Essen. . Deutschlands Fußball-Bundestrainer Joachim Löw hat einen Tag vor dem Test gegen Paraguay erklärt, was auf dem Weg zur WM in Brasilien wichtig ist. Von seinem risikoreichen Offensivspiel möchte Löw “sicher kein bisschen abweichen“. Doch auf die Defensive soll stabiler werden. Ein Balance-Akt.
Kurz vor dem Start in die Bundesligasaison hat der Bundestrainer den prominenten Kollegen besucht, der noch nicht lange beim FC Bayern im Amt ist. Joachim Löw trug in München ein weißes, körperbetont geschnittenes Hemd, bei dem er die Ärmel hochgekrempelt hatte. Pep Guardiola hatte die Ärmel auch hochgekrempelt, allerdings wirkte sein Hemd ausnahmsweise fast burschikos, Holzfällerquadrate, über den Gürtel fallend. Im Fußball wird so etwas meist nicht beachtet. Die Kleidung der Protagonisten sollte bei Gipfeltreffen dieser Art aber unbedingt erwähnt werden. Es ist nämlich so: Beim Chef des gesamtdeutschen und beim Chef des bajuwarischen Ensembles handelt es sich um Ästheten, um Brüder im Geiste, bei den Klamotten und beim Kicken.
Guardiolas Barcelona diente Löw stets als Vorbild
Am Dienstag machte Joachim Löw das wieder einmal deutlich. Pressekonferenz vor der Testpartie der nationalen Auswahl gegen Paraguay am Mittwochabend in Kaiserslautern (20.45 Uhr/ZDF und in unserem Live-Ticker). Ein einziges Mal erhebt sich die Stimme des Mannes, der diesmal ein weißes, körperbetont geschnittenes Hemd trägt, die Ärmel hochgekrempelt. Als er ein Plädoyer für den blitzschnellen und mit Kombinationen strotzenden Fußball für angebracht hält: „Ich liebe es über alles, offensiv zu spielen, Risiko einzugehen“, erklärt er und legt fest: „Davon werden wir sicher kein bisschen abweichen.“
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Mit Guardiola hat sich der Bundestrainer in einem über zwei Stunden andauernden Gespräch vor allem über Fußball unterhalten. Anschließend verkündete er, dass dessen „Ideen hervorragend“ seien. Aber das wusste Löw auch vor dem Austausch schon. Immer wieder hatte er schließlich in den vergangenen Jahren das schöne Tiki-Taka-Spiel der spanischen Nationalmannschaft und des FC Barcelona gepriesen, den Bayerns Neuer 2009, in seinem ersten Jahr auf der Bank, zu Meisterschaft, Pokal und Champions-League-Triumph führte. Die Antwort auf die Frage, wie Deutschland endlich wieder zu einem großen Titel gelangen könne, lautete bei ihm also stets: Wir müssen es angehen wie die Spanier, wie die Weltmeister von 2010 und Europameister von 2008 und 2012, deren Idee und Personal barcelonisch und damit zumindest 2010 und 2012 stark guardiolisch war.
Götze, Draxler, Kroos und Schweinsteiger fehlen gegen Paraguay
In dieser gerade beginnenden Saison nimmt Löw in der Rolle des Cheftrainers und des Sisyphos’ zum vierten Mal Anlauf. Von der Weltmeisterschaft in Brasilien im kommenden Sommer soll etwas für die Vitrine mit nach Hause gebracht werden. Gegen alle Spanier. Dass Guardiola nun bei den Bayern wirkt, dem Hauptpersonallieferanten, ist dem Bundestrainer in diesem Zusammenhang recht. Dem „Kicker“ hat er bereits systemtheoretisch ausklamüsert, dass der Neue mit dem 4-1-4-1 auf einer Linie mit seiner 4-2-3-1-Formation liege. Der Bayern-Coach installiere „drei zentrale Mittelfeldspieler“ (plus Flügel): „Das ist deckungsgleich mit der Nationalelf.“ Wichtig sei: „die taktische Vorgabe“.
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Auch die Überlegung des Katalanen, vielleicht mit Mario Götze, der gegen Paraguay wie Julian Draxler, Toni Kroos und Bastian Schweinsteiger nicht mittun kann, als Stürmer in die Schlachten zu ziehen, dürfte den Beifall des Bundestrainers finden. Der kleine und bewegliche Götze, die auf engem Raum zaubernde Neun, steht für ihn für seine Angriffsvariante Nummer zwei. Nummer eins bleibt allerdings die mit den Angriffs-Klassikern, entweder Miroslav Klose oder Mario Gomez. Letzterer sei „eine Tormaschine“, so Löw, er müsse nur „seinen Rhythmus finden und Vertrauen genießen“.
Offensiv-Liebhaber Löw will auch "die Defensive stabilisieren"
Es ist ein wenig wie mit dem System, über das Guardiola mit dem einen nach vorne geschobenen Mittelfeldartisten eben doch noch mehr Offensive ausdrückt: Das Vertrauen des Spaniers hatte der Neu-Florentiner nicht, vor ihm und seinen Idealvorstellungen ist der robuste, hoch gewachsene Gomez ja nach Italien geflohen. Löw dagegen hat sogar neuerdings im Auge, dass „das Spiel ein wenig auf ihn zugeschnitten werden“ müsse.
Was eine Abweichung von der reinen Lehre beinhaltet. Und dass in den nächsten Monaten, nach nur drei Zu-Null-Spielen nach der EM und vier Gegentreffern gegen Schweden und die USA, „ein wichtiges Thema“ sei, „die Defensive zu stabilisieren“, klingt auch irgendwie urig deutsch für einen glühenden Liebhaber der Offensive, es klingt in etwa so urig deutsch wie: „Die WM in Brasilien wird eine WM des Willens.“ Mag aber sein, der Bruder im Geiste hat diese Angriffs-Verteidigungs-Balance mit ästhetischem Anspruch genauso im Sinn und es fehlt ihm nur noch an den tiefer schürfenden teutonischen Wörtern.