München. DFB-Sportdirektor Matthias Sammer löst den bisherigen Bayern-Sportdirektor Christian Nerlinger ab. Sammer ist dafür bekannt, eigene Positionen mit Vehemenz zu vertreten. Es dürfte eine Streitkultur Einzug halten, von der man nicht weiß, wie sie sich mit dem Machtanspruch der Vereinsführung verträgt.
Es hätte ein ruhiger Trainingsauftakt werden sollen an diesem Dienstag beim FC Bayern. Die EM-Fahrer befinden sich im Urlaub und sollen erst Mitte des Monats zum Kader stoßen. Trainer Jupp Heynckes wird also lediglich die Hälfte seiner Mannschaft begrüßen können. Ein bisschen anschwitzen, ein kleines Spielchen zum Kennenlernen – so in etwa wäre das denkbar gewesen heute Nachmittag. Doch längst hat wieder der Trubel Einzug gehalten beim FC Bayern. Und das liegt an einer zum jetzigen Zeitpunkt überraschenden Personalrochade.
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DFB-Sportdirektor Matthias Sammer, 44, löst den bisherigen Bayern-Sportdirektor Christian Nerlinger, 39, ab. Nerlingers Vertrag, im November noch um zwei Jahre bis 2014 verlängert, wird aufgelöst. Sammer wird in seinem neuen Job als „Sport-Vorstand“ des FC Bayern bereits am Mittwoch vorgestellt. Von Präsident Uli Hoeneß, nicht vom Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge, auch darin lässt sich eine kleine Botschaft erkennen. Sammer soll einen Geist mitbringen, der den Münchnern nach Meinung von Hoeneß in der jüngeren Vergangenheit gefehlt hat. Der Präsident hatte nach dem verlorenen Finale in der Champions League Typen wie Jens Jeremies und Stefan Effenberg vermisst. Sammer teilt diese Linie – und nicht jene der flachen Hierarchie von Bundestrainer Joachim Löw. „Es muss auch Anführer geben“, hat Sammer einmal gesagt, eine Mannschaft sei „ohne Struktur und Hierarchie“ nichts wert.
BVB bereitet Bayern Sorgen
Es ist aber wohl in erster Linie die Sehnsucht nach Inspiration, die zu der Münchner Entscheidung geführt hat. Denn beim wirtschaftlichen Branchenführer ist die Sorge nach zwei Spielzeiten ohne Titel groß, dass der rasch wachsende Konkurrent Borussia Dortmund den Bayern künftig noch mehr den Rang ablaufen könnte. Zugleich geht der FC Bayern mit dem Modell Sammer aber auch ein Risiko ein. Mit Hoeneß versteht sich der Europameister von 1996 zwar gut, doch Sammer ist auch dafür bekannt, eigene Positionen mit Vehemenz zu vertreten. Neue Ideen von außen und ein ganzheitliches Konzept von der Jugend bis zu den Profis haben sich die Bayern gewünscht. Doch mit ihnen dürfte auch eine Streitkultur Einzug halten, von der man noch nicht weiß, wie sie sich im Tagesgeschäft mit dem Machtanspruch der Vereinsführung verträgt. Mit den Trainern Jürgen Klinsmann und Louis van Gaal ging das schief.
Zunächst aber musste Sammers Vorgänger einigermaßen galant verabschiedet werden. „Ich möchte mich im Namen des Klubs bei Christian Nerlinger ausdrücklich für seine Arbeit in den vergangenen vier Jahren beim FC Bayern bedanken“, ließ sich Hoeneß in einer Mitteilung des Vereins zitieren. Nerlinger hatte 2009 die Nachfolge von Hoeneß angetreten, der zuvor 30 Jahre lang als Manager den Verein gelenkt hatte. Seine Entlassung lässt Nerlinger nun als gescheitert erscheinen. Zu groß, heißt es, seien Hoeneß‘ Fußstapfen gewesen. Nerlinger muss sich als Bauernopfer fühlen. Dass zum zweiten Mal in Folge eine Saison ohne Titel abgeschlossen wurde, fällt zwar in seine Amtszeit, doch seine Entscheidungsbefugnisse waren ohnehin nicht weitreichend.
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Entscheidung zur Trennung schon vor EM
In der Mitteilung des Klubs heißt es nun, bei der Aufarbeitung der zurückliegenden Saison seien „unterschiedliche Auffassungen über das Konzept“ deutlich geworden. Noch vor der EM habe man sich deshalb zur Trennung entschieden. Doch um während des Turniers Unruhe beim DFB zu vermeiden, sei vereinbart worden, erst jetzt Vollzug zu vermelden. Die Freigabe für Sammer erteilte der DFB ohnehin erst am Montag. Danach sei Sammers bis 2016 laufender Vertrag aufgelöst worden.
Bei den Bayern trifft Sammer, praktischerweise wohnhaft in München, nun auf Trainer Jupp Heynckes. Der steht nicht für den Aufbruch, sondern gilt als Bewahrer. Wie sich das mit der neuen Politik der Veränderung verträgt, ist eine weitere offene Frage.