ihre Autos auf hunderten Metern entlang der kleinen Gasse vor dem kleinen Stadion geparkt. Selbst der staubige Acker gegenüber, den die Gemeinde als Parkplatz zweckentfremdet, ist voll mit Autos. Die Fußballer von Borussia Dortmund sind da - und trainieren.
Es ist wohl auch diese Art von Aufmerksamkeit, die Gonzalo Castro (28) bewogen hat, zum BVB zu wechseln. 16 Jahre lang war er Spieler bei Bayer Leverkusen, dem Tabellenvierten der vergangenen Saison. Vor ein paar Wochen wechselte er zum BVB, dem Tabellensiebten der vergangenen Saison. Auf den ersten Blick ist das keine Verbesserung. Schwarz und Gelb aber hält er für die größere Nummer. Dort hält der gebürtige Wuppertaler Titel für greifbar und eine Fortsetzung seiner Karriere in der Nationalmannschaft für möglich.
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Einen mit seinem Talent stört es, dass er beidem noch immer nachjagen muss. Wobei: Einen bedeutenden Titel hat er ja durchaus schon gewonnen. 2009 gewann er mit den U21-Junioren den EM-Titel. Zusammen mit Mats Hummels, Benedikt Höwedes, Mesut Özil, Sami Khedira, Jerome Boateng und Manuel Neuer. Sie alle sind Nationalspieler und 2014 Weltmeister geworden, manche von ihnen haben Real Madrid gesehen und die Champions League gewonnen. Castro war in der U21 damals Stammspieler und erzielte im Finale das 1:0.
Elf Millionen Euro hat Castro gekostet
Nun sitzt er im Dortmunder Mannschaftshotel in einem Raum mit hohen Decken und hohen Fenstern. Elf Millionen Euro hat Borussias Königstransfer dieses Sommers gekostet. Er wählt seine Worte sorgsam aus, bevor er redet. Und wenn er damit beginnt, dann tut er es, wie es seinem Naturell außerhalb des Platzes entspricht: ruhig. Er angelt gern in seiner Freizeit. Das passt irgendwie zu einem, der sich nicht gern in den Vordergrund drängelt, der seine außergewöhnlichen Fähigkeiten im Sinne der Mannschaft einzusetzen versteht.
Vielleicht war das auch ein Problem. Weil sie ihn in Leverkusen als Rechtsverteidiger brauchten, spielte er jahrelang Rechtsverteidiger. Dabei fühlt er sich im Mittelfeld viel wohler. 2007 hat er daher sein letztes Länderspiel gemacht. Er hoffte im vergangenen Jahr auf eine Nominierung für Brasilien. Auch aufgrund der unglaublichen Konkurrenz auf dieser Position - Khedira, Bastian Schhweinsteiger, Toni Kroos - vergeblich.
Die Konkurrenz im BVB-Mittelfeld ist groß
Konkurrenz gibt es auch in Dortmund. Als Castro dem BVB zusagte, schien festzustehen, dass Ilkay Gündogan den Verein verlassen würde. Castro sollte den Strategen ersetzen. Doch Gündogan ist noch da, dazu Nuri Sahin und weitere Kandidaten. Eine luxuriöse Situation für den BVB. "Konkurrenzkampf ist immer gut", sagt Castro, "ich freue mich, dass Illy geblieben ist." Er meint das so, auch weil er sicher ist, dass er trotzdem einen festen Platz im Dortmunder Mittelfeld erobern können wird. So sagt er das nicht, aber das strahlt er mit seiner Ruhe und Zuversicht aus. "Wir haben viele Typen, die Führungsspieler sind. Ich versuche, mit den anderen voran zu gehen. Wenn ich gebraucht werde, bin ich da."
Dortmund wird ihn brauchen, weil es dorthin will, wo es schon einmal war: nach oben. Das haben der Verein und der Spieler gemeinsam. "Ich wollte in meiner Karriere einen neuen Reiz setzen. In Dortmund stimmt das Gesamtpaket", sagt er, "eine schwächere Saison sollte man nicht überbewerten. Wir greifen wieder an, um wieder der Gejagte zu sein." Der Gejagte ist für gewöhnlich der Meister. Aber so sagt er das nicht. Er ist ja schließlich kein Lautsprecher.