Lille. Der FC Bayern München spürt vor dem Champions-League-Spiel beim OSC Lille am Dienstag “einen gewissen Druck“. Mittelfeldspieler Franck Ribery kehrt in seine alte Heimat zurück und tritt vor den Augen zahlreicher Freunde und Verwandter an.
Bayern Münchens Trainer Jupp Heynckes sieht seine Mannschaft im Champions-League-Spiel am Dienstag (20.45 Uhr, live im DerWesten-Ticker) beim OSC Lille vor einer schweren Aufgabe. "Wir müssen eine überdurchschnittliche Leistung bringen und sind gefordert, um international wieder in die Spur zu kommen", sagte er bei der Pressekonferenz in der nordfranzösischen Stadt. "Es ist alles gut, wie es ist. Aber wir dürfen und werden den Gegner nicht unterschätzen", sagte Rummenigge: "Die Franzosen werden ihre letzte Chance in der Champions League suchen." Sportvorstand Matthias Sammer warnte mit Blick auf Tabellenplatz drei noch eindringlicher: "Was bisher war, nehmen wir mit - aber dafür kriegen wir keinen Bonus. Es geht bei null los!" Denn alles andere als der Gruppensieg wäre für die Bayern und Lille-Rückkehrer Franck Ribery eine Enttäuschung.
Der OSC Lille konzentrierte sich zuletzt auf gepflegte Fußballkunst
Bayern-Gegner Lille ist ein stolzer Verein mit einem entsprechenden Maskottchen. Vor dem Vereinsgelände ragt eine meterhohe Nachbildung einer deutschen Dogge in die Luft. Doch zuletzt konzentrierte sich der Klub aus dem nordfranzösischen Bergbaurevier mehr auf gepflegte Fußballkunst als auf ein kampfbetontes Spiel.
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Trainer Rudi Garcia ist ein Freund des Spektakels. Der Franzose liebt den spanischen Fußball, ist Verfechter des 4-3-3-Systems und bevorzugt das technisch anspruchsvolle Spiel. So führte er Lille in der Saison 2010/11 zur Meisterschaft und zum Pokalsieg - es waren die ersten Titel der Vereinsgeschichte seit 56 Jahren. In dieser Spielzeit wirkt die Offensive der "Doggen" dagegen gehemmt. In der Champions League verbuchen sie null Punkte nach zwei Partien, in der Liga müssen sie sich derzeit mit Rang elf begnügen.
Eine Zwischenbilanz, die Sparzwängen geschuldet ist. "Jedes Jahr müssen wir finanzielle Defizite ausgleichen und gute Spieler verkaufen", sagt Garcia. Vor allem der Wechsel von Eden Hazard zum FC Chelsea wiegt schwer. Der Offensivspieler war in den vergangenen beiden Jahren zum besten Feldspieler der französischen Liga gewählt worden. Sein Nachfolger Marvin Martin konnte ihn bislang noch nicht ersetzen. Und auch der vom FC Chelsea geholte Stürmer Salomon Kalou blieb hinter den Erwartungen zurück.
Kalou gewann mit Chelsea die Champions League gegen Bayern
In der vergangenen Saison gewann der Ivorer mit den Londonern noch die Champions League gegen Bayern München. Im Anschluss hatte er sich eigentlich vorgenommen, mit Lille erstmals über das Achtelfinale in der Königsklasse hinauszukommen. Doch nach dem verpatztem Start in der Gruppe F steht Lille bereits gehörig unter Druck. Garcia lässt sich aber nicht von seinem Weg abbringen. Er will die "Doggen" auf seine Weise aus der Krise führen - mit spielerischem Glanz.
Der "nette Herr Slomka" ist beim FC Bayern in aller Munde
Matthias Sammer richtig sauer erleben, möchte wohl niemand. Und so zog auch der Fernsehjournalist am vergangenen Wochenende lieber zurück, als Bayern Münchens Sportvorstand auf die immer wiederkehrende Frage nach dem vermeintlichen Interesse des Rekordmeisters an Trainer Mirko Slomka pampte: "Jetzt müssen Sie aufpassen, dass ich keine schlechte Laune bekomme." Öffentlich will sich in München noch niemand mit einem Nachfolger für Altmeister Jupp Heynckes beschäftigen. Es ist aber wohl kein Zufall, dass der Name Slomka immer wieder auftaucht.
