Gelsenkirchen. Der FC Schalke hat den Supercup gegen Borussia Dortmund und damit das erste Revierderby der Saison gewonnen. Der BVB ließ im Spiel viele Chancen liegen, im Elfmeterschießen wurde Schalkes Schlussmann zum Helden.

Die Bundesliga-Saison ist noch nicht gestartet, und doch hat sie bereits eine grandiose Geschichte. Ralf Fährmann, der Nachfolger des nach München gewechselten Nationaltorhüters Manuel Neuer, sicherte dem Pokalsieger Schalke 04 den Derbysieg über den Meister Borussia Dortmund im Supercup. Der erste Titel der neuen Saison wurde im Elfmeterschießen vergeben, nachdem das kampfbetonte Derby in 90 Minuten zuvor ohne Tore geblieben war und die Deutsche Fußball Liga als Veranstalter auf eine Verlängerung verzichtet hatte.

Vier Schalker trafen sicher, Raul müsste als fünfter nicht mehr antreten. Denn zuvor hatten zwei von fünf Dortmundern die Nerven versagt: Kevin Großkreutz und Ivan Perisic scheiterten an Ralf Fährmann, der gegen die spielerisch stärkeren Dortmunder schon während der regulären Spielzeit mehrmals herausragend gehalten hatte.

In der ersten BVB-Elf, die Trainer Jürgen Klopp aufbot, fehlten die Stammkräfte Marcel Schmelzer, Neven Subotic und Lucas Barrios, Sven Bender saß immerhin erstmals wieder auf der Bank. Auf Schalke wurde Jefferson Farfan vermisst, dessen Tempo dem Angriffsspiel eine besondere Note verleihen kann.

Kluge und Uchida nur auf der Bank

Auf der Schalker Bank saßen zwei Spieler, die mit dieser Versetzung noch während des Urlaubs nicht gerechnet haben werden, nach den beiden Trainingslagern auf Rügen und in Stegersbach aber damit rechnen mussten: Peer Kluge und Atsuto Uchida sind momentan nicht erste Wahl. Statt Kluge bevorzugt Trainer Ralf Rangnick als Sechser vor der Abwehr Joel Matip, und als rechter Außenverteidiger hat der aus Aachen gekommene Marco Höger derzeit einen Vorteil gegenüber dem in der vergangenen Saison auf dieser Position etablierten Uchida.

Die Deutsche Fußball Liga inszenierte das Spiel mit großem Brimborium. Kinder trugen große Flaggen aufs Feld, die Spieler liefen einzeln ein, die Nationalhymne wurde gespielt -  da waren die Profis natürlich gefordert, das glitzernde Paket auch mit Inhalt zu füllen. Und es ist ihnen zu bescheinigen, dass sie ihre Ankündigungen wahr machten und dieses Spiel nicht wie einen gewöhnlichen Testlauf vor Saisonbeginn betrachteten. Sie hängten sich voll rein, scheuten keinen Zweikampf, das Engagement auf beiden Seiten war hoch.

In der sechsten Minute wäre der BVB beinahe bereits in Führung gegangen: Nach einer Ecke von Neuzugang Ilkay Gündogan landete der Kopfball von Routinier Sebastian Kehl am Pfosten.

Erste Chance durch Höwedes

Schalke war allerdings nicht dazu bereit, sich ehrfürchtig vor dem Meister zu verneigen und sich in der eigenen Hälfte zu verschanzen, um bloß nicht in Rückstand zu geraten. Ralf Rangnicks Konzept sieht eigene Offensive vor, Schalke hatte nicht vor, sich zu verstecken. Die erste Chance aber ergab sich wie zuvor auf der anderen Seite bei einem Eckball: Alexander Baumjohann brachte ihn in der 16. Minute herein, Benedikt Höwedes köpfte knapp über den Kasten.

Der neue Schalker Kapitän Höwedes wurde zwischendurch wiederholt am Spielfeldrand behandelt, er hatte sich eine Platzwunde zugezogen und spielte schließlich mit einem Verband weiter.

Der neue Nationalspieler wurde in der Defensive der Königsblauen auch gebraucht, denn die Schwarz-Gelben spielten klarer auf Angriff. In der 23. Minute schlug Lukasz Pszczek von rechts eine weite Flanke, Kevin Großkreutz stieg zum Kopfball hoch, doch Ralf Fährmann flog richtig und fing den Ball sicher. Das war eine ganz wichtige Szene für den neuen Schalker Torhüter, der bekanntlich unter besonderer Beobachtung steht. Trainer Ralf Rangnick und Manager Horst Heldt haben mehrmals betont, dass sie sehen wollen, wie Fährmann mit dem Druck als Nachfolger von Manuel Neuer klarkommt. Dieses Supercupspiel bot eine gute Gelegenheit, den Rückkehrer aus Frankfurt genauer unter die Lupe zu nehmen.

