Nach der heftigen Kritik an der angeblichen Überversorgung der deutschen Auswahl-Fußballer hat die Nationalmannschaft diesmal bis einschließlich Montag in der niedersächsischen Provinz Quartier bezogen. In einem Sporthotel, nicht in einer Nobelherberge. Ein Kommentar.
Nach der Halbfinal-Niederlage der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft gegen Italien wurde hierzulande – gründlich, wie wir sind – natürlich alles kritisch unter die Lupe genommen, was bis dahin als völlig in Ordnung galt oder zumindest gleichgültig hingenommen wurde. Plötzlich wurden viele, viele Gründe für Deutschlands Niederlage entdeckt.
Das Pech, das Mats Hummels hatte, als er den Ball in der Anfangsphase nicht über die Linie, sondern knapp neben das Tor stocherte, wurde dabei außer Acht gelassen. Denn die Italiener hatten doch ihre Hymne leidenschaftlicher gesungen, und einige deutsche Spieler hatten dabei nicht einmal den Mund aufbekommen; und die Spielweise der Deutschen erinnerte doch so gar nicht an Männersport; und überhaupt: Waren sie nicht viel zu sehr verhätschelt worden in den Wochen vor und während der EM, diese Luxuskicker mit eigenem Trainingsplatz und eigenem Koch und eigener Tischtennisplatte und eigenem Skatblatt?
„Auch die Spanier haben einen eigenen Koch und fahren nicht immer mit dem Bus“, betonte Bundestrainer Joachim Löw, und Teammanager Oliver Bierhoff erklärte, es gebe „gewisse Standards bei der Nationalmannschaft“. In diesen Tagen nun wirkt dennoch alles ein bisschen bescheidener und beschaulicher. Die Mannschaft wohnt in der niedersächsischen Provinz, in Barsinghausen, am Waldrand, in einem Sporthotel.
Hat zwar immerhin vier Sterne, klingt aber irgendwie schön nach Jugendherberge. Da soll noch einer meckern...
Manuel Neuer ist in bestechender Form und die unangetastete Nummer 1 im deutschen Tor. In den ersten drei Pflichtspielen mit den Bayern kassierte Neuer bislang nur einen Gegentreffer.
Seine größte Aufgabe bis zur WM wird wohl darin bestehen, seinen Status als einer der besten Keeper der Welt auch gegen vermeintlich kleine Gegner wie die Färöer-Inseln immer wieder zu beweisen.
Nach der Nicht-Nominierung und den deutlichen Worten von Bundestrainer Löw in Richtung Tim Wiese schien Ron-Robert Zieler der erste Anwärter für die Position zwei hinter Manuel Neuer.
Seit dem 1:3-Fehlstart gegen Argentinien könnte Zieler der Verlierer im DFB-Kader werden. Nach dem verschuldeten Elfmeter und der Roten Karte weiß Zieler, dass sich seine Chancen nicht verbessert haben: "Trösten braucht mich keiner. Es ärgert mich am meisten."
Marc-André ter Stegen ist als einziger Gewinner aus der Niederlage gegen Argentinien (1:3) hervorgegangen.
Der Gladbach-Torwart hielt einen Elfmeter von Messi, musste aber in nur zwei Länderspielen schon acht Gegentreffer hinnehmen. "Ich bin froh, dass ich den Elfmeter gehalten habe. Mehr gibt es nicht zu sagen", sagte er. Der 20-jährige stand zwar nicht im Kader für die EM in Polen und der Ukraine, kann ab sofort jedoch seine Zukunft im Nationaltrikot planen und sich auf seine nächsten Einsatzzeiten vorbereiten.
Da Jogi Löw wieder mit Philipp Lahm auf rechts plant, ist Jerome Boateng seinen Stammplatz in der DFB-Elf vorerst los.
Der Verteidiger vom FC Bayern spielte zuletzt in neun von elf Länderspielen auf rechts. Dort hat er vor allem bei der EM nicht enttäuscht. Aber: Löw wünscht sich mehr offensive Vorstöße seiner Außenverteidiger. Da das Spiel des 23-jährigen oft zu statisch ist, sitzt Boateng wohl nur auf der Bank.
In einer sich ständig ändernden Abwehrformation bildet Holger Badstuber die einzige Konstante. Spätestens seit der EM ist er der Abwehrchef.
Löw schätzt Badstuber vor allem für seine sicheren und scharfen Pässe ins Mittelfeld und seine Beherrschtheit im Zweikampf. Der Innenverteidiger ist beim Bundestrainer gesetzt. "Holger kommt unserem Ideal eines Verteidigers sehr, sehr nahe", sagt Assistent Hansi Flick. Und Löw adelt: "Holger ist auf dem Weg zu Pique."
Nach rechts, nach links und wieder nach rechts: Für Kapitän Philipp Lahm ist das Wechselspiel auf den Außenpositionen kein Problem.