Ein offizielles Angebot an den Coach, dessen Vertrag bei Hannover 96 am Ende der Saison ausläuft, gibt es nicht. Das betont Slomka, das betonen die Bayern - schließlich ist nicht mal Heynckes' Abschied beschlossene Sache. Und auch bei den Niedersachsen hoffen sie inständig, dass der Trainer sein Arbeitspapier noch in diesem Jahr verlängert. Dennoch: Slomka hat sich durch kontinuierlich gute Arbeit zu einem Kandidaten entwickelt, der zu Bayern passen könnte. Zumindest vordergründig.
Vom "netten Herrn Slomka" ist oftmals die Rede - und der 45-Jährige wirkt bei seinen öffentlichen Auftritten auch tatsächlich meist wie Schwiegermamas Liebling. Smart, freundlich, stets unaufdringlich gab sich der Fußballlehrer bisher bei seinen Stationen auf Schalke und in Hannover. Als "nicht machtbesessen" bezeichnet sich Slomka selbst, gibt aber immerhin zu, "ein Stück weit mächtig" sein zu wollen. Sonst wäre er ja ein schlechter Trainer, sagt er. Und dies - das weiß nicht nur der bekennende Slomka-Fan Uli Hoeneß - ist er wahrlich nicht.
Slomka kann auch unangenehm werden
Den Bayern passt diese Selbsteinschätzung genauso gut ins Konzept wie das schnelle Umschaltspiel, das Slomka predigt. Einen Egozentriker will man in München spätestens seit dem letztlich gescheiterten Experiment mit Louis van Gaal nicht mehr. Eine wirkliche Ära vor Heynckes prägte Ottmar Hitzfeld - ein öffentlich ebenso "Netter" wie Slomka. Dass der Hannoveraner Coach hinter verschlossenen Türen durchaus auch unangenehm werden kann, ist in der derzeitigen Aufstellung der Münchner Führungsriege aber eher problematisch.
Trotz der mal kleineren, mal größeren Reibereien zwischen Heynckes und Sammer ist die Rollenverteilung momentan klar. Der erfahrene Trainer, der "good guy", hat die Entscheidungshoheit auf dem Platz; Sammer, schon drei Monate nach Amtsantritt in der öffentlichen Wahrnehmung der "bad guy", grätscht dazwischen, wenn es nötig ist. Heynckes hat als weiser Fußballkenner und mehrmaliger Titelgewinner allerdings noch einen Bonus, den Slomka gegenüber dem Sportdirektor nicht hätte. Bei einem Duo Sammer/Slomka könnte es an der Säbener Straße regelmäßig knistern. Zwei Perfektionisten mit ausgeprägtem Willen würden aufeinandertreffen.
"Strategisch eiskalt" handle er manchmal, gibt Slomka zu. Er müsse "als Trainer unangenehme Entscheidungen treffen". Erfahrung im Umgang mit Stars hat Slomka bisher allerdings wenig. Dafür beweist er ein Gespür für Talente. Bei Schalke 04 zog er vor sechs Jahren den heutigen Münchener Keeper Manuel Neuer dem erfahrenen Frank Rost vor. Bayerns Wunsch, mehr Jugendspieler zu Profis zu formen, würde Slomka sicherlich mittragen.
Hoeneß mag Slomka - und umgekehrt
Wenn Bayern-Präsident Hoeneß und Slomka sich begegnen, sind die Treffen von auffälliger Herzlichkeit geprägt. Telefonkontakt hat es schon oft gegeben. Man kennt sich, man mag sich - und immerhin gibt Slomka zu, „irgendwann auch mal um einen Titel mitspielen" zu wollen.
Hannover, wo er einst schon als Jugendtrainer tätig war, hat der Coach immerhin zwei Mal in die Europa League geführt. Sein Ziel, "am liebsten auch einen Titel zu gewinnen", dürfte sich in München wohl weitaus schneller realisieren lassen. Davon mag aber zumindest Sammer noch gar nichts hören. Sonst kriegt er wegen des "netten Herrn Slomka" noch schlechte Laune. (dapd)