Frankfurt. . Fußball-Nationalspieler Toni Kroos ist zufrieden. Er ist in starker Form und stand bei allen bisherigen Bayern-Siegen auf dem Platz. Im Interview spricht er über die Kritik von Uli Hoeneß und Bastian Schweinsteiger.

Toni Kroos ist offenkundig entspannt, gelassen sitzt der 22-jährige Bayern-Profi im Sessel. Ein Grund für seine Zufriedenheit: Der defensive Mittelfeldspieler ist in starker Form, stand bei allen sieben Bayern-Siegen auf dem Rasen, erzielte zudem drei Tore. Doch Kroos weiß auch, dass die DFB-Elf gerade eine schwierigere Phase durchmacht – und spricht offen über die Kritik von Uli Hoeneß und Bastian Schweinsteiger, die öffentlichen Ansprüche und das Problem der unterschiedlichen Spielphilosophien.

Toni Kroos, spielen Sie eigentlich Tischtennis?

Kroos: Ab und zu, ja. Ich weiß aber gar nicht, worauf Sie hinaus wollen (lacht).

Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern, Ihres Klubs, hat die Überversorgung bei der Nationalelf kritisiert. Ist der Luxus bei der Nationalelf größer als bei den Bayern?

Kroos: Nein, das denke ich nicht. Aber es ist im Grunde genommen immer dasselbe. Wenn man ein Spiel verliert, so wie wir gegen Italien, wenn eine EM nicht so läuft, nicht so endet wie gewünscht, dann kommen solche Diskussionen über dies und das.

Hat Uli Hoeneß, Ihr Präsident, also nicht recht?

Kroos: Wir haben Bedingungen, mit denen wir uns optimal vorbereiten können. Wir haben ja nicht gesagt, wir brauchen das und das und das. Es wurde uns zur Verfügung gestellt, und warum sollen wir es dann ablehnen? Aber wenn Uli Hoeneß das sagt, dann darf er das auch.

Die Dinge werden offen angesprochen

Hoeneß hat auch gesagt, dass Bundestrainer Joachim Löw mehr Druck auf die Spieler ausüben soll.

Kroos: Glauben Sie mir: intern werden die Dinge ganz offen angesprochen, also auch das, was nicht gut läuft. Das sind doch Fragen, die nie aufgekommen wären, wenn wir Europameister geworden wären.

Sind sie aber nicht.

Kroos: Stimmt. Das weiß ich auch. Es ist ja vielleicht auch ganz witzig, lustig, über das Drumherum zu diskutieren, ob da jetzt eine Tischtennisplatte stehen muss oder nicht. Aber am Ende ist doch nur entscheidend, dass wir unser Spiel verbessern, die Dinge optimieren, an denen es bei der EM gelegen hat.

Sind Sie überrascht, dass das Italien-Spiel immer noch, nach fast vier Monaten, so nachwirkt?

Kroos: Bei wem?

Die öffentliche Debatte, siehe Hoeneß, läuft ja noch. Und sie geht ins Grundsätzliche.

Kroos: Wir müssen sehen, dass wir auf einem sehr hohen Niveau diskutieren. Und wir müssen vor allem aufpassen, dass wir nicht grundsätzlich Dinge kritisieren, in Frage stellen, die über lange, lange Zeit gut waren. Wir sind auf einem Niveau, wo es nur noch um kleine Schritte nach vorne geht.

Mannschaft muss geschlossen attackieren

Was für ein Schritt zum Beispiel?

Kroos: Dass wir Dinge als Mannschaft machen, etwa geschlossen attackieren, um den Ball zu erobern. Da sind Bereiche, wo wir uns noch steigern können, uns auch steigern müssen. Aber das ist nicht so einfach wie im Verein, wo du jeden Tag üben kannst, Dinge einstudierst. Hier sehen wir uns ein Mal im Monat wenn’s hochkommt. Das ist dann schon bedeutend schwerer.

Wie sieht denn die Philosophie hier aus? Soll die Nationalelf eher spielen wie Dortmund oder so wie der FC Bayern?

Kroos: Wie Deutschland. Wir müssen einfach sehen, dass die Systeme nicht gegeneinander wirken, sondern dass wir eine gemeinsame Spielphilosophie entwickeln.

Das heißt konkret auf dem Platz?

Kroos: Nach Ballverlust sofort attackieren, versuchen den Ball in den ersten fünf Sekunden wieder zu gewinnen. Und dieses Denken muss sofort bei jedem da sein.

Das klingt jetzt mehr nach dem BVB als nach Bayern…

Kroos: Egal ob Dortmund oder bei wem auch immer – wichtig ist, dass wir erfolgreich spielen. Egal, was man macht: Wichtig ist, dass es alle elf machen.

Kroos gibt Schweinsteiger Rückendeckung 

Die Frage des Teamgeists hat Bastian Schweinsteiger jüngst aufgeworfen, als er bemängelte, dass bei der EM nicht alle Ersatzspieler mitgejubelt hätten.

Toni Kroos: Wenn Basti, der lange dabei ist, der ein Führungsspieler ist, das auffällt, dann hat er meiner Meinung nach auch das Recht, das zu sagen. Ich habe das Gefühl, dass wir da auch etwas zu empfindlich sind und dass dann gleich eine große Debatte daraus gemacht wird.

Also ist der Teamgeist intakt, alles in bester Ordnung?

Kroos: Natürlich haben wir hier jetzt so viele gute Spieler wie lange nicht. Und hier sind Spieler, die bei ihren Klubs, auch großen Klubs, Stammspieler sind, die hier mal auf der Bank sitzen. Das ist für diejenigen natürlich nicht einfach, das ist schwer zu akzeptieren. Aber das ist ja nicht der Grund, weshalb wir das Italien-Spiel verloren haben.

Ist es gerade in der öffentlichen Wahrnehmung die schwerste Phase, seit sie Teil der Nationalmannschaft sind?

Kroos: Aktuell ist es ja so, dass der Anspruch enorm gewachsen ist. Zurecht, weil wir viel Qualität im Kader haben, aber manchmal ist es schon extrem. Wenn ich sehe, wie wir bewertet wurden nach dem Österreich-Spiel und ich hätte nicht gewusst, wie es ausgegangen ist (2:1; d. Red.), hätte ich gedacht, wir hätten 0:4 verloren. Den Anspruch von außen, den können wir ja nicht ändern. Dem müssen wir uns stellen. Ich persönlich hab ein dickes Fell. Wenn ich mir jedes Mal einen Kopf mache, wenn ich mich ungerecht behandelt fühle, wäre das sicher nicht hilfreich.