Köln. . Mit Bestürzung hat Fußball-Deutschland auf die Randale von sogenannten Fußball-Fans inmitten der Kölner City reagiert. Die Forderungen nach konsequenterem Vorgehen gegen Hooligans werden lauter. Bei Fan-Beauftragten herrscht Frust.
Die Massenschlägerei von Köln sorgt für neue Diskussionen über gewaltbereite Fußball-Fans. Nach den Jagdszenen am Samstag vor den Augen zahlreicher entsetzter Passanten, bei denen ein Beteiligter lebensgefährlich verletzt wurde, sprachen Experten am Montag von einer neuen Stufe der Gewalt. "Wir beobachten, dass das Handeln zunehmend entgrenzter und enthemmter wird", sagte Sportsoziologe Gunter A. Pilz. Mit ähnlich deutlichen Worten kommentierte Arnold Plickert, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, das Geschehen: "Es war reines Glück, dass wir nicht den ersten Toten beklagen mussten."
Informationen aus der Ultra-Szene nach handelte es sich um eine "verabredete Sache": Gewaltbereite Dortmunder Anhänger aus dem rechten Milieu hatten gemeinsam mit Kölnern die Auseinandersetzung mit Schalke-Anhängern gesucht. Die Kölner Polizei wollte am Montag nicht bestätigen, dass auch BVB-Anhänger bei der Schlägerei mitgewirkt hatten.
Sportforscher sieht "gefähriche Vermischung" in Ultra-Fangruppen
"Es war wie in einem Kriegsfilm. Viele Passanten waren geschockt, einige haben geweint", sagte ein Augenzeuge der "Bild"-Zeitung. Ein in aller Eile zum Verhörraum umfunktioniertes Restaurant und Mordermittler der Polizei im Einsatz rundeten das Bild von einem Ausnahmezustand ab. Die Massenprügelei war mitten in der Kölner Innenstadt - auf dem viel befahrenen Habsburgerring.
Für den Sportsoziologen Pilz hat die zunehmende Gewaltbereitschaft viel mit der "neu zu beobachtenden Vermischung von Alt-Hooligans, Neonazis und kleineren Ultra-Fan-Gruppen" zu tun. "Da gibt es in letzter Zeit eine gefährliche Entwicklung hin zu einer Symbiose. Diese Gruppen sind von Gewalt fasziniert und kämpfen auch um die Meinungshoheit in den Fan-Kurven."
Unter Fan-Beaufragten ist am Montag Frust zu hören. "Das nimmt mich total mit", sagt einer aus den Reihen des BVB. Unter den Fußball-Anhängern seien gewaltbereite Fans "die ganz deutliche Minderheit". Gleichwohl, räumt man unter Fan-Betreuern ein, "gibt es unter den Gruppen Leute, die wir nicht erreichen". Die Randale in Köln dürfe "auf keinen Fall dazu dienen, alle Fußballfans zu kriminalisieren".
Der Rechtsstaat muss Stärke zeigen
Nicht zuletzt wegen dieser bedenklichen Entwicklung unterstützt die Polizeigewerkschaft Pläne von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), mit Hilfe der Vereine, des Verbandes, der Polizei und der Justiz konsequenter gegen den gewaltbereiten Anhang vorzugehen. "Und wir müssen prüfen, ob bei diesen Gruppierungen nicht die Strukturen krimineller Vereinigungen vorliegen", fügte Plickert an.
Marc Lürbke, sportpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, regte am Montag weitere Maßnahmen an. Seiner Meinung nach sollen sich eindeutig ermittelte Gewalttäter zum Zeitpunkt eines Fußballspiels in der Polizeiwache ihrer Heimatstadt melden. "Ohne verstärkten Einsatz von Meldeauflagen reisen Randalierer - wie jetzt in Köln geschehen - dennoch an", monierte Lürbke. "Es ist unseren Polizeibeamten doch nicht vermittelbar, dass sie Woche um Woche immer wieder denselben Chaoten gegenüberstehen müssen."
Versuche, bei der Bewältigung des Problems in erster Linie auf Dialog zu setzen, wurden am Samstag ad absurdum geführt. Noch während sich rund 700 Teilnehmer aus fast allen Proficlubs auf einem Fan-Kongress in Berlin bemühten, dem Ruf als Krawallmacher entgegenzutreten, sorgten 200 Hooligans in Köln für Randale.
"Nicht die ganze Szene verteufeln"
Kongress-Teilnehmer Jakob Falk von der Organisation "ProFans" machte aus seinem Frust keinen Hehl: "Es darf nicht passieren, dass jemand lebensgefährlich verletzt wird. Wir müssen sagen, dass wir als Veranstalter, als Fan-Organisationen "ProFans" und "Unsere Kurve" in einen Bereich geraten, auf den wir keinen Einfluss haben." Auch bei ProFans sieht man gewaltbereite Fußball-Anhänger als "eine kleine Randerscheinung". Es sei kontraproduktiv, wenn Politik und Polizei nun mit verschärften Sicherheitsauflagen alle Fußball-Fans in einen Topf werfen und damit kriminalisieren würden. Aus Sicht von "ProFans"-Aktiven würde man sich das Gegenteil wünschen: "weniger sichtbare Polizei an und in Stadien". Zudem wünsche man sich, "das die Polizei nach Einsätzen Kritik und Selbstkritik zulässt". Das könnte auch Vorbildfunktion für Fan-Gruppen haben.
Schon in wenigen Wochen droht neuerliches Ungemach. Weil an der von rund 200 Hooligans verursachten Randale auch Dortmunder Fans beteiligt gewesen sein und sich mit dem Kölner gegen den Schalker Anhang verbündet haben sollen, wird das ohnehin brisante Revierderby Ende März zwischen dem BVB und Schalke zu einem Hochsicherheitsspiel. Für Fanforscher Pilz ist ein solcher Zusammenschluss verschiedener Gruppen nicht ungewöhnlich: "Es gab schon immer Fan-Freundschaften und -feindschaften. Die Fans nehmen die Vereinstreue genauso wenig wichtig wie die Fußball-Profis."
Die Polizei in Köln ermittelt unterdessen wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Unbekannt. Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers verurteilte die Randale aufs Schärfste: "Hierdurch ist eine neue Stufe der Gewalt erreicht worden. Wir werden alles daran setzen, die Hintergründe dieser Tat aufzuklären, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen." Er erwarte von Fans, Fangruppen und Vereinen, dass sie sich von solchen Straftätern distanzieren und sie aus ihren Reihen ausschließen. (dpa/mit dae/WE)