Es ist gerade mal fünf Jahre her, da glaubten sie beim HSV, die Sturmprobleme mit der Verpflichtung des 32-jährigen Ailton („Freibad-Toni“) lösen zu können. „Schnell-Tor-Sieg-Ailton“, sprach der Brasilianer – in 13 Spielen traf er nur drei Mal. Ailton gehörte zu der aussterbenden Gattung der bekennenden Exzentriker.
Menschen, die ihre Macken ausleben, sind heute nicht mehr gefragt. In Augsburg haben sie jüngst den ewigen Rebellen Michael Thurk aussortiert, Monsieur Ribéry zeigt Spektakuläres nur noch auf’m Platz, in Bremen steht Marko Arnautovic auf verlorenem Posten. Alkoholfahrten, Disco-Prügeleien, Liebeserklärungen an Silikon-Brüste, das passt einfach nicht mehr in die Landschaft der netten, angepassten Bürgerkinder, die sich im aktuellen System-Fußball tummeln.
Einen Kollegen wie George Best, der das meiste Geld „für Alkohol, Weiber und schnelle Autos“ ausgab („den Rest habe ich einfach verprasst“), hätten diese folgsamen jungen Menschen freundlich aus der Kabine gemobbt. Der Mainzer Trainer Thomas Tuchel würde schon bei „verwegenen“ Haarschnitten eine „Empfehlung“ für einen Friseurbesuch aussprechen. Das ist aber – mangels Adressaten – eher eine theoretische Aussage.
Eine Chance haben heutzutage nur die geläuterten Exzentriker. Raúl Bobadilla in Mönchengladbach zum Beispiel. Der Argentinier mit Tattoos von Mama und Papa auf der Brust und von der Jungfrau Maria auf dem Oberschenkel wurde für eine halbes Jahr ins Straflager nach Saloniki geschickt. Danach schwor er, auf ewig ein artiger Profi sein zu wollen, und siehe da, beim 4:1 gegen Wolfsburg feierte er ein glanzvolles Comeback.
Nur so funktioniert’s heute. Das ist aber kein Grund, sentimental zu werden; denn Gott sei Dank geht schöner, aufregender Fußball auch ohne Alkohol und Silikon-Phantasien.
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