Essen. Joachim Löw stuft die Iren als “kampf- und konterstark“ ein. Laut Bundestrainer spielen sie eine Kopie des Stils der polnischen Mannschaft. Dennoch wird Löw wahrscheinlich wieder mit Erik Durm und Antonio Rüdiger verteidigen. Karim Bellarabi bekam vom Bundestrainer sogar eine Einsatzgarantie.
Es vergingen gerade mal drei Monate, bis jüngst an diesen herrlichen spätsommerlichen Herbsttagen in Warschau eiskalt aufgedeckt wurde: Der Weltmeister ist in Problemen. Und dies nach dem 0:2 gegen die Polen gleich an vielerlei Stellen. Vor allem vorne, weil bei aller Freude über den vierten WM-Stern auf dem schneeweißen DFB-Trikot die Kaltschnäuzigkeit seltsamerweise abhanden gekommen ist und es die von lauter Feierlichkeiten schwer gewordenen Fußballerbeine irgendwie nicht mehr so häufig schaffen, das Runde ins Eckige zu befördern.
Aber hinten ist’s ja nicht viel besser, weil man ja nicht zwangsläufig als Verlierer vom Rasen schleichen muss, wenn weiter vorne auf jeden Fall die Null steht. „Zwischen den Turnieren wird immer von solchen Problematiken gesprochen“, sagte Joachim Löw am Montagmittag und legte seine Stirn in Falten. Er signalisierte damit leicht genervt: Bitte nicht schon wieder diese Diskussionen.
Bellarabi hat seinen Startplatz sicher
„Weltmeister zu sein, heißt nicht, unschlagbar zu sein“, brachte es der Schalker Julian Draxler auf den Punkt, der am Dienstag (20.45 Uhr, LIVE bei uns im TIcker) im EM-Qualifikationsspiel gegen Irland ein Heimspiel in der Gelsenkirchener Arena haben könnte. Die Möglichkeit besteht, weil am Montag Christoph Kramer mit Grippesymptomen zurück nach Gladbach geschickt wurde. So muss der Bundestrainer umbauen und will dies auch: Sebastian Rudy oder Matthias Ginter böten sich an, wenn Löw defensiv plant. Er könnte aber auch beispielsweise Draxler als offensiveren Part auf der Doppel-Sechs bringen, zumal dieser sich im Gegensatz zur Begegnung am Samstag in Warschau auch wieder körperlich fit für 90 Minuten fühlt. Einen sicheren Platz in der Startelf versprach Löw schonmal dem trotz des 0:2 überzeugenden Debütanten Karim Bellarabi.
Doch das sind nicht die wirklichen Sorgen, die sich Joachim Löw macht. Es wirkt zumindest etwas dünnhäutig, wie der Bundestrainer mit der Kritik an den nicht zufriedenstellenden Ergebnissen seit dem WM-Triumph – 1:4 gegen Argentinien, 2:1 über Schottland, 0:2 in Polen – umgeht. Als fehle ihm der Respekt vor dem Weltmeister, der bis zur Krönung bei einem solchen Turnier zumindest sehr häufig richtige Entscheidungen getroffen haben muss. „Mal haben wir keine Stürmer mehr, schießen dann aber in der Qualifikation und beim Turnier die meisten Tore“, sagte 54-Jährige, „oder: Wir haben keine Innenverteidiger mehr – und kassieren dann die wenigsten Gegentreffer.“
Weitere Neulinge sollen im November getestet werden
Speziell nach dem Spiel in Polen, die in ihrer Geschichte den ersten Sieg überhaupt über Deutschland feierten, wurde an den Außenverteidigern Erik Durm (links) und Antonio Rüdiger (rechts) gemäkelt. Häufigstgenannter Vorwurf: kein Schwung nach vorne, dazu in Defensivspiel zu unsicher. „Ich sehe Bedarf, daran zu arbeiten, aber keine echte Problematik. Ich gebe ihnen viel Zeit“, stellte sich der Bundestrainer auf die Seite des Dortmunders und des Stuttgarters, bei denen er auch in der Videoanalyse des Polen-Auftritts viel Positives erkannt haben wollte. Bei Rüdiger seien Präsenz, Zweikampfverhalten und Kopfballstärke „herausragend“, an Durm gefielen ihm Schnelligkeit und Ausdauer. Ja, „er macht halt auch ein paar Stellungsfehler“, räumte Löw ein.
Durm und Rüdiger "erste Optionen"
Er deutete an, dass sich so mancher potenzieller Rückkehrer vielleicht keine großen Hoffnungen mehr auf die EM 2016 in Frankreich machen solle, aber im November gegen Gibraltar und Spanien weitere Neulinge getestet werden sollen. Durm und Rüdiger bekämen Aufgaben mit fürs Training, seien aber derzeit seine erste Lösung. „Ich mache mir aber noch keine Gedanken, da etwas fest einspielen zu lassen“, erklärte Löw, „dafür ist die EM noch zu weit weg.“
Um sich noch intensiver geführter Diskussionen zu ersparen, sollten also am Dienstag die Iren bezwungen werden, die Löw als kampf- und konterstark einstuft – also sind sie quasi „eine Kopie der Polen“. Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff unterstrich den Lerneffekt eines solchen Erlebnisses wie in Warschau: „Auf lange Sicht ist es für junge Spieler vielleicht auch mal hilfreich, an einer Niederlage zu wachsen.“
Löw vor Irland-Spiel optimistisch
Gegen Polen sah der Bundestrainer sein Team gut organisiert und trotz der beiden Gegentore erfolgreich beim Vorhaben, gefährliche Konter der Polen zu unterbringen. Es seien auch auf kreative Art genügend Torchancen herausgespielt worden: „Das einzige Manko war nur“, sagte Löw, „dass wir kein Tor erzielt haben. Hätten wir aber keine Chancen gehabt, wäre das für mich viel ärgerlicher gewesen.“