Essen. Die deutsche Nationalmannschaft hat sich wieder einmal für eine Weltmeisterschaft qualifiziert, nur die öffentliche Reaktion fällt vergleichsweise gelassen aus. Doch warum ist das eigentlich so, fragt Reinhard Schüssler. Ein Kommentar.

Die Pflicht ist erfüllt. Es sagt sich so leicht daher. Wirft aber auch die Frage auf: Was verpflichtet eine deutsche Fußball-Nationalmannschaft eigentlich dazu, sich regelmäßig für ein WM-Turnier zu qualifizieren? Anders formuliert: Wem ist sie die Qualifikation schuldig? Der riesigen Fangemeinde? Einer Nation, die sich als großes Fußball-Land sieht?

Nur weil deutsche Mannschaften noch jede WM-Endrunde, für die sie sich bewarben, erreicht haben, heißt dies nicht, dass es sich um ein Naturgesetz handelt. Der Vergleich mit anderen bedeutenden Fußball-Nationen zeigt: Spanien, Frankreich, Holland, ja selbst der viermalige Titelträger Italien, von England ganz zu schweigen – sie alle haben schon diverse Weltmeisterschaften verpasst. Ein Szenario, das sich ein deutscher Fußball-Fan gar nicht vorzustellen vermag. Was die vergleichsweise gelassene öffentliche Reaktion auf den neuerlichen, beeindruckenden Durchmarsch der Löw-Auswahl in ihrer ja nicht einfachen Qualifikationsgruppe erklärt.

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Das deutsche Anspruchsdenken wächst stetig

Es ist der Fluch des Erfolgs: Was über Jahrzehnte ausnahmslos erreicht wird, ist irgendwann selbstverständlich geworden und erfährt nicht mehr die angemessene Würdigung. Ein Los, das jeden Bundestrainer trifft. Für den aktuellen Coach kommt es jedoch noch schlimmer. Lässt doch das Anspruchsdenken in einem Land, das dreimal Weltmeister war, aber seit 1990 auf den vierten Titel wartet, wenig Spielraum für die bevorstehende WM.

Joachim Löw ist Realist genug, um zu wissen: Nach drei Turnieren (WM 2010, EM 2008 und 2012), in denen ihm als Chefcoach der große Wurf versagt blieb, ist jetzt für ihn - zumal mit dem vermeintlich stärksten Kader seit Jahren - die Kür in Brasilien die Pflicht. Andernfalls werden sich auch jene, die ihm heute noch den Rücken stärken, verpflichtet sehen, nach einem neuen Trainer zu rufen.