Växjö. . Torfrau Nadine Angerer bewahrt die deutschen Fußballerinnen beim 0:0 gegen die Niederlande zum EM-Auftakt vor Schlimmerem. Am Sonntag geht es im zweiten Gruppenspiel gegen Island. Der Mentalcoach ist schon eingetroffen.

Am nächsten Morgen hat in einem Stadthotel von Växjö tatsächlich ein Fan besorgt und behutsam seine Hand auf die von Steffi Jones gelegt. Er wollte wissen, was mit der Frauen-Nationalmannschaft los ist, woraufhin die DFB-Direktorin mit einem Lächeln an die Historie erinnerte. „1997“, sagte die Ex-Nationalspielerin, „hat es auch so angefangen.“ 1:1 gegen Italien, 0:0 gegen Norwegen – mehr mühselig als überzeugend quälte sich die Generation mit Birgit Prinz, Sandra Smisek oder Doris Fitschen in eine Europameisterschaft, um am Ende als fröhlicher Triumphator heimzukommen. Aus Norwegen und Schweden übrigens. Der Mann mittleren Alters hörte sich die Geschichte an und setzte einigermaßen zufrieden sein Frühstück fort.

Aber dass die überschaubare Zahl deutscher Anhänger, die sich zumeist im Wohnmobil in die südschwedischen Weiten aufgemacht haben, um die Fußballerinnen auf dem Weg zum achten Titel zu begleiten, plötzlich skeptisch werden, darf als erstes Alarmsignal gelten. Ist dieser Talentschuppen, im Schnitt 23,5 Jahre jung, vielleicht doch noch nicht so stabil, robust und mental stark wie voreilig angenommen? Die bei der Nullnummer gegen die Niederlande überragende Torhüterin und Retterin Nadine Angerer sprach von „Lähmungserscheinungen“, die sich zum zweiten Gruppenspiel am Sonntag gegen Island (20.30 Uhr/ZDF) nicht wiederholen sollten.

Deutsche Fußballerinnen haben mehr zu verlieren als zu gewinnen

Am Freitag, auf der Pressekonferenz im Konzerthaus von Växjö, sprach Lena Goeßling aus, was für 8861 Zuschauer vor Ort und mehr als sechs Millionen vor Fernsehschirmen in der Heimat offensichtlich war: „Wir waren aufgeregt und nervös. So eine EM ist ja etwas ganz anderes als ein Länderspiel.“

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Die entwaffnende Ehrlichkeit der 27-Jährigen, die sich auch wegen des Triple mit dem VfL Wolfsburg als Leitwölfin sieht, lässt tief blicken. Offenbar hat auch dieses Ensemble irgendwie unter dem imaginären Rucksack von 2011, mit der verbaselten WM im eigenen Land, zu leiden; die Frauen mit dem Armbändchen „Laganda 008“ haben mehr zu verlieren als zu gewinnen.

Bundestrainerin Silvia Neid möchte „nicht alles schlecht reden, denn es waren auch gute Sachen dabei“. Die 49-Jährige will ihre Spielerinnen nach einer „perfekten Analyse“ übers Wochenende aufbauen, „wir müssen sie mutig machen.“ Denn: Es sei doch „nix passiert, alle in der Gruppe haben einen Punkt, wir stecken den Kopf nicht in den Sand.“

Der Mentalcoach ist eingetroffen

Vielleicht auch hilfreich, dass der Mentalcoach Markus Hornig nun bei der DFB-Delegation weilt. Dabei wurde betont, dass dessen plötzliches Eintreffen ergebnisunabhängig erfolgt sei. Zeit genug für psychologische Betreuung blieb, denn das für Freitag angesetzte Training fiel aus.

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Statt dessen wurde auf gute Laune gemacht: In der Nacht zu Freitag sang das Team ein Ständchen für Simone Laudehr, die ihren 27. Geburtstag feierte. Laudehr, die Bastian Schweinsteiger zum Vorbild hat, könnte aber auch auf dem Rasen bald im Mittelpunkt stehen: Eigentlich wäre das Geburtstagskind befähigt, das Geschehen besser zu ordnen.

