London/Frankfurt. . Dem Fußball-Weltverband droht ein weiterer Korruptionsskandal, möglicherweise sind die WM-Vergaben 2018 und 2022 nicht mehr zu halten. In einer Anhörung vor dem britischen Parlament beschuldigte Lord David Triesman vier hochrangige Fifa-Mitglieder.
Schmiergelder, Adelstitel, TV-Rechte: Fifa-Mitglieder sind im Vorfeld der Vergabe der WM-Endrunden 2018 und 2022 angeblich mit abstrusen Forderungen an die Bewerber herangetreten. Die neuen, pikanten Details im Korruptionsskandal setzen den Fußball-Weltverband drei Wochen vor der Kampfabstimmung zwischen Präsident Joseph S. Blatter und Herausforderer Mohamed Bin Hammam noch massiver unter Druck. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, müssten Russland (2018) und Katar (2022) sogar um ihre WM-Gastgeberrollen fürchten.
Die britischen Medien überschlugen sich am Mittwoch mit Kritik an der "von Grund auf verdorbenen" Fifa, nachdem Lord David Triesman in einer Anhörung vor dem britischen Parlament vier hochrangige FIFA-Mitglieder der Manipulation beschuldigt hatte. Der frühere Präsident des englischen Verbandes FA und Ex-Chef der gescheiterten englischen WM-Bewerbung für 2018 nannte in diesem Zusammenhang die Namen der Fifa-Exekutiv-Mitglieder Jack Warner, Nicolas Leoz, Ricardo Teixeira und Worawi Makudi. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wollen die unterlegenen WM-Bewerber England und Australien über eine Klage nachdenken, die die WM-Vergabe erschüttern könnte.
Triesmann nannte konkrete Beispiele. So habe Warner für den Bau eines Ausbildungszentrums in seiner Heimat vier Millionen Dollar (2, 78 Millionen Euro) gefordert. Dann hätte England im Rennen um die WM 2018 seine Stimme erhalten. Das Geld hätte über Warner laufen sollen. Das habe man laut Triesmann vehement abgewiesen. Der Paraguayer Leoz wollte in den Ritterstand erhoben werden. Auch dieser absurde Wunsch wurde nicht erfüllt. Der Thailänder Makudi hatte es auf die lukrativen Medienrechte an einem Länderspiel zwischen Thailand und England in Bangkok abgesehen. Und der Brasilianer Teixeira, verantwortlich für die WM 2014, soll direkt zu Triesmann gesagt haben: "Komm" und sag" mir, was Du für mich hast".
20 Millionen für den Anti-Korruptionskampf
Darüber hinaus bestätigte Parlamentsmitglied Damian Collins, dass es Beweise für Bestechungszahlungen in Höhe von 1,5 Millionen Dollar (gut eine Million Euro) an den Fifa-Vize Issa Hayatou aus Kamerun und den Ivorer Jacques Anouma gebe. Dabei hatte Fifa-Boss Blatter, der am 1. Juni beim Kongress in Zürich im Duell mit Herausforderer Bin Hammam wiedergewählt werden will, erst am Montag im Gespräch mit dem Interpol-Generalsekretär Ronald Noble verkündet, dass der Weltverband 20 Millionen Euro für den Anti-Korruptionskampf spenden will.
Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke zeigte sich am Mittwoch sehr besorgt und schickte dem englischen FA-Boss David Bernstein sowie der Sunday Times einen Brief. In dem Schreiben forderte Valcke die FA und die Reporter auf, der Fifa alle etwaigen Beweise für Bestechungen im Zuge der WM-Vergaben 2018 und 2022 zukommen zu lassen.
Auch der Brasilianer Teixeira ging nach den gegen ihn erhobenen Vorwürfen am Mittwoch in die Offensive. Der Präsident des brasilianischen Fußballverbandes CBF strengt eine Klage gegen Triesman an. Der 63-Jährige Teixeira bezeichnete die Vorwürfe als "absurd" und als kläglichen Versuch, das Scheitern Triesmans bei der Vergabe der Endrunden 2018 und 2022 im Dezember vergangenen Jahres zu vertuschen. Auch Warner wehrte sich gegen die Anschuldigungen. "Ich habe niemals von Triesman oder anderen Personen, von Engländern oder sonst wem, Geld für meine Stimme gefordert", sagte Warner der "BBC".
Blatter hat "ein eigenes Gewissen"
Blatter distanzierte sich derweil von den beschuldigten Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees, dem er selbst angehört. "Ich bin Präsident und habe ein eigenes Gewissen. Daher kann ich nur für mich und nicht für andere Exekutiv-Mitglieder sprechen", sagte Blatter, der nach eigenen Angaben keinen Schimmer hat, ob in seinem Exekutivkomitee "Engel oder Teufel" sitzen.
Russland hatte sich am 2. Dezember 2010 in Zürich bei der Vergabe der WM 2018 durchgesetzt. England musste dagegen bei dem Votum eine desaströse Niederlage einstecken und war bereits im ersten Wahlgang mit nur zwei der insgesamt 22 Stimmen ausgeschieden. Anschließend hatte die Fifa-Exekutive die WM-Endrunde 2022 an Katar vergeben.
Im Vorfeld der WM-Vergabe im Doppelpack in Zürich hatte es Bestechungsvorwürfe gegen die Fifa-Exko-Mitglieder Amos Adamu (Nigeria) und Reynald Temarii (Tahiti) gegeben. Adamu wurde für drei, Temarii für ein Jahr gesperrt. Den beiden Offiziellen wurde vorgeworfen, ihre Stimmen für die WM-Vergabe feilgeboten haben. (sid)