Berlin. Sieben Jahre Trainer Jürgen Klopp, sieben Jahre Radau beim BVB: Nach der Niederlage im Pokalfinale ist die Zeit für den endgültigen Abschied gekommen.
Die Halle ist so groß, dass Flugzeuge darin wenden könnten. Aber die Flugzeuge drehen ihre Kreise in diesem Augenblick im Bauch von Jürgen Klopp. Im „Kraftwerk“, einer riesigen Räumlichkeit mit Industrie-Charme, wollten die Fußballer von Borussia Dortmund eigentlich den Pokalsieger-Titel feiern. Doch nun, es ist spät geworden in Berlin, sollen wummernde Bässe den Schmerz der Niederlage betäuben. Als Jürgen Klopp die Bühne betritt, setzen die Bässe aus, und die gelben Lichtkegel hören auf, über die Beton-Wände zu wandern. Es ist halb zwei in der Nacht zu Sonntag, als der Trainer unter Scheinwerfern steht und sich von der schwarz-gelben Gemeinde aus Fans, VIPs und Sponsoren verabschiedet.
Es war nicht Hollywood, es war Berlin
„Das ist hart, ehrlich, richtig hart. Was ich im Kopf habe, kann ich nicht in Worte fassen. Was wir in Dortmund erleben durften, ist Wahnsinn. Ich bin unendlich dankbar“, sagt er.
Applaus brandet auf.
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Für den letzten Höhepunkt hat es nicht gereicht. Das Pokal-Endspiel gegen den VfL Wolfsburg ist mit 1:3 (1:3) verloren gegangen, der Traum, den finalen Moment der Ära Klopp zu vergolden, ist geplatzt. Der Trainer schmunzelt jetzt sogar. „Den Titel zu holen, wäre fast schon zu kitschig gewesen, zu American... irgendwas“, sagt er, ohne es wirklich so zu meinen. Das an diesem Wochenende war eben keine Seifenoper, es war nicht Hollywood, es war die Realität – und die nimmt keine Rücksicht auf schöne Geschichten oder Befindlichkeiten.
Wolfsburg traf innerhalb von 16 Minuten dreimal gegen den BVB
Klopp ist jetzt, mit etwas mehr zeitlichem Abstand zum Abpfiff, gerührt, aber nicht von Emotionen geschüttelt. Diesen Eindruck hinterließ er im Stadion nur bedingt. Er hatte mit ansehen müssen, wie seine Mannschaft nach guten ersten 20 Minuten und der verdienten Führung durch Pierre-Emerick Aubameyang das Spiel aus der Hand gab. Luiz Gustavo, Kevin De Bruyne und Bas Dost ließen die westfälischen Hoffnungen vor der Pause innerhalb von nur 16 Minuten zerbröseln. Der BVB zerfiel nach dem ersten Gegentreffer in seine Einzelteile, war unfähig, sich der Qualität der Wolfsburger zu widersetzen, unfähig, die Comebackqualitäten vergangener großer Jahre noch ein letztes Mal an den Tag zu legen.
„Ich habe in der Halbzeit zu 100 Prozent das Gefühl gehabt, dass ein Spektakel passieren kann“, meinte Klopp nach der Partie. Eines dieser Spektakel, wie sie in den vergangenen sieben Jahren häufiger zu sehen waren in Klopps schwarz-gelbem Erlebnispark. Doch der hatte seine Pforten längst geschlossen, als der Trainer ihn noch einmal betreten wollte. Er selbst fügte sich an der Seitenlinie merkwürdig ruhig in die Niederlage, die allenfalls in winzigen Momenten noch einmal abwendbar schien.
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Sieben Jahre Radau, sieben Jahre Adrenalin, sieben Jahre Dauerdurchdrehen enden ernüchternd.
Während die Wolfsburger Profis nach dem Spiel über den Rasen hüpften und tanzten, stand der Borussen-Trainer reglos da, die gelbe Kappe tief ins Gesicht gezogen, die Mundwinkel auf halbmast, den feuchten Blick ins Leere gerichtet. Die Fans riefen seinen Namen, sie feierten ihren Trainer, ihre Mannschaft, aber das half nur sehr bedingt. „Das ist schön, aber in so einem Moment kann dich nichts trösten.“ Ein Moment, in dem er sich von einem Traum verabschiedet – und von Spielern, mit denen er andere Träume verwirklicht hat. Klopp drückte noch auf dem Rasen jeden seiner Kicker an seine Brust, hielt jeden einzelnen kurz fest.
Letztes Spiel, letzter Auftritt.
Anders als in den vergangenen sieben Wochen des Dauerabschiednehmens gibt es nun kein nächstes Mal. „Ich merke, dass der Abschiedsschmerz kommt. Loszulassen fällt mir extrem schwer.“
Gewiss war es auch der emotionale Ausnahmezustand, der Klopp dazu verleitete, Schiedsrichter Felix Brych – der BVB sah sich um einen Elfmeter gebracht – den Handschlag zu verweigern, ihm Selbstgefälligkeit zu unterstellen und ein letztes Mal im BVB-Auftrag verbal durch eine Fernsehsendung zu marodieren. Bei ARD-Mann Gerhard Delling, der den traurigen Abschied routiniert wegmoderierte, diagnostizierte er vor laufenden Kameras fehlende Sensibilität und rauschte anschließend angesäuert ab.
Klopp fand beim BVB-Bankett leise, kluge Worte
Doch der Zustand war nicht von Dauer. Im „Kraftwerk“, wo die BVB-Spieler und der Trainer bis zum Morgengrauen blieben und tanzten, hatte Klopp sich wieder beruhigt. Und fand doch noch Worte. Leise, kluge Worte. „Es ist nicht wichtig, was die Leute über dich denken, wenn du kommst. Es ist wichtig, was die Leute von dir denken, wenn du gehst. Ich danke euch für das, was ihr denkt.“
Applaus.
„Wir sehen uns wieder.“
Jubel.
So leidet Jürgen Klopp