Ursächlich für die Unordnung war nämlich das Versagen der Wolfsburger Doppel-Sechs mit Lena Goeßling und Nadine Keßler. „Wir wissen selbst, dass wir nicht unser bestes Spiel gemacht haben“, gab die eine (Goeßling) zu, während die andere (Keßler) beklagte, „dass die Bälle ständig über uns rübergeflogen sind.“

Bundestrainerin Neid hat viel zu bemängeln

Silvia Neid widmete dem Duett gleichwohl eine lange Mängelliste („zu wenige Ballgewinne, hinten zu löchrig, vorne falsche Entscheidungen“), will beide aber gegen Island nicht fallen lassen. Ihr fehlen nach den Absagen von Kim Kulig oder Viola Odebrecht auf dieser Schlüsselposition schlicht die Alternativen; und Simone Laudehr ist nach einem Knorpelschaden erst seit sechs Wochen wieder voll belastbar.

Der deutsche EM-Kader

Mit diesem Kader geht die deutsche Frauen-Nationalmannschaft die Europameisterschaft in Schweden an. Alleine sieben der 23 Akteurinnen spielen beim 1. FFC Frankfurt, immerhin fünf beim Triple-Sieger VfL Wolfsburg.
Mit diesem Kader geht die deutsche Frauen-Nationalmannschaft die Europameisterschaft in Schweden an. Alleine sieben der 23 Akteurinnen spielen beim 1. FFC Frankfurt, immerhin fünf beim Triple-Sieger VfL Wolfsburg. © dpa
Nadine Angerer (34), derzeit vereinslos, 118 Länderspiele (Stand: 10.07.2013). Erfolge: Weltmeisterin 2003 und 2007, Olympische Bronzemedaille 2000, 2004 und 2008, Europameisterin 1997, 2001, 2005 und 2009, UEFA-Cup-Siegerin 2005, zweimal Deutsche Meisterin, viermal DFB-Pokalsiegerin
Nadine Angerer (34), derzeit vereinslos, 118 Länderspiele (Stand: 10.07.2013). Erfolge: Weltmeisterin 2003 und 2007, Olympische Bronzemedaille 2000, 2004 und 2008, Europameisterin 1997, 2001, 2005 und 2009, UEFA-Cup-Siegerin 2005, zweimal Deutsche Meisterin, viermal DFB-Pokalsiegerin © REUTERS
Laura Benkarth (20), SC Freiburg. Größter Erfolg: U20-Weltmeisterin 2010
Laura Benkarth (20), SC Freiburg. Größter Erfolg: U20-Weltmeisterin 2010 © imago sportfotodienst
Almuth Schult (22), VfL Wolfsburg, 11 Länderspiele. Größte Erfolge: U20-Weltmeisterin 2010, 3. Platz bei der U17-WM 2008
Almuth Schult (22), VfL Wolfsburg, 11 Länderspiele. Größte Erfolge: U20-Weltmeisterin 2010, 3. Platz bei der U17-WM 2008 © Getty Images
Saskia Bartusiak (30), 1. FFC Frankfurt, 68 Länderspiele. Größte Erfolge: Weltmeisterin 2007, Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008, Europameisterin 2009, UEFA-Cup-Siegerin 2006 und 2008, zweimal Deutsche Meisterin, dreimal DFB-Pokal-Siegerin, U 18-Europameisterin 2000
Saskia Bartusiak (30), 1. FFC Frankfurt, 68 Länderspiele. Größte Erfolge: Weltmeisterin 2007, Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008, Europameisterin 2009, UEFA-Cup-Siegerin 2006 und 2008, zweimal Deutsche Meisterin, dreimal DFB-Pokal-Siegerin, U 18-Europameisterin 2000
Jennifer Cramer (20), Turbine Potsdam, fünf Länderspiele. Größte Erfolge: Deutsche Meisterin 2011 und 2012, U19-Europameisterin 2011
Jennifer Cramer (20), Turbine Potsdam, fünf Länderspiele. Größte Erfolge: Deutsche Meisterin 2011 und 2012, U19-Europameisterin 2011 © imago sportfotodienst
Josephine Henning (23), VfL Wolfsburg, 14 Länderspiele. Größte Erfolge: Champions-League-Siegerin 2010 und 2013, dreimal Deutsche Meisterin, Deutsche Pokalsiegerin 2013