Dortmunder Inkonsequenz

Mats Hummels im Kopfballduell mit Raul. Foto: dapd
Mats Hummels im Kopfballduell mit Raul. Foto: dapd © Unbekannt | Unbekannt

Zehn Minuten nach seiner ersten Aktion bewährte sich Ralf Fährmann erneut, diesmal parierte er einen Schuss von Ilkay Gündogan aus 16 Metern. Schalke wurde zunehmend zur Abwehrarbeit gezwungen, Dortmund wurde stärker. Bezeichnend: Als der BVB einmal überfallartig angriff, war sich Raul nicht zu schade, nach hinten zu rasen und Dortmunds Spielmacher Shinji Kagawa auf der Position des rechten Außenverteidigers zu attackieren. Der Spanier ist eben ein ganz großer Teamplayer.

Die Borussen kamen in der ersten Halbezeit insgesamt zehnmal zu Torabschlüssen, vorzuhalten ist ihnen dabei eine erkennbare Inkonsequenz. Trotz der vielen Chancen der Dortmunder mussten sich die Schalker selten ernsthaft fürchten. Einmal schon, aber da konnten sie sich erneut auf ihren Torhüter verlassen. Zwei Minuten vor der Pause bediente Ilkay Gündogan den gestarteten Robert Lewandowski perfekt durch die Gasse, der Pole zog allein auf den Torhüter zu, doch als er den Ball aufs Tor spitzelte, war Fährmann blitzschnell unten – eine großartige Reaktion.

Kampfkraft gegen Spielkunst

Der spielerischen Dominanz der Dortmunder hielt Schalke vor allem Kampfkraft entgegen. Die Zuschauer waren mit dem Einsatz aller Profis hochzufrieden. Als Schiedsrichter Knut Kircher zur Pause pfiff, gab es von den Rängen kräftigen Applaus. Den hatten sich die Spieler auch verdient.

Ralf Rangnick probierte es in der zweiten Hälfte im linken offensiven Mittelfeld mit Jose Manuel Jurado für Julian Draxler. Doch grundsätzlich änderte sich nahezu nichts: Weiterhin drängte Dortmund, weiterhin hatte Schalke jede Menge Defensivarbeit zu verrichten. Nach einer Stunde sah es dann so aus, als könnte der BVB die blau-weiße Wand doch überwinden: Spielmacher Shinji Kagawa spielte nach rechts schön in den Lauf von Mario Götze, der zog aus spitzem Winkel ab – doch wieder bewies Ralf Fährmann gutes Stellungsspiel und Reaktionsschnelligkeit.

In der 68. Minute überraschte Schalke-Trainer Rangnick die Fans und seinen Mittelstürmer: Er wechselte Klaas-Jan Huntelaar aus und brachte für ihn Mittelfeldspieler Jan Moravek. Das bedeutete, dass Raul vorrückte und ganz vorne in die Spitze ging.

Und dann hätten Raul und Moravek das Spiel beinahe auf den Kopf gestellt. In der 73. Minute inszenierten die beiden im Zusammenspiel mit Alexander Baumjohann mit schnellen und genauen Pässen den schönsten Schalker Angriff der gesamten Partie, im Abschluss aber scheiterte Moravek dann knapp an dem mit einer Fußabwehr reagierenden Roman Weidenfeller.

Ausgerechnet Großkreutz scheitert

Jetzt trauten sich auch die Schalker mehr zu, jetzt orientierten auch sie sich mal wieder nach vorne. Damit reizten sie allerdings den BVB, der zurückschlagen wollte und seinerseits die Offensive forcierte. So ergab sich in der Schlussphase ein interessantes Kampfspiel – mit genauer einer arg übertriebenen Aktion fünf Minuten vor dem Abpfiff: Alexander Baumjohann mähte von hinten Ilkay Gündogan um und sah für diese Übermotivation berechtigt Gelb.

Rangnick reagierte und holte Baumjohann kurz danach vom Platz, um nichts zu riskieren. Fürs Elfmeterschießen war er offenbar ohnehin nicht vorgesehen.

Den ersten Elfmeter schob der Dortmunder Ilkay Gündogan sicher ein. Lewis Holtby behielt die Nerven als Elfmeter-Debütant für Schalke. Mats Hummels brachte den BVB ganz cool erneut in Führung, das 2:2 besorgte der für Baumjohann eingewechselte Edu ebenso sicher.

Und dann kam das Drama: Unter trommelfellschädigenden Pfiffen der Schalker Anhänger schritt Kevin Großkreutz zum Punkt, prompt scheiterte die Dortmunder Galionsfigur an Ralf Fährmann.

Und Benedikt Höwedes traf zum 3:2 für Schalke.

Der junge Moritz Leitner glich aus, Jose Manuel Jurado versenkte auch den vierten Schalker Elfer.

Ivan Perisic musste jetzt dringend treffen, er lief mit Verzögerung an. Und fand in Ralf Fährmann seinen Meister.