Dortmund. Unser Autor erlebte den Dortmunder Pokalsieg 2012 als BVB-Fan im Olympiastadion. Erinnerungen an eine sehr gelungene Auswärtsfahrt.

Große Siege des eigenen Vereins sind eine schöne Sache. Schöner sind eigentlich nur große Siege des eigenen Vereins, die man mit guten Freunden feiern kann. Das ist der Grund dafür, dass ich Steffi wohl auf ewig dankbar sein werde.

Mai 2012. Der Tag vor dem Pokalfinale. Dem ersten Pokalfinale, bei dem ich live dabei bin. In Berichten über meinen Verein wird oft das Wort „Märchen“ bemüht. Weil er nicht allzu viele Jahre zuvor fast pleite und nun zum zweiten Mal hintereinander Meister geworden war. Und ich finde „Märchen“ gar nicht mal übertrieben. Weil ich mich noch gut erinnern kann, wie es aussieht, wenn bei meinem Verein Leute wie Florian Kringe vorangehen müssen und man gegen Vereine wie den RC Genk aus dem UI-Cup fliegt. Kurzum: eine richtig gute Zeit, um Dortmund-Fan zu sein.

Mitleid mit den Bayern-Fans

Was das Ganze in diesen Tagen noch schöner macht: unser Endspielgegner. Der FC Bayern ist noch nicht der Über-Super-Triple-Klub, sondern einfach nur ein Verein, dessen Ego herb davon angekratzt ist, dass diese Schwarz-Gelben die nationale Fußball-Hackordnung durcheinanderwirbeln. Verstanden habe ich diese in meinen Augen größtenteils leidenschaftslosen Bayern-Fans eigentlich noch nie. Aber in diesen Tagen mischt sich zu dem Unverständnis auch noch Mitleid und eine Prise Hohn. Eine tolle Stimmung für eine Reise nach Berlin.

Nachmittag. Zwischen Hannover und Berlin. Stau. Das Navi führt uns von der Autobahn runter. Aber auch da ist Stau. Er besteht allerdings zu großen Teilen aus Autos, die bis zur Geschmacklosigkeit in Schwarz-Gelb gehüllt sind. Eine große Attraktion in der niedersächsischen Provinz. Menschen kommen aus ihren Häusern. Ein kleiner Junge winkt in BVB-Trikot aus dem Fenster. Der Wirt der Dorfkneipe reicht Bier in eines der stehenden Autos vor uns. „Ihr macht das schon. Die Bayern sind doch langweilig“, sagt er. Wie gesagt: eine richtig gute Zeit, um Dortmund-Fan zu sein. Das ändert sich auch am Abend nicht. Unsere letzte Amtshandlung: mit gut 30 anderen BVB-Fans unser Meisterlied anstimmen in einer Bar am Hackeschen Markt.

Breitscheidplatz in schwarz und gelb

Nächster Tag. Finaltag. Wir haben uns am Breitscheidplatz verabredet. Mit so ziemlich allen unseren Freunden, von denen wir wissen, dass sie heute auch das Double in Berlin feiern wollen. 15 Leute sind wir. Unter Tausenden. Der Platz neben der Gedächtniskirche ist rappelvoll. Und plötzlich renne ich Steffi in die Arme. Wir gucken beide ziemlich ungläubig. Wie wahrscheinlich ist es bitte, eine richtig gute Freundin, mit der ich zur Schule gegangen bin, mit der ich regelmäßig telefoniere, mit der ich regelmäßig zum BVB gehe, zufällig in Berlin zu treffen, sie in diesem schwarz-gelben Riesenpulk zufällig anzurempeln? Egal, steigert nur die Vorfreude. Denn mit Steffi kann man prima feiern. Als wir gegen 17 Uhr zum Stadion aufbrechen, bin ich schon heiser. Wir verabschieden uns, wünschen uns ein gutes Spiel – und ich mache mir erstmals an diesem Tag Sorgen.

Mit wem soll ich im Stadion weiterfeiern? Mein Sitznachbar, Wahl-Berliner und über komische Kanäle an Sponsorenkarten gekommen, ist Bochum-Fan und prinzipiell gegen alles, was gerade angesagt ist. So wie der BVB. Den Rest von unserer Clique zieht es in die Dortmund-Kurve oder zum Public Viewing an der Waldbühne. Oben auf der Tribüne sehe ich viele teilnahmslose Gesichter. Sponsorenkarten halt. Tendenziell mache ich sogar mehr rote als gelbe Schals aus. Dann werde ich plötzlich von hinten angesprungen. Irgendwas Blondes. Der Angriff kommt vom Platz direkt hinter mir. Wie wahrscheinlich ist es bitte, dass eine richtig gute Freundin, mit der ich zur Schule gegangen bin, mit der ich regelmäßig telefoniere, mit der ich regelmäßig zum BVB gehe, die ich zufällig im schwarz-gelben Riesenpulk am Breitscheidplatz angerempelt habe, beim Pokalfinale im Berliner Olympiastadion zufällig direkt hinter mir sitzt? Egal, es ist Steffi. Und es ist eine verdammt geile Zeit, um Dortmund-Fan zu sein.

"Ihr nervt" - gern geschehen

In der dritten Minute macht Shinji Kagawa das 1:0. Robben gleicht aus, aber später ballert uns Lewandowski zum Double. Steffi und ich fallen beim Jubeln ein paar Mal hin. Abpfiff. „Doublesieger, Doublesieger, hey, hey“, „Ein Schuss, kein Tor die Bayern, die Bayern!“. Einer dieser teilnahmslosen Rotschalträger dreht sich zu Steffi und mir um. „Ihr nervt.“ Gern geschehen. Und wieder fühle ich dieses Mitleid. Wie gesagt: eine richtig geile Zeit.

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