Wien. Die deutsche Nationalmannschaft hat sich seit ihrem letzten Spiel gegen Österreich erheblich verändert. Es herrscht “verschärfter Konkurrenzkampf“, sagt Bundestrainer Joachim Löw, der zudem “eine Art Umbruch“ erkennt.

Der Tonfall vor dem Gastspiel in Österreich war angemessen ernst. Es sei, sagte der DFB-Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff, „das wichtigste Spiel in der Ära Löw“. Hoppla, hat man da etwas verpasst? Die Partie der EM-Qualifikation am Freitag (20.30 Uhr live im DerWesten-Ticker) in Wien gegen Österreich ein Schickalspiel?

Mitnichten. Die Qualifikation für die Euro 2012 wäre durch zwei Siege in den Partien gegen Österreich und am kommenden Dienstag in Aserbaidschan de facto gesichert, und Fußball-Deutschland träumt längst von einer EM-Final-Revanche gegen die zuletzt übermächtigen Spanier.

Die mahnenden Bierhoff-Worte stammen vom Vortag des letzten Duells der beiden Teams. Es war die EM 2008, die Gruppenpartie gegen Österreich entschied über das Weiterkommen der DFB-Elf. Sie entschied auch, so die mediale Lesart, über das Schicksal des Bundestrainers Joachim Löw. Von einer „neuen Ära des Rumpelfußballs“ war plötzlich wieder die Rede, schon wurde wieder über „altdeutsche Tugenden“ gelästert. Die Situation erscheint einem heute, einen Vize-EM-Titel und ein südafrikanisches WM-Wintermärchen später, fast unwirklich.

Aber die Rückschau gibt einen guten Hinweis darauf, wie sich diese DFB-Elf entwickelt hat. Es ist zum einen das Personal (damals noch mit heute längt verdrängten Namen wie Frings, Fritz, Neuville, Hitzlsperger und Borowski), aber insbesondere die Struktur der Gruppe, die sich massiv verändert hat – und nun dafür sorgt, dass man „den allerhöchsten Anspruch“ anlegt, wie Joachim Löw gern betont. Besondere Ironie: Der Mann, der anno 2008 dafür sorgte, dass die Ära Löw bis heute andauert, hieß Michael Ballack. Ausgerechnet. Sein Freistoßtreffer zum 1:0 brachte die deutsche Mannschaft ins EM-Viertelfinale. Es war so etwas wie die Mutter aller klassischen Führungsspieler-Tore. Ein Gewaltschuss. Ein Kraftakt. Das Bild des vom puren Willen verzerrten Ballack-Gesichts rauschte damals durch alle Blätter. Und galt als Beispiel dafür, wie unverzichtbar dieser Michael Ballack sei. Inzwischen speist sich die Personalie vorrangig aus der Frage, wie dem 34-Jährigen ein würdiger Abschied aus der DFB-Elf organisiert werden kann. Diese Mannschaft, auch dieser Trainer haben sich längst emanzipiert vom kargen Ergebnis-Fußball und zudem das gern zitierte Prinzip der flachen Hierarchien verankert.

Internes Gerangel

Er glaube, sagte Löw, dass die Mannschaft „bewiesen hat, dass sie sich auch ohne die klassischen Führungsspieler aus Drucksituationen befreien kann“. Was wie ein basisdemokratischer Aufbruch anmutet, entpuppt sich vor allem als Druckmittel. Die Zeiten von acht, neun Stammspielern sind vorbei. Es herrscht „verschärfter Konkurrenzkampf“, gesteht Löw, der zudem „eine Art Umbruch“ erkennt. So werden Ausfälle von Stammkräften (siehe Klose und Mertesacker) nicht mehr nur klaglos kompensiert, sondern genutzt als Spielmasse des internen Gerangels. Lukas Podolski etwa, über fünf Jahre unumstritten, muss sich dank eines Andre Schürrle plötzlich eines ernsthaften Herausforderers erwehren, die Besetzung der Innenverteidigung darf vor der EM gar als komplett offen gewertet werden.

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Die Qualifikationspartie am Freitag ist dabei nur ein Zwischenschritt zu viel größeren Aufgaben. Für Gegner Österreich dagegen geht es um die letzte Möglichkeit, womöglich noch den zweiten Gruppenplatz zu belegen. „Sie kämpfen um ihre letzte Chance“, sagt Löw. Diesen Punkt hat er selbst längst überwunden.