Berlin. Der FC Bayern verlor zum fünften Mal in Folge gegen Borussia Dortmund, diesmal sogar dramatisch hoch - und das auch noch im DFB-Pokalfinale. Die Fans versuchten, Aufbauarbeit für die nächste schwere Aufgabe zu leisten - am Samstag gegen Chelsea im Champions-League-Finale.
Als hätte der Abend dafür einen Anlass geboten, wurden in der Berliner Arena kurz nach dem Abpfiff des Pokal-Finales auch rote Fahnen geschwenkt. Um eine Huldigung ihrer Sieger konnte es den erfolgsverwöhnten Fans des FC Bayern dabei aber nicht gehen. Ihre Mannschaft hatte verloren, zum fünften Mal in Serie verloren gegen Borussia Dortmund, dramatisch hoch verloren diesmal sogar. 2:5. Dass die Fans ihre Fahnen dennoch wehen ließen, hatte einen rührenden Grund. Sensibel versuchten sie, die mit der schwarzgelben Abrissbirne zerstörte Psyche ihrer Akteure zu rekonstruieren, Aufbauarbeit für die nächste schwere Aufgabe zu leisten, das Endspiel in der Champions League am 19. Mai im eigenen Stadion (20.45 Uhr, live im DerWesten-Ticker).
FCB-Kapitän Philipp Lahm beansprucht wertvolle Exklusivität
Als die Geschlagenen die Tortur über sich ergehen lassen mussten, für Platz zwei geehrt zu werden, waren die meisten Roten dann aber doch auf dem Weg zu den Trost spendenden Getränken. Zurück blieb nur der harte Profikern, zurück blieben nur die, die immer unter dem Verdacht stehen, Hauptdarsteller zu sein. Und Philipp Lahm, Kapitän des FCB, der Kapitän auch der deutschen Nationalelf, arbeitete sich übereifrig daran ab, aus mächtig trübem Wasser etwas Schönes, Reines, Positives zu filtern. „Wir waren über 90 Minuten hinweg die besser Mannschaft“, sagte er und konnte wertvolle Exklusivität beanspruchen.
Über 90 Minuten hinweg war der stolze Bayern-Dampfer aber immerhin nicht in ein Wrack verwandelt worden, dem eine Zukunft als Taucherattraktion droht. Insofern steckte ein Stück Wahrheit in Lahms Trotz. Beim BVB-Führungstreffer durch Shinji Kagawa hatte sich das Schicksal Münchens Stolz gegenüber missgelaunt gezeigt. Das 1:1 durch Arjen Robben fiel zwar per Elfmeter, es würdigte zu diesem Zeitpunkt aber dennoch den Willen und die Leistung der Mannschaft. Dem 2:1 des BVB durch Mats Hummels – wieder Elfmeter – ging eine Dummheit von Jerome Boateng voraus. Kategorie also: individueller Fehler. Dummerweise addierte sich dazu noch das 3:1 durch Robert Lewandowski vor der Pause. Danach aber sollte der FCB-Dampfer endlich und wirklich mit voller Maschinenkraft nach vorne rummsen.
Heynckes bezeichnet Defensive als "indisponiert"
Zwei weitere Lewandowski-Tore, hineingestochen in die zahlreichen bayerischen Löcher, zwischendrin ein Tor von Franck Ribery. Das war es. Lediglich der Vereinspathologe hatte dem tristen Ergebnis noch etwas hinzuzufügen, Josef Heynckes, der Mann mit dem Sezierbesteck. „In der Defensive waren wir indisponiert“, erklärte Heynckes gnadenlos. Vor allem Badstuber, Luiz Gustavo, David Alaba, die drei Spieler, die gesperrt beim Finale der Königsklasse gegen Chelsea fehlen werden, kamen schlecht weg von seinem Obduktionstisch. „Das sind Spieler, die sich mit ihrer Situation beschäftigt haben.“ Bedeutet: Sie waren verwirrt, weil sie sich am Abend, an dem es um so viel ging für ihren leicht zu beleidigenden Klub, betrogen fühlten um den bedeutenden persönlichen Auftritt, der noch kommen sollte.
Eine bittere Analyse. Und für die Profiler des Fußballs wirft sie auch noch weitere Fragen auf. Welche kurzfristigen Folgen wird der verpasste Triumph haben? Wie wird die Mannschaft, die nach verlustig gegangener Meisterschaft nicht einmal Revanche nehmen konnte an diesem schnell erwachsen und gefährlich gewordenen schwarzgelben Gegner, sich erst gegen Chelsea präsentieren? Wie die Bayern einst? Trotzdem selbstbewusst, kerngesund, widerständig? Genesen von Verwirrung?
Die Frage, wie die fernere Zukunft zu gestalten sei, hat Uli Hoeneß, der Präsident, zumindest ungefähr schon beantwortet, Tage vor dem Pokalfinale, in Lippstadt. „Wir werden unsere Mannschaft so lange verstärken, bis wir wieder alleine sind. Und: Wir haben das Geld dazu.“ Der Kino-Pate Don Vito Corleone hätte es weniger persönlich genommen. Er hätte gewusst: Es ist nur das Geschäft. Und: Dass dem Geschäft Einsamkeit eher nicht gut tut.