Frankfurt. Nationalelf-Kapitän Michael Ballack hätte noch sein 100. Länderspiel machen sollen, wenn es nach Löw gegangen wär. Unterdessen geht der Bundestrainer nicht auf die Kritik des Ex-Nationalspielers ein.
Fußball-Bundestrainer Joachim Löw wollte dem aussortierten Michael Ballack offenbar eine goldene Brücke bauen und hat gewohnt cool auf die Kritik des "Capitano" reagiert. Wie DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach am Samstag bestätigte, bot der Bundestrainer dem ehemaligen DFB-Kapitän nicht nur das Abschiedsspiel gegen Brasilien am 10. August in Stuttgart, sondern auch einen Platz im Kader für das Benefizspiel gegen Uruguay (2:1) am 29. Mai in Sinsheim an. Damit wäre Ballack noch in den "Club der Hunderter" aufgestiegen.
Ballack, der nach DFB-Angaben seit dem 30. März von dieser Idee wusste, lehnte aber ab. "Wir haben ihm sogar angeboten, sowohl gegen Uruguay als auch gegen Brasilien zu spielen, um somit am 10. August in Stuttgart die außergewöhnliche Zahl des 100. Länderspiels zu erreichen. Einen Einsatz gegen Uruguay wollte Michael aber nicht, weil ihm die Zahl nicht so wichtig war, dass er sie unter allen Umständen erreichen wollte - so jedenfalls hat er es mir vermittelt", sagte Niersbach auf dfb.de.
Irritationen wegen Ballacks Aussagen
Bundestrainer Löw reagierte gelassen auf die scharfe Kritik von Ballack, der sich bis zuletzt Hoffnungen auf eine Teilnahme an der EURO 2012 in Polen und der Ukraine gemacht hatte. "Ich weiß genau, was in meinen Gesprächen mit Michael besprochen wurde. An meinen Aussagen wird sich nichts ändern", ließ der 51-Jährige über den Deutschen Fußball-Bund (DFB) mitteilen. Ballack hatte Löw Scheinheiligkeit vorgeworfen und das ihm angebotene Abschiedsspiel gegen Brasilien als eine Farce bezeichnet.
Die Aussagen sorgten nicht nur beim Bundestrainer, sondern auch bei Niersbach für Irritationen. "Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis, schon gar nicht für Begriffe wie "Scheinheiligkeit" und "Farce", die er in diesem Zusammenhang gewählt hat", sagte Niersbach, der in den vergangenen Wochen offenbar die Rolle des Vermittlers übernommen hatte.
Aus Niersbachs Sicht "sind alle Gespräche absolut korrekt und fair verlaufen. Der Bundestrainer hat Michael bei einem Treffen am 30. März klar gesagt, dass er nicht mehr mit ihm plant." Für Michael Ballack sei dies sicher eine schwierige Situation gewesen, "denn er selber hat ja darauf gesetzt, nach seinen schweren Verletzungen doch wieder in die Nationalmannschaft zurückzukehren", so Niersbach.
Spannungen zwischen Ballack und Bierhoff
Allerdings hatte selbst der nicht gerade als Ballack-Freund geltende Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff in einer TV-Sendung gewettet, der 34 Jahre alte Mittelfeldspieler würde wieder für die DFB-Elf auflaufen. Diese und andere öffentliche Aussagen aus DFB-Kreisen hatten Ballack offenbar veranlasst, auch in den letzten Monaten noch an ein Comeback in der Nationalelf zu glauben.
Ballack erklärte am Freitag auf SID-Anfrage, er fühle sich von Löw ungerecht behandelt. "Form und Inhalt der Mitteilung sind leider bezeichnend dafür, wie sich der Bundestrainer mir gegenüber seit meiner schweren Verletzung im Sommer letzten Jahres verhalten hat. Ein längst vereinbartes Freundschaftsspiel jetzt als Abschied zu deklarieren, ist aus meiner Sicht eine Farce. Ich weiß, dass ich meinen Fans dieses Spiel eigentlich schuldig bin, aber ich kann dieses Angebot nicht annehmen", äußerte Ballack.
Der DFB erklärte seinerseits, er habe Ballack offeriert, selbst den Rücktritt zu erklären. "Mir gegenüber hat er dann ergänzt, dass er sich erst nach den drei Länderspielen äußern wolle. Das haben wir akzeptiert", sagte Niersbach.
Ballack nicht zu erreichen
Nach den Spielen gegen Uruguay, Österreich und Aserbaidschan sei es aber zu keinem Kontakt zwischen ihm selbst oder Joachim Löw zu Michael Ballack gekommen. Ballack sei trotz aller Bemühungen, selbst über Dritte, nicht mehr erreichbar gewesen. Das Handy blieb aus. "Ich habe ihm am Tag des Länderspiels in Baku auf seine Mobilnummern jeweils eine SMS geschickt und außerdem auf Mailbox die Bitte hinterlegt, dass er sich bei mir melden solle. Es gab darauf ebenso wie auf einen Anruf und eine SMS des Bundestrainers keine Reaktion von ihm", schilderte Niersbach den Verlauf.
Ballack hatte offenbar die Möglichkeit, sich bis zum 15. Juni selbst zu erklären. Als es keine Reaktion von Ballack gab, ging Löw via Pressemitteilung in die Offensive. "Darauf haben wir entschieden, am zurückliegenden Donnerstag die Pressemitteilung herauszugeben, weil der Zeitpunkt eigentlich überreif war, in dieser wichtigen Personalie klar Position zu beziehen und damit die öffentlichen Spekulationen zu beenden", sagte Niersbach, der Ballack selbst "per SMS über die Veröffentlichung der Pressemitteilung informiert" habe. (sid)