Frankfurt. .
Die Eintracht verlässt ihren Kurs und entlässt Trainer Michael Skibbe. Am Mittwoch beginnt der prominente Nachfolger mit seiner Arbeit.
Selten haben an einem sonnigen Dienstagvormittag so viele Kiebitze vor der Frankfurter Arena gestanden. Sie alle hatten ja Kunde von der Nachricht erhalten, die für den seit sieben Jahren von Heribert Bruchhagen mit ruhiger Hand geführten Bundesligisten Eintracht Frankfurt einer Sensation gleicht: Michael Skibbe, 45, muss gehen, Christoph Daum, 57, kommt. Letzterer aber leitete am Dienstag noch nicht seine erste Einheit bei den notorisch verunsicherten Fußballern der Hessen, sondern die schlechteste Rückrundenmannschaft hörte für diesen Tag auf das Kommando von Torwarttrainer Andreas Menger.
Heilsbringer und Blockadenlöser Daum tritt seine Tätigkeit erst am Mittwoch in der Mainmetropole an; seinen langjährigen Assistenten Roland Koch darf er mitbringen. Zunächst erhält Daum in Frankfurt nur einen Vertrag bis Saisonende. „Unser Ziel ist aber, längerfristig zusammenarbeiten“, so Bruchhagen, „das werden wir nach einiger Zeit in Ruhe besprechen.“
Offenbar wollen sich beide Parteien die Option offen halten, sich im nicht unwahrscheinlichen Falle eines Abstiