Dortmund. . Nur für Testspiele anzureisen und abzukassieren, kommt für BVB-Marketing-Boss Carsten Cramer nicht infrage. Borussia Dortmund setzt daher in Asien auf bodenständige Eigenwerbung – irgendwann auch sicherlich in China.
Die vereinseigene Fußballschule in Tokio besuchen, in Singapur in der höchstgelegenen Rooftop-Bar der Welt mit Sponsoren dinieren, in Malaysia ein Kinderheim besuchen und überall lauter Autogramme schreiben: Mitten in der Saisonvorbereitung erobert Borussia Dortmund Asien. Während Thomas Tuchel seine Kicker auch um Mitternacht zum Training ruft, hat Carsten Cramer andere Anforderungen an die Schwarz-Gelben. Der Marketing-Direktor (46) des Bundesligisten ist begeistert von der Fanresonanz und vom PR-Engagement von Hummels, Reus und Co..
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Herr Cramer, haben Sie in Tokio eigentlich auch mal Fans in Bayern-München-Trikots gesehen?
Carsten Cramer: Ein glasklares Nein. Erstens würde ich nicht danach suchen und zweitens ist Schwarz-Gelb hier die absolut dominante Farbe.
Überraschend, denn im Gegensatz zur Weltmarke FCB sei der BVB ja nur eine „regionale Sache“, hat Uli Hoeneß mal gesagt. Das können Sie nun widerlegen?
Cramer: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wir versuchen, Borussia Dortmund bestmöglich zu präsentieren, und erfahren hier eine enorme Wertschätzung. Das sehen wir aber nicht in Rivalität zum FC Bayern.
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Ist es für Sie als Marketing-Chef nun das persönliche Jahres-Highlight, dass der BVB auf so viel positive Resonanz stößt in Japan?
Cramer: In so einem Moment verspüre ich einen enormen Stolz, für diesen Verein arbeiten zu dürfen. Es ist überwältigend. Ich muss unserer Mannschaft und unserem Trainer-Team einen großen Dank aussprechen, wie leidenschaftlich und professionell engagiert sich alle auf die umwerfende Nähe der Fans einlassen. Selbst ein Spieler, der schon viel herumgereist ist, wird nicht so oft fast 10.000 Kilometer von der Heimat entfernt so viel Enthusiasmus erfahren haben. Und wenn das für ihn immer noch etwas Besonderes ist, ist das schon richtig toll.
Die DFL müsste ein Interesse daran haben, um beim Verkauf der TV-Rechte höhere Erlöse zu erzielen. Gibt’s da eigentlich irgendeine Form der Unterstützung für die wichtigen Markenbotschafter der Bundesliga?
Cramer: Die DFL unterstützt solche Reisen und ist mit ihrem Tochterunternehmen Digital Sports vor Ort. Es ist eine klassische Win-win-Situation für alle Beteiligten. Das Format Bundesliga profitiert, Borussia Dortmund auch.
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In Singapur hat der BVB eine Repräsentanz. Was sollen die Mitarbeiter vor Ort eigentlich genau erreichen?
Cramer: Wir versuchen, auf diesen Märkten präsenter zu sein, um schneller agieren und reagieren zu können. Wenn man für jeden Termin 10.000 Flugkilometer aufbringen muss, ist man nicht am Puls der Zeit. Daher ist es wichtig, jemanden vor Ort zu haben, der die Menschen und Kulturen versteht. Singapur ist dafür ein spannender Standort.
Sie wollen den asiatischen Markt erobern. Mit einer Werbe-Tour verbindet man in der Regel nur den Wunsch, mehr Trikots zu verkaufen.
Cramer: Das ist ja nur ein Baustein. Nehmen wir mal Ihr Haus: Niemand liest Ihre Zeitung und findet sie gut, wenn er sie nicht kennt. Also müssen Sie erst einmal Bekanntheit und Sympathie aufbauen, ehe Sie in die Köpfe der Menschen kommen. Wir sind auf dieser Reise nicht grundsätzlich darauf aus, Menschen zum Kauf eines Fanartikels zu bringen, sondern wollen Freunde und Fans für Borussia Dortmund gewinnen. Das gilt am Ende sicher auch für Unternehmen, die vielleicht Lust haben, als Sponsorpartner aufzutreten.
