Tag der Trennung rückt für Ur-Borusse Großkreutz näher
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Bad Ragaz. Kevin Großkreutz steht wie kein anderer BVB-Spieler für Borussia Dortmund. Doch der Rückstand nach langer Verletzung könnte sein Aus bedeuten.
Steine gibt es in Bad Ragaz genug. Hinter dem Fußball-Platz im Dorf ragt der Pizol in die Höhe, ein 2844 Meter hohes Bergmassiv. Direkt neben dem Fußball-Platz ist eine Kiesfabrik. Schwere Laster ächzen über die kleine Gasse und versperren den Fußballern von Borussia Dortmund, wenn sie auf ihren Fahrrädern zum Training kommen, dann und wann den Weg. Nur Steine, die Kevin Großkreutz in den Weg gelegt werden, scheint es nicht zu geben. So sehr es seine Fans hoffen, so sehr er es vielleicht sogar selbst hofft. Deutlich wie nie zuvor zeichnet sich ein Abschied des Mannes ab, für den Schwarz und Gelb mehr sind als Farben.
Er hat es selber gesagt. Immer wieder. Neulich noch. Dass er nie freiwillig diesen Klub verlassen würde. Den Klub aus der Stadt, in der er geboren wurde, den er anfeuerte als Kind, als Jugendlicher, sogar als er schon Fußball-Profi in Ahlen in der zweiten Liga war, stand er auf der Südtribüne und schrie den BVB nach vorn. Für diesen Klub zu spielen, ist sein Traum. Mit ihm wurde er Meister, Pokalsieger, Champions-League-Finalist. Ein Märchen, das so oder so auf sein Ende zusteuert. Bis Juni 2016 ist sein Vertrag noch gültig. Dortmunds Kader ist groß, die Konkurrenz entsprechend. Derzeit geht es im Trainingslager in der Schweiz um eine optimale Vorbereitung auf die Bundesliga-Saison. Jetzt ist der letzte Zeitpunkt für den Klub, um noch ordentliches Geld mit ihm zu verdienen.
Großkreutz könnte BVB bis zum 31. August verlassen
"Die nächsten Wochen werden zeigen, ob ich weiter für Borussia Dortmund spielen werde, oder nicht", sagt Großkreutz selbst überraschend deutlich. Nach dreimonatiger Verletzungspause stand er beim Testspiel in Luzern am Dienstag erstmals wieder auf dem Platz. Das Glück darüber sprudelte geradezu aus ihm heraus, weil ihn das Nichtstun fast verrückt gemacht hätte. Mehr noch: Weil die Ursache für die Kniebeschwerden lange Zeit nicht ausfindig gemacht werden konnte, tingelte der 27-Jährige von Arzt zu Arzt und verlor fast den Glauben, überhaupt noch einmal auf den Rasen zurückzukehren. Erst die Entdeckung, dass die Knieschmerzen mit einer Fehlstellung des Gebisses zusammenhängen, brachte nun den Fortschritt.
"Es waren schwere Monate, weil keiner so genau wusste, was ich genau habe. Ich hatte schlechte Laune und Kopfschmerzen", sagt Großkreutz jetzt, "endlich bin ich wieder da. Mein Knie hält, das ist das Wichtigste, alles weitere wird man sehen." Aber das Weitere ist wichtig. Bis zum 31. August könnte Großkreutz den Verein noch verlassen. Dazu muss er wollen, dazu braucht es Interessenten.
Unüberschaubar groß ist der Markt für den Weltmeister ohne Einsatzminute nicht. Wegen der jüngsten Verletzungszeit, aber auch, weil er in den zurückliegenden Monaten eher dadurch auffiel, dass er sich betrunken dort erleichterte, wo andere in ihr Hotelzimmer einchecken. Im Dortmunder Mittelfeld scheint kein Platz mehr für ihn zu sein, in der Viererkette ist der BVB ebenfalls nicht zwingend auf die Dienste des Herzens-Borussen angewiesen.
Die echte Liebe zur Borussia wird für Kevin Großkreutz nicht enden, aber der Tag der Trennung rückt offenbar näher, so oder so. "Vor drei Wochen war Kevin noch nicht in der Lage, fünf Minuten am Stück zu laufen. Die anderen sind ihm deswegen in den Trainingseinheiten voraus. Er wird Geduld benötigen. Wenn er sie hat, gut. Ansonsten ist alles möglich", sagt Trainer Thomas Tuchel am Trainingsplatz in Bad Ragaz, hinter ihm die Berge, rechts die Kiesfabrik. Und doch nirgendwo ein Stein, den man Kevin Großkreutz in den Weg legen würde.
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