Josephine Henning (23), VfL Wolfsburg, 14 Länderspiele. Größte Erfolge: Champions-League-Siegerin 2010 und 2013, dreimal Deutsche Meisterin, Deutsche Pokalsiegerin 2013 © imago sportfotodienst
Annike Krahn (28), Paris St. Germain, 88 Länderspiele (4 Tore). Größte Erfolge: Weltmeisterin 2007,Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008, Europameisterin 2009, U19-Weltmeisterin 2004, UEFA-Cup-Siegerin 2009, DFB-Pokal-Siegerin 2009
Annike Krahn (28), Paris St. Germain, 88 Länderspiele (4 Tore). Größte Erfolge: Weltmeisterin 2007,Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008, Europameisterin 2009, U19-Weltmeisterin 2004, UEFA-Cup-Siegerin 2009, DFB-Pokal-Siegerin 2009 © Getty
Leonie Maier (20), Bayern München, neun Länderspiele (2 Tore).
Leonie Maier (20), Bayern München, neun Länderspiele (2 Tore). © dpa
Bianca Schmidt (23), 1. FFC Frankfurt, 33 Länderspiele (2 Tore). Größte Erfolge: U20-Weltmeisterin 2010, Champions-League-Siegerin 2010, Europameisterin 2009, dreimal Deutsche Meisterin, Dritter Platz U20-Weltmeisterschaft 2008
Bianca Schmidt (23), 1. FFC Frankfurt, 33 Länderspiele (2 Tore). Größte Erfolge: U20-Weltmeisterin 2010, Champions-League-Siegerin 2010, Europameisterin 2009, dreimal Deutsche Meisterin, Dritter Platz U20-Weltmeisterschaft 2008
Luisa Wensing (20), VfL Wolfsburg, 13 Länderspiele. Größte Erfolge: Champions-League-Siegerin, Deutsche Meisterin und Pokalsiegerin 2013
Luisa Wensing (20), VfL Wolfsburg, 13 Länderspiele. Größte Erfolge: Champions-League-Siegerin, Deutsche Meisterin und Pokalsiegerin 2013 © Bongarts/Getty Images
Fatmire Bajramaj (25), 1. FFC Frankfurt, 62 Länderspiele (13 Tore). Größte Erfolge: Weltmeisterin 2007, Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008, Europameisterin 2009, U19-Europameisterin 2006, Champions-League-Siegerin 2010, UEFA-Cup-Siegerin 2009, DFB-Pokal-Siegerin 2009, zweimalDeutsche Meisterin
Fatmire Bajramaj (25), 1. FFC Frankfurt, 62 Länderspiele (13 Tore). Größte Erfolge: Weltmeisterin 2007, Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008, Europameisterin 2009, U19-Europameisterin 2006, Champions-League-Siegerin 2010, UEFA-Cup-Siegerin 2009, DFB-Pokal-Siegerin 2009, zweimalDeutsche Meisterin © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Melanie Behringer (27), 1. FFC Frankfurt, 88 Länderspiele (24 Tore). Größte Erfolge: Weltmeisterin 2007, Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008, Europameisterin 2009, DFB-Pokalsiegerin 2011, U19-Weltmeisterin 2004 U19-Vize-Europameisterin 2004
Melanie Behringer (27), 1. FFC Frankfurt, 88 Länderspiele (24 Tore). Größte Erfolge: Weltmeisterin 2007, Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008, Europameisterin 2009, DFB-Pokalsiegerin 2011, U19-Weltmeisterin 2004 U19-Vize-Europameisterin 2004
Sara Däbritz (18), SC Freiburg, ein Länderspiel.
Sara Däbritz (18), SC Freiburg, ein Länderspiel. © dpa
Lena Goeßling (27), VfL Wolfsburg, 50 Länderspiele (4 Tore). Größte Erfolge: U19-Weltmeisterin 2004, U23-Nordic Cup Sieger 2006, Champions-League-Siegerin, Deutsche Meisterin und Deutsche Pokalsiegerin 2013
Lena Goeßling (27), VfL Wolfsburg, 50 Länderspiele (4 Tore). Größte Erfolge: U19-Weltmeisterin 2004, U23-Nordic Cup Sieger 2006, Champions-League-Siegerin, Deutsche Meisterin und Deutsche Pokalsiegerin 2013 © AFP
Svenja Huth (22), 1. FFC Frankfurt, 15 Länderspiele. Größte Erfolge: Deutsche Meisterin 2008, dreimal DFB-Pokal-Siegerin, UEFA-Pokal-Siegerin 2008