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Haben die Premier-League-Klubs nicht schon alles abgegrast in Asien?
Cramer: Die Engländer haben sicherlich ihren Vorteil aus zig Jahren, in denen sie hier schon gearbeitet haben. Aber wir machen kein Rennen und gehen unseren Weg. Unser Bestreben ist es, die BVB-DNA auch nach Japan zu tragen. Wir sind nicht auf Show-Effekte aus, kommen nicht einfach nur für Freundschaftsspiele her, sondern haben ein nachhaltiges Interesse, zum Beispiel durch unsere Fußballschule. Man merkt dann auch in diesen Tagen, dass die Menschen es zu schätzen wissen, wie wir die Sache angehen und dass wir ihnen nicht den letzten Euro aus der Tasche ziehen wollen. Ich glaube, es gelingt der Mannschaft sehr gut, bodenständig herüberzukommen und einfach Borussia Dortmund zu sein.
In Tokio ist der BVB 1997 Weltpokalsieger geworden, mit Shinji Kagawa spielt der vielleicht größte Star des Landes beim BVB. Wie wichtig ist es, Spieler aus diesen Ländern in seinen Reihen zu haben?
Cramer: Das ist für die Vertrauenswürdigkeit ein großer Türöffner und erleichtert den Kontakt zu den Japanern sehr.
Können Sie das Werbepotenzial in Japan konkretisieren?
Cramer: Wir wissen aus einer Studie von sechs Millionen Japanern, die Dortmund sympathisch und interessant finden. Das ist ein großes Reservoir an Botschaftern.
Der asiatische Markt ist gigantisch. Gibt’s solche Marketingpläne auch für China oder Indien?
Cramer: Durch die Bevölkerungsdichte sind solche Märkte viel schwieriger zu beherrschen. Wir sind auch nicht mit den ganz Großen dieser Branche vergleichbar, deswegen haben wir uns in Dortmund für eine Nischenstrategie in Japan und Südostasien entschieden. Wir haben China im Auge und werden dort mal aktiv sein, aber alles der Reihe nach. Ich darf auch daran erinnern, dass wir noch immer ein Fußballverein sind, der alle sieben Tage samstags erfolgreich sein möchte. Was wir jetzt machen, ist eine Begleitung, darf aber niemals im Mittelpunkt stehen.
Um sich bekannter zu machen, hilft ein Werbeslogan „Echte Liebe“ auch in Asien ungemein, um sich volksnah zu präsentieren.
Cramer: „Echte Liebe“ soll ein Lebensgefühl sein und kein Slogan, den man wie im Wahlkampf alle vier Jahre wechselt. Wir stehen für diese Intensität und handeln dementsprechend nach außen.
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Jürgen Klopp war dafür wie geschaffen, dieses Markenversprechen mit Leben zu füllen. Haben Sie nach seinem Abgang auch mal darüber nachgedacht, sich etwas Neues einfallen zu lassen?
Cramer: So eine Kampagne ist nie losgelöst von Menschen, weil sie dem Ganzen ein Gesicht geben. Sie sind daher Verstärker, Intensivierer, ersetzen allerdings nicht die Kernbotschaft. Die „Echte Liebe“ haben schon die Gründungsväter des Vereins 1909 gespürt, auch wenn wir sie erst in den vergangenen Jahren verbal herausgearbeitet haben. Borussia Dortmund und dieses Gefühl überdauern Jahrzehnte, Epochen und eben auch Gesichter.
Der neue Trainer Thomas Tuchel machte in den ersten Tagen einen sehr volksnahen Eindruck. Wie sind Sie mit ihm unter Marketing-Gesichtspunkten zufrieden?
Cramer: So will ich das gar nicht bewerten, sondern viel mehr als Mitarbeiter der Borussia: Ich bin schwer beeindruckt bis begeistert, wie er sich dieser Herausforderung stellt und sich auf den Verein einlässt. Mit seiner Offenheit, Herzlichkeit und Professionalität nimmt er alle mit.