Mainz. Tuchel ist zu weit gegangen. Schiedsrichter-Schelte gehört zum Fußball-Alltag. Und wird in der Regel achselzuckend registriert. Mainz-Coach Thomas Tuchel jedoch ist mit seiner Verschwörungstheorie jetzt zu weit gegangen. Ein Kommentar
Thomas Tuchel wirkte ruhig und gefasst. Weil dies selten genug vorkommt, hätten seine Zuhörer gleich Verdacht schöpfen können. Tatsächlich macht es die Sache denn auch nur noch schlimmer. Heißt dies doch: Seine Anklage gegen die deutschen Fußball-Schiedsrichter, von denen er Mainz 05 „krass benachteiligt“ sieht, wurde nicht im Affekt, sprich: aus spontanem Ärger, erhoben, sondern war wohl überlegt.
Tuchel-Attacke darf der DFB nicht ungesühnt lassen
Dass er sich mit dem Hinweis, die Mannschaft müsse für sein Auftreten bezahlen, als Verursacher jener von ihm behaupteten Parteinahme der Unparteiischen bekennt, ist nur auf den ersten Blick ehrenwert. Denn Tuchel stellt weniger sein – kritikwürdiges – Verhalten in Frage als das der von ihm pauschal an den Pranger gestellten Schiedsrichter.
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Sicher, wer wollte ausschließen, dass Reaktionen von Fußball-Lehrern, die sich an der Seitenlinie wie das legendäre HB-Männchen aufführen und jeden Pfiff gegen die eigene Elf lautstark und gestenreich kommentieren, ganz ohne Einfluss auf Entscheidungen blieben? Aber den Schiedsrichtern zu unterstellen, eine Mannschaft bewusst für das Benehmen ihres Trainers zu bestrafen, ist ungeheuerlich und muss den DFB auf den Plan rufen.
Tuchels Schiri-Schelte geht deutlich über das übliche Maß hinaus
Ob Tuchel mit seiner „Brandrede“ dem Mainzer Team – nach seiner eigenen Logik - nun erst recht schadet, sei dahingestellt. Beschädigt hat der Coach, der zu den kreativsten Köpfen seiner Zunft gehört, auf jeden Fall seinen Ruf. Die extrem schlechte Laune des schnell aufbrausenden 39-Jährigen nach Niederlagen ist bekannt, aber tolerierbar. Mit seiner Verschwörungstheorie, die über die in der Branche (leider) übliche Schiedsrichter-Schelte deutlich hinausgeht, ist er jedoch zu weit gegangen.