Düsseldorf. . Mesut Özil ist kein Mann der großen Worte. Doch nachdem die deutsche Nationalmannschaft gegen Belgien ihren zehnten Sieg im zehnten Qualifikationsspiel eingefahren hatte, war seine Forderung klar und eindeutig: “Der EM-Titel muss unser Ziel sein!“

Wenn Mesut Özil spricht, muss sich der Zuhörer arg konzentrieren. Der 22-Jährige ist auf dem Feld zuständig für die Knalleffekte, aber wenn der reale Real-Zauberer nach dem Spiel dann redet, dann verliert sich seine dünne Stimme schnell in den Katakomben. Ohnehin schickt Mesut Özil seine Worte gern ins Land des Ungefähren, Schlagzeilen produziert er lieber durch sein Treiben auf dem Rasen.

Und nun, nach der glanzvoll beendeten EM-Qualifikation durch das souveräne 3:1 (2:0) gegen Belgien, sagte dieser Mesut Özil am Dienstagabend: „Der EM-Titel muss unser Ziel sein. Es ist einfach an der Zeit, dass Deutschland Europameister wird.“ So viel Optimismus war selten. Und noch seltener so begründet. Thomas Müller, ohnehin nie um einen Spruch verlegen, erinnerte an die verlorenen (Halb-)Finals der letzten Turniere: „Wir wollen jetzt mehr als nur im Finale stehen.“

Auch Schürrle will jeden schlagen

Der offensive Titel-Drang hat inzwischen auch Spieler erfasst, die sich noch nicht einmal sicher sein können, im finalen Falle überhaupt auch auf dem Rasen zu stehen: „Wir wollen Europameister werden und müssen jetzt einfach jeden schlagen“, sagte Andre Schürrle, der nicht nur aufgrund seines hübschen Treffers zum 2:0 erneut Boden gut gemacht hat auf Lukas Podolski, den Konkurrenten auf der linken Seite.

Das Selbstbewusstsein hat höchste Höhen erreicht, das Niveau des Teams aber auch. Die Mannschaft hat nicht allein zehn Qualifikations-Siege geholt (und zudem im Test die Brasilianer bezwungen); vor allem hat die DFB-Elf gezeigt, wie variabel ihr Spiel angelegt ist, wie viel Kreativität sie entfalten kann, dass sie kniffligen Situationen mit spielerischen Lösungen begegnen kann – und die Mannschaft hat nachgewiesen, dass der Kader derart breit besetzt ist, dass Ausfälle inzwischen adäquat kompensiert werden können.

Deutschland wohl nur in Topf zwei

Entsprechend zufrieden gab sich Bundestrainer Joachim Löw: „Die Mannschaft ist nach wie vor hungrig. Sie will jedes Spiel gewinnen. Dafür gebührt ihr ein Riesenkompliment.“ Und auch sein Vergleich zur WM 2010 fällt rundum positiv aus: „Die Automatismen funktionieren besser, das Spiel ohne Ball hat sich verbessert. Wir spielen schnell, sicher und zielstrebig und wir finden heute bessere Lösungen als noch 2010.“

Nicht einmal die Zahlenspielereien der Uefa können dem Status der DFB-Elf als Mitfavorit etwas anhaben. Deutschland wird, obgleich es die beste Qualifikation aller 51 Teams gespielt hat, zudem amtierender Vize-Europameister ist und Dritter der letzten WM war, nach Lage der Dinge bei der Gruppenauslosung am 2. Dezember in Kiew nur in Topf zwei gesetzt – laut Uefa-Koeffizient rangieren Spanien und die Niederlande vor der DFB-Elf und würden somit neben den Gastgebern Polen und Ukraine als Gruppenkopf gesetzt.

Löw hat vor Spanien keine Angst

Demnach befände sich das DFB-Team in Lostopf zwei mit Italien, England und Russland. Löw schockt die Aussicht auf ein Gruppenduell mit dem Welt- und Europameister aber nicht: „Spanien und wir werden nicht allein die Hauptrollen spielen. Wir müssen auch einige andere Hürden überspringen“, sagte Löw, der sich von dem vermeintlichen Duell verabschiedete – und namentlich die Niederlande, England, Portugal und Frankreich „zum Favoritenkreis“ zählt. Die Franzosen könnten dabei laut Uefa-Koeffizient am Ende gar in Topf vier landen.

Allen Beteiligten ist längst klar: Der Weg zum EM-Titel ist womöglich deutlich härter als bei der WM. Angst aber macht das keinem: „Wir nehmen es, wie es kommt“, sagte Mesut Özil. „Wer den Titel gewinnen will, muss alle schlagen können.“ Recht hat er.