Istanbul. . Die hohe Veranlagung von Mario Götze hat sich im EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei erneut gezeigt. Da Götzes Stammposition zentral hinter der Spitze von Özil besetzt ist, könnte es in der Nationalelf zum Systemtausch kommen - zugunsten Götzes.
Am liebsten hätte Mario Götze wohl den riesigen Kopfhörer über die Ohren gezogen, als er in den Katakomben der Istanbuler Arena an den deutschen Journalisten vorbei lief. Es war eine bezeichnende Szene. Der 19-Jährige fühlt sich halt auf dem Platz viel wohler. Im Zweifel sieht er sich lieber vier Gegenspielern ausgesetzt als nur zwei Journalisten. Der infantile Spieltrieb, der den 19-Jährigen auszeichnet; er ist dann wie ausgeknipst. Jede Antwort klingt unglaublich erwachsen, das Überschäumende ist wie weggeblasen.
Mario Götze entzückte das Publikum in Istanbul
Dabei hatte der Dortmunder Meisterspieler in seinem zehnten Länderspiel (davon erst das dritte in der Startelf) wieder gezeigt, dass er mehr ist als nur ein passabler Ersatzmann für Mesut Özil, wenn dieser mal unpässlich ist, dass er mehr sein kann als nur die Nummer 12 oder 13 im DFB-Team. Götze hatte das 2:0 vorbereitet, das Publikum zudem mehrfach in Entzücken versetzt mit seinen technischen Finessen, die gleichwohl nicht Selbstzweck sind, sondern Sinn ergeben, dem schnellen, direkten Spiel dienen.
Er habe im Spiel „ein ganz gutes Gefühl“ gehabt, sagte Götze, um dann – vielleicht unbewusst, vielleicht ganz subtil – sein eigenes Wirken einzuschätzen: „Das ist eine überragende Mannschaft mit überragenden Spielern. Da fällt es einem Spieler, wenn man sich dem ganz gut anpasst, nicht so schwer. Da findet man ganz gut rein.“
Die Frage, die sich nach seinem souveränen Auftritt in Istanbul aufdrängt, ist: Wie lange kann es sich Bundestrainer Joachim Löw noch leisten, diesen extrem veranlagten Kicker auf der Ersatzbank zu lassen? Und vor allem: Wo könnte dieses 19-jährige Ausnahmetalent in der DFB-Elf spielen? Beim BVB kommt Götze über die rechte Außenbahn; eine Position, die in der Nationalelf durch den unkonventionellen wie überragenden Thomas Müller exzellent besetzt ist. Nicht erst dessen Istanbuler Bilanz (ein Tor, zwei Vorlagen und wie stets ein immenses Laufpensum) führt zu der Erkenntnis, dass Müller aus der Elf nicht wegzudenken ist. Zudem führt auch an Mesut Özil vorerst kein Weg vorbei.
Gegen Belgien geschont
Bliebe die linke Seite. Götze hat mehrfach betont, dass er auch gerne dort spielt, doch die Außenbahn soll nach Löws Willen prinzipiell nicht das Spielrevier von Mario Götze werden. Der Trainer bevorzugt dort Spielertypen, die schnell in die Tiefe gehen, mit Tempo auch bis zur Grundlinie kommen. Somit bleiben dort Lukas Podolski (trotz mäßiger Leistung) und Andre Schürrle die Anwärter.
Und was bleibt für Götze?
Eine zentrale Variante mit dem jungen Dortmunder hat womöglich auch Löw im Kopf, der zuletzt eine angepasste Variante des 4-2-3-1-Systems ins Spiel brachte: „Zukünftig mag ich auch nicht mehr zwei Sechser haben, die zu weit in die Defensive rücken, sondern erwarte von den Spielern im Mittelfeld, dass sie hohe Flexibilität an den Tag legen“, sagte Löw vor dem Türkei-Spiel. Bereits gegen Österreich kam diese modifizierte 4-1-4-1-Formation zum Tragen, als Toni Kroos die Position des „Achters“ mit mehr Zug zum gegnerischen Tor übernahm.
Löw kreierte dafür den hübschen Begriff „Zwischenspieler“. Eine Aufgabe, die Götze liegen könnte, der dann gemeinsam mit Özil spielen könnte. Doch testen wird Löw diese Formation gegen Belgien nicht. Zwar ist Özils Einsatz denkbar, Götze aber wird sich die Partie im heimischen Dortmund am Fernseher anschauen. Löw entließ ihn am Sonntag nach Hause – nicht aus Böswilligkeit. Schließlich muss Götze mit dem BVB bereits am Freitag wieder in Bremen antreten. Vielleicht auch dort mal auf der Position der Acht. Eine Variante, die auch BVB-Trainer Jürgen Klopp schon ins Auge gefasst haben dürfte, um Shinji Kagawa zu entlasten. Götze wird es fast egal sein. Hauptsache, er darf seinen Spieltrieb ausleben.