Essen/Donaueschingen. Drei Wochen vor dem Saisonstart hat Abwehrspieler Lucio den FC Bayern verlassen und ist zu Inter Mailand gewechselt. Der langjährige Stammspieler ist damit der erste Profi, der vor dem verschärften Konkurrenzkampf unter Louis van Gaal flüchtet.
Als die Profis von Borussia Dortmund am Donnerstag um Punkt 12.30 Uhr ihr Quartier in Donaueschingen verließen, fuhr gerade der Bus des FC Bayern vor: Die Münchner lösten den BVB direkt im Trainingslager ab. Gleicher Ort, gleiches Hotel. Im Öschberghof in Donaueschingen blieb ein reserviertes Zimmer freilich leer: Abwehrspieler Lucio hatte den Bayern noch vor Beginn des Trainingslagers den Rücken gekehrt. Der 31 Jahre alte Brasilianer wechselt zu Inter Mailand, wo er einen Vertrag bis 2012 erhält. Die Ablösesumme blieb geheim; sie wird auf etwa zehn Millionen Euro geschätzt. Lucio, der fünf Jahre in München spielte und in dieser Zeit dreimal Deutscher Meister wurde, hatte nur noch einen Vertrag bis zum Ende dieser Saison.
Badstuber mit Chancen
Der Abwehrhüne, immerhin Kapitän der brasilianischen Nationalmannschaft, konnte sich beim deutschen Rekordmeister seines Stammplatzes nicht mehr sicher sein. Das liegt vor allem daran, dass er bevorzugt mit dem rechten Fuß gegen den Ball tritt, und nicht mit dem linken. Denn der neue Trainer Louis van Gaal möchte die Position des rechten Innenverteidigers mit einem „Rechtsfuß” besetzen, und die des linken Innenverteidigers mit einem „Linksfuß”. Dies führt dazu, dass sich Nachwuchsmann Holger Badstuber als „Linkskicker” Chancen auf einen Platz ausrechnen darf; für diese Position gibt es neben Badstuber nur noch Neuzugang Edson Braafheid. Rechts gab es dagegen ein reichliches Angebot: Neben Lucio noch Martin Demichelis, Daniel van Buyten und Breno.
Der stolze Lucio fühlte sich von van Gaal nicht hinreichend gewürdigt - und flüchtete als erster Spieler vor dem Konkurrenzkampf. „Sein Wunsch war eindeutig: Er wollte den Verein verlassen”, erklärt Manager Uli Hoeneß.
Weitere Profis stehen zum Verkauf
Es ist davon auszugehen, dass noch andere Bayern-Profis dem Beispiel von Lucio folgen werden. Auch nach dem Verkauf des Brasilianers zogen die Münchner gestern mit stattlichen 26 Spielern in Donaueschingen ein - zu viele nach dem Geschmack von van Gaal. Der Holländer möchte nur mit 22, maximal 24 Spielern arbeiten. Weil die Bayern gleichzeitig auch zumindest noch einen rechten Außenverteidiger verpflichten möchten (etwa den Portugiesen Jose Bosingwa vom FC Chelsea), stehen noch einige Profis auf der Verkaufsliste.
Gehandelt werden Tim Borowski, Christian Lell, Andreas Ottl, Jose-Ernesto Sosa und Breno. Bisher gibt es aber nur für Tim Borowski handfestes Interesse: Dessen Ex-Klub Werder Bremen möchte den WM-Teilnehmer von 2006 zurückholen - am liebsten zum Nulltarif. Hoeneß will dagegen Geld sehen - sonst „bekommen ihn die Bremer halt nicht, basta".
Nicht gesprächsbereit bei Ribery
An sich sind die Bayern aber bei allen Kandidaten gesprächsbereit - außer natürlich bei Franck Ribery. Der war mit im Tross nach Donaueschingen, und Hoeneß zog aus seiner Sicht „ganz klar einen Schlussstrich” unter diese ewige Geschichte mit Real Madrid. Obwohl die Bayern ihren Franzosen ja ohnehin niemals verkaufen wollten, sagte der Manager am Donnerstag: „Die Frist ist am Mittwoch abgelaufen.” Nun werde Ribery ohne wenn und aber bleiben. Und für den Fall, dass Real die Baggerei bei Bayerns Bestem jetzt nicht endlich beendet, droht Hoeneß den „Königlichen” aus Madrid sogar mit einer Klage - schließlich hat Ribery noch einen Vertrag bis 2011, und das Fifa-Reglement verbietet da Abwerbeversuche.
Van Gaal hat Ribery sogar zum Spielgestalter ernannt, sofern sich das 4-4-2-System mit einer Raute im Mittelfeld durchsetzt. Ob Ribery aber an diesem Wochenende dabei ist, wenn die Bayern zum Turnier nach Schalke kommen? Schließlich war der Franck im Training zuletzt so oft krank.