Svenja Huth (22), 1. FFC Frankfurt, 15 Länderspiele. Größte Erfolge: Deutsche Meisterin 2008, dreimal DFB-Pokal-Siegerin, UEFA-Pokal-Siegerin 2008 © dpa
Nadine Keßler (25), VfL Wolfsburg, 12 Länderspiele (4 Tore). Größte Erfolge: Champions-League-Siegerin 2010 und 2013, zweimal Deutsche Meisterin, Deutsche Pokalsiegerin 2013
Nadine Keßler (25), VfL Wolfsburg, 12 Länderspiele (4 Tore). Größte Erfolge: Champions-League-Siegerin 2010 und 2013, zweimal Deutsche Meisterin, Deutsche Pokalsiegerin 2013 © imago sportfotodienst
Simone Laudehr (27), 1. FFC FRankfurt, 59 Länderspiele (14 Tore). Größte Erfolge: Weltmeisterin 2007Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008Europameisterin 2009U 19-Weltmeisterin 2004U 23-Nordic Cup Siegerin 2006UEFA-Cup-Siegerin 2009DFB-Pokal-Siegerin 2009, 2010
Simone Laudehr (27), 1. FFC FRankfurt, 59 Länderspiele (14 Tore). Größte Erfolge: Weltmeisterin 2007Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008Europameisterin 2009U 19-Weltmeisterin 2004U 23-Nordic Cup Siegerin 2006UEFA-Cup-Siegerin 2009DFB-Pokal-Siegerin 2009, 2010
Melanie Leupolz (19), SC Freiburg, zwei Länderspiele. Größter Erfolg: U20-Vizeweltmeisterin 2012
Melanie Leupolz (19), SC Freiburg, zwei Länderspiele. Größter Erfolg: U20-Vizeweltmeisterin 2012 © imago sportfotodienst
Isabelle Linden (22), Bayer Leverkusen, ein Länderspiel. Größter Erfolg: U17-Europameisterin 2008
Isabelle Linden (22), Bayer Leverkusen, ein Länderspiel. Größter Erfolg: U17-Europameisterin 2008 © Michael Gohl
Lena Lotzen (19), Bayern München, zehn Länderspiele. Größter Erfolg: DFB-Pokal-Sieg 2012
Lena Lotzen (19), Bayern München, zehn Länderspiele. Größter Erfolg: DFB-Pokal-Sieg 2012 © dpa
Dzsenifer Marozsan (21), 1. FFC Frankfurt, 18 Länderspiele (6 Tore). Größte Erfolge: U20-Weltmeisterin 2010, DFB-Pokalsiegerin 2011
Dzsenifer Marozsan (21), 1. FFC Frankfurt, 18 Länderspiele (6 Tore). Größte Erfolge: U20-Weltmeisterin 2010, DFB-Pokalsiegerin 2011
Anja Mittag (28), LdB FC Malmö, 91 Länderspiele (16 Tore). Größte Erfolge: Weltmeisterin 2007, Europameisterin 2005 und 2009, Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008, U19-Weltmeisterin 2004, Champions-League-Siegerin 2010, UEFA-Cup-Siegerin 2005, dreimal Deutsche Meisterin, zweimal DFB-Pokal-Siegerin
Anja Mittag (28), LdB FC Malmö, 91 Länderspiele (16 Tore). Größte Erfolge: Weltmeisterin 2007, Europameisterin 2005 und 2009, Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008, U19-Weltmeisterin 2004, Champions-League-Siegerin 2010, UEFA-Cup-Siegerin 2005, dreimal Deutsche Meisterin, zweimal DFB-Pokal-Siegerin
Celia Okoyino da Mbabi (25), 1. FFC Frankfurt, 79 Länderspiele (41 Tore). Größte Erfolge: Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008, Europameisterin 2009, U19-Weltmeisterin 2004
Celia Okoyino da Mbabi (25), 1. FFC Frankfurt, 79 Länderspiele (41 Tore). Größte Erfolge: Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2008, Europameisterin 2009, U19-Weltmeisterin 2004
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Aber laut Lena Goeßling ist Panikmache fehl am Platze. Ihr Versprechen: „Wir werden das am Sonntag besser machen.“ Und dem Mann bei Steffi Jones richtete die blonde Fußballerin mit den blau-grünen Augen eigens aus: „Schöne Grüße von mir. Er soll sich keine Sorgen machen.“