Gelsenkirchen. Für Schalker Fans stand die Ursache für die Blamage in Helsinki schnell fest: Der Verzicht von Ralf Rangnick auf Raúl sei ein Fehler gewesen, so die vorherrschende Meinung. Sportdirektor Horst Heldt wird mit dem Stürmerstar ein neues Gespräch suchen.
So zerknirscht wie nach der Rückkehr aus Helsinki nachts um halb zwei hat man Horst Heldt in Schalke noch nie gesehen. Entweder war der Manager hundemüde, oder aber stocksauer. Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Stocksauer“, sagte Heldt und murmelte dann auf dem Weg zum Auto, das er am Flughafen in Münster geparkt hatte: „Man kann sich die Probleme auch selber schaffen.“
Die Europapokal-Reise nach Helsinki mit der 0:2-Blamage im Land der finnischen Kufenflitzer, wo die Leute besser Eishockey als Fußball spielen: Sie liegt jetzt wie eine tonnenschwere Last auf den Schalkern. Auch am Freitag beim Training war die Stimmung gereizt. Als die Spieler nach einer gründlichen Video-Analyse mit 50 Minuten Verspätung auf den Platz kamen, rief ein Fan: „Ohne Raúl sind wir nur die Hälfte wert.“
In Volkes Namen ist das Urteil gesprochen: Schalke hatte verloren, weil Trainer Ralf Rangnick den spanischen Superstar zu Hause gelassen hatte. Die Rolle des Schwarzen Peters, sie scheint auf Schalke in dieser Saison schon früh vergeben. Und Ralf Rangnick ist ein viel zu kluger Mensch, um das nicht selbst zu spüren.
Rangnick: "Wollen, das Raúl bleibt"
Also versuchte der Trainer am Freitag, dem Eindruck entgegen zu treten, dass er im Schalker Schauspiel um den möglichen Abtritt des beliebten Stars von der blauen Bühne der Königsmörder sei. Nachdem Rangnick in der Causa Raúl öffentlich bisher eher auffällig neutrale Aussagen getätigt hatte, sprach er sich nun ungewöhnlich deutlich für einen Verbleib des Stürmers in Schalke aus. „Wir alle wollen, dass er bleibt. Das weiß Raúl, und das weiß auch sein Berater“, erklärte Rangnick am Freitag. Und betonte noch mal explizit, dass dies auch für ihn selbst gelten würde: „Ich hoffe, dass er bei uns bleibt.“
Zuletzt hatte Schalke nicht den Eindruck erweckt, als würde man noch entschlossen um Raúl kämpfen. Man hatte dem Spanier quasi selbst die Entscheidung überlassen, ob er seinen bis zum 30. Juni 2012 datierten Vertrag nun erfüllt oder nicht. Doch nun, nach der Blamage von Helsinki, droht Schalke dieser Fall außer Kontrolle zu geraten. Es beginnt der Versuch, den Schwarzen Peter nochmals hin- und her zu schieben.
Schalke verliert in Helsinki
Rangnick wehrt sich auf jeden Fall dagegen, dass Raúl auf sein Betreiben hin der Dienstreise nach Finnland fern geblieben sei. Der Trainer versicherte, dass diese Entscheidung „auf Anregung von Raúl“ getroffen worden sei, der „lieber nicht“ auf dem fiesen Kunstrasen habe spielen wollen: „Sonst wäre er natürlich dabei gewesen.“ Man könnte daraus nun wiederum schließen, dass Raúl die Mannschaft in schwerer Stunde im Stich gelassen hat, aber dieser Gedanke führt zu nichts.
Spannung bis zum Rückspiel
Beim Training am Freitag gab es Beobachter, die mitgezählt haben, wie oft Raúl gelächelt hat, nachdem er mit den Händen tief in der Hosentasche den Platz betreten hatte: Drei-, vier- oder gar fünfmal. Auf jeden Fall soll nun noch vor dem Bundesliga-Spiel am Sonntag beim FSV Mainz 05 zwischen Manager Horst Heldt und dem spanischen Spieler besprochen werden, wie es weitergeht. Raúl soll sagen, ob er wirklich einen Wechsel zu Paris St. Germain, dem FC Malaga oder Besiktas Istanbul plant – das sind zumindest die Vereine, mit denen er aktuell in Verbindung gebracht wird. Wenn nicht, dürfte Raúl in Mainz wohl wieder für Schalke spielen.
Doch wirklich spannend wird der Fall wieder beim Rückspiel gegen Helsinki: Wenn Raúl dort zum Einsatz kommt, ist er bekanntlich für andere Vereine im Europapokal bis zum Winter gesperrt. Nachdem Rangnick sich in Helsinki auf die Frage nach Raúls Einsatz im Rückspiel noch ausweichend äußerte („Wir spielen jetzt erstmal in Mainz“), sagte er am Freitag dazu etwas aufgeschlossener: „Es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, dass er dann spielt.“
Ja, ja – die Blamage von Helsinki liegt auf Schalke wie eine schwere Last. „Ich kann mir schon ausmalen, dass jetzt in den nächsten Tagen viel über uns hergezogen wird“, sagte Kapitän Benedikt Höwedes. Doch sie hatten es ja selbst heraufbeschworen mit einer Leistung, bei der einem fast die Worte fehlten. „Wir haben uns angestellt, als wenn wir zum ersten Mal international dabei wären“, schimpfte Horst Heldt noch auf dem Weg zum Auto.
Die ganzen Probleme: Man kann sie sich tatsächlich auch selbst schaffen. . .