Der Verteidiger ist seit Jahren einer der Besten auf der Position des Außenverteidiger - egal, wo er steht. Wenn er in der Defensive nicht beschäftigt wird, sucht Lahm immer wieder den Weg nach vorne. In der Nationalelf ist der Bayern-Spieler nicht mehr wegzudenken, ein Ausfall wäre für das Löw-Team kaum zu verkraften.
Auf seinen starken Leistungen für Borussia Dortmund kann sich Mats Hummels nicht länger ausruhen. Der Innenverteidiger hat im DFB-Trikot noch nicht immer die Souveränität seiner Kollegen.
Aufgrund der Verletzung von Per Mertesacker entwickelte sich der Dortmunder bei der EM zum Stammspieler und bildete ein starkes Duo mit Holger Badstuber. Hummels lief zahlreiche Bälle ab, präsentierte sich zweikampfstark und ging häufig mit nach vorne. Jetzt drängt mit Mertesacker ein Konkurrent zurück in die Startelf, aktuell ist Hummels aber gesetzt.
Die WM-Qualifikation wird zur Bewährungsprobe für Marcel Schmelzer. Der BVB-Spieler soll sich als linker Außenverteiger beweisen.
"Zumal ich bei Marcel Schmelzer das Gefühl habe, dass er jetzt angekommen ist bei uns", sagt Bundestrainer Löw. Schmelzer profitiert von der angestrebten Änderung der Spielweise. Jetzt muss Schmelzer zeigen, dass er den Sprung in die Nationalmannschaft geschafft hat und eine echte Alternative auf links ist.
Kaum Chancen auf einen Einsatz von Beginn an dürfte derzeit wohl Benedikt Höwedes haben.
Auch bei Schalke saß Höwedes zuletzt nur auf der Bank, das Frustpotenzial steigt. Doch auch bei Löw wird es für Höwedes nur für die Bank reichen. Das größte Problem für den Schalker: Löw sieht ihn lieber in der Innenverteidigung, dort ist er aber nur 5. Wahl.
Mit 81 Länderspielen ist Per Mertesacker der erfahrenste Innenverteidiger im Kader von Jogi Löw.
Beim FC Arsenal fehlte Mertesacker mehrere Monate wegen einer Knöchelverletzung. Seine ersten Auftritte nach der Verletzung waren schwach, bei der EM saß er nur auf der Bank. In der neuen Saison haben die Londoner mit Mertesacker in der Innenverteidigung aber noch kein Gegentor kassiert. Und: In wichtigen Spielen hat der 27-Jährige häufig sein Können unter Beweis gestellt. Dennoch wird er wohl die Nummer drei hinter Badstuber und Hummels.
Mit großem Selbstvertrauen geht auch Lars Bender von Bayer Leverkusen in die WM-Qualifikation. Der Leverkusener gehört zu den besten Spielern der vergangenen Saison.
Bei Bayer ist er zum Vizekapitän aufgestiegen, in der DFB-Elf hat er bei seinen Einsätzen fast immer überzeugt. Wegen des Ausfalls von Bastian Schweinsteiger darf Bender auf seiner Lieblingsposition im defensiven Mittelfeld ran. Löw gefällt sein vielseitiges und kampfstarkes auftreten: "Die Qualität von Lars ist eindeutig die Balleroberung." Bender wird sich weiter beweisen dürfen und kann für die Nationalelf ein echter Gewinn werden.
Bei Mario Götze ist die Leichtigkeit zurückgekehrt. Nach einer langwierigen Schambeinverletzung ist der Kreativspieler wieder fit und greift voll an.
Ein Spieler wie Mario Götze braucht nur einen genialen Moment, damit den gegnerischen Abwehrspielern der Atem stockt. Der 20-jährige sorgt für Gefahr sorgen, wenn es ganz eng wird. Er ist nicht nur bei BVB-Trainer Jürgen Klopp Edeljoker, sondern wird wohl auch bei Bundestrainer Löw wieder der Super-Joker sein, der von der Bank kommt.
Der defensive Mittelfeldspieler Ilkay Gündogan hat die wenigsten Chancen auf einen Einsatz im DFB-Team.
Obwohl der Dortmunder technisch sehr stark ist, hat mit nur drei DFB-Einsätzen die wenigsten aller Feldspieler. Das Angebot, auf das Jogi Löw im zentralen Mittelfeld zurück greifen kann, ist einfach zu groß, als dass Gündogan eine ernsthafte Chance hat.
Für den "Fußballer des Jahres" gab es bereits Tage vor dem Spiel gegen die Faröer-Inseln eine Startelf-Garantie von Bundestrainer Löw.
Der offensive Mittelfeldspieler hatte in den vergangenen Spielen im DFB-Trikot überzeugt. "Schon gegen Argentinien und bei Borussia Dortmund hat er eine gute Form gezeigt", sagte der Bundestrainer Auf welcher Position Löw mit dem Aufsteiger der Saison bleibt noch offen. Zuletzt kam Reus meist auf der rechten Angriffsseite zum Einsatz.
Im DFB-Pokal top, in der Liga bisher mittelmäßig. Die Form von Youngster Julian Draxler ist zur Zeit deutlichen Schwankungen ausgesetzt.
Im Verein kämpft der 18-Jährige im Duell gegen Lewis Holtby und Neuzugang Ibrahim Afellay um die Spielmacherrolle und konnte bisher noch nicht überzeugen. Doch Draxler hat vor allem während der EM-Vorbereitung auf sich aufmerksam gemacht: "Gerade Draxler, der jüngste, ist ein Gewinner dieser Vorbereitung", so Löw. Der Schalker braucht sicher noch ein bisschen Zeit, um eine echte Alternative zu werden. Aber seine Zeit in der Nationalelf wird kommen.
Man sah Mesut Özil zuletzt häufig mit hängendem Kopf über den Platz laufen, der Spielmacher war unzufrieden mit seinen Leistungen.
An guten Tagen kann Özil den Unterschied machen. Aber an schlechten Tagen neigt er dazu, sich hängen lassen und das wirkt sich negativ auf die Leistung der gesamten Mannschaft nieder. Bei Real Madrid setzt ihn der Transfer von Luka Modric unter Druck, doch Bundestrainer Löw steht hinter Özil. Das DFB-Team braucht einen starken Özil!
Der Ex-Stuttgarter fällt in einem spielerisch starken Team durch seine kämpferischen Momente auf. Khedira ist bullig und laufstark.
Der Abräumer von Real Madrid will nun auch offensiver in Erscheinung treten. Das gelang ihm bisher noch nicht. Eine Sechser-Position ist für Khedira reserviert. Zu wünschen bleibt, dass er diese bald wieder mit seinem Partner Bastian Schweinsteiger besetzen kann. Das Duo absolvierte nur eines der letzten 15 Länderspiele gemeinsam - zu wenig, um sich aufeinander abzustimmen.
Der Leverkusener gehört schon seit fast zwei Jahren zum festen Kader der Nationalmannschaft, im Sommer buhlte der FC Chelsea um seine Gunst. Doch Schürrle blieb in der Bundesliga - wohl auch, um im Blickfeld des Bundestrainer zu bleiben.
Der leichtfüßige Flügelspieler ist mit Bayer Leverkusen eher mittelmäßig in die Bundesligasaison gestartet. Doch im DFB-Trikot tritt er dynamisch und engagiert auf und lief Lukas Podolski zusehend den Rang ab. Jetzt drohen neue Positionskämpfe. Denn durch die Umstellung der Spielweise wird wohl auch Schürrle wieder auf die Bank rücken und Marco Reus den Platz auf der linken Außenbahn einnehmen.
Während sein Ex-Verein in der Krise steckt, ist Lukas Podolski endlich bei seinem neuen Klub in London angekommen.
Gegen den FC Liverpool erzielte Poldi sein erstes Saisontor für Arsenal und erstickte die aufkommende Kritik im Keim. Dennoch droht Podolski in der Nationalelf die Bank. Bei der EM hat er durch schwache Leistungen an Kredit eingebüßt, ist kein Stammspieler mehr. Außerdem setzt der Bundestrainer gegen tief stehende Gegner wie die Faröer eher auf dribbelstarke Spieler wie Marco Reus.
Pech für Toni Kroos: Der Mittelfeldakteur wird am Freitagabend wegen einer Hüftprellung nicht spielen können.
Der vielseitige 22-Jährige war zuletzt häufig unzufrieden, kam meistens nur als Einwechselspieler zum Einsatz. Dass er nach vorne glänzen und auch in der Defensive überzeugen kann, zeigte Kroos in den letzten Spielen beim FC Bayern. Diesen Aufwind hätte er nutzen können, doch jetzt die Verletzung. Bitter!
Beim FC Bayern ist Thomas Müller wieder auf einem starken Level, traf in den ersten beiden Bundesligaspielen. Jetzt will Müller auch bei Löw zurück in die Erfolgsspur.
Schafft er es, an seine starken Leistungen anzuknüpfen, ist er auf rechts gesetzt. Müller profitiert auch davon, dass seine Konkurrenten wie Reus und Schürrle auf rechts besser sind und Götze sich noch hinten anstellen muss. Aber auch so brennt der WM-Torschützenkönig darauf, wieder alles zu geben.
Der "Oldie" im Team ist die einzige Spitze und hat schon deshalb einen Platz in der Startelf sicher.
Für seinen Klub aus Rom traf Klose in der Serie A in zwei Spielen zwei Mal, außerdem konnte er in den Playoffs der Europa League einen Treffer verbuchen. Seine Formkurve zeigt deutlich nach oben.