Frankfurt/Main. Bastian Schweinsteiger spielt in der Nationalmannschaft - normalerweise wäre das keine Meldung wert. Doch die vergangene Saison war eben keine normale für den Mittelfeldspieler, vielmehr war sie von Verletzungen und dramatische Niederlagen geprägt.

Nichts war mehr von den Enttäuschungen und Selbstzweifeln in seinem Gesicht zu sehen, geschweige denn aus seinem Mund zu hören. Bastian Schweinsteiger kam mit dem Selbstbewusstsein eines kerngesunden Fußball-Profis, der mit seinem Klub Bayern München just den Bundesliga-Startrekord eingestellt hat, am Dienstag zur Pressekonferenz der deutschen Nationalmannschaft in Frankfurt. "Die Vorfreude ist sehr groß", sagte der 28 Jahre alte Mittelfeldstar bei seiner Rückkehr in den Kreis der Spieler von Bundestrainer Joachim Löw, 103 Tage nach dem Halbfinal-Aus Deutschlands bei der EM gegen Italien.

Dieser 28. Juni in Warschau beschloss für Schweinsteiger ein beispielloses Seuchenjahr, sportlich wie auch gesundheitlich. Die Saison 2011/12 hatte mit einem Schlüsselbeinbruch begonnen, im Frühjahr fiel er dann wegen eines Bänderrisses im rechten Sprunggelenk erneut wochenlang aus. Nach den Pleiten in Meisterschaft und DFB-Pokal-Finale gegen Borussia Dortmund folgte dann auch noch die dramatisch-tragische Niederlage im Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea in der eigenen Münchner Arena, die er mit einem Elfmeter gegen den Pfosten besiegelt hatte. Psychisch und auch körperlich angeschlagen, mit einer Wadenblessur, ging es dann in das Vorbereitungstrainingslager nach Südfrankreich.

Schweinsteiger wollte gegen Italien auf die Bank

"Ich habe alles getan, um mit Bayern ins Champions-League-Finale zu kommen. Ich hatte keine Zeit zur Regeneration. Vielleicht hätte ich ein, zwei Wochen warten sollen", sagte der 95-malige Nationalspieler im Rückblick. Nur gegen die Niederlande im zweiten Gruppenspiel (2:1) war der Schweinsteiger zu sehen, den man gewohnt war. Gedankenschnell, mit ordnender Hand und einem tollen Auge für die Mitspieler. Der Rest der Veranstaltung war vergleichsweise eine Qual. Der Tiefpunkt war wohl, als er vor dem Halbfinale gegen die Italiener öffentlich die Probleme im Sprunggelenk eingestand und quasi dem Bundestrainer anbot, ihn auf die Bank zu setzen. Löw dachte nicht daran.

"Wenn Trainer und Mannschaft wollen, dass ich spiele, dann spiele ich", sagte Schweinsteiger dazu. Er opferte sich, aber das dankte ihm kaum jemand. Der neben ihm sitzende Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff lobte den Musterprofi. Es sei "toll, wie der Basti sich reinhängt". Und das seit vielen Jahren. Mittlerweile ist der Mittelfeldspieler wieder völlig schmerzfrei. Das sei einerseits dem Verständnis von Löw, der ihm die ersten Länderspiele ermöglichte, als auch seinem Bayern-Coach Jupp Heynckes, der ihm die China-Reise ersparte, zu verdanken. Andererseits habe ihm auch sein Team in München dabei geholfen, zu alter Stärke zurückzufinden: "Die Mannschaft funktioniert. Deswegen kann mich nun mehr auf mich selbst konzentrieren, komme zum Beispiel öfter zum Abschluss. Das andere ist natürlich, dass ich mich gesund und fit fühle."

Verarbeitung der EM und Kritik an Kritikern

Die lange Zeit der Abstinenz hat Schweinsteiger auch dazu verwendet, die Dinge während der EM aufzuarbeiten. So empfand er die Kritik nach dem EM-Aus als ungerecht. "Allgemein fehlt der Respekt", sagte er. "Ich weiß nicht, wo geschrieben steht, dass man jedes Spiel gewinnen muss." Spanien und Barcelona seien eben ein Stück weiter als die deutsche Nationalelf und der FC Bayern, "da wollen wir hin". Kritik hatte Schweinsteiger aber auch am DFB-Team geübt, nicht alle Spieler auf der Bank seien aufgesprungen, so wie es bei seinem Klub sei. Eine Aussage, die als Vorwurf mangelnden Teamgeistes interpretiert wurde. Diese Kritik hat sowohl Löw als auch Bierhoff irritiert. "Ich habe eine Meinung, zu der stehe ich. Ich habe mit Olli und dem Bundestrainer darüber gesprochen", sagte er. "Man sollte da auch nicht mehr draus machen." Die Sache ist offensichtlich ausgeräumt.

Schweinsteiger steht bei Löw hoch im Kurs. Er, nicht Philipp Lahm, ist der Leader auf dem Spielfeld. An der Lansdowne Road in Dublin wird er wegen des Ausfalls von Lahm die Nationalelf als Kapitän auf das Feld führen. "Ich freue mich auch auf das Spiel. Vor vier Jahren haben wir 0:0 gespielt", sagte er. Es war vor fünf Jahren, aber offenbar hinterließ das Spiel auf der grünen Insel einen bleibenden Eindruck: "Die Stimmung hat etwas Besonderes, dort im Stadion zu spielen. Auf solche Abende freue ich mich sehr." (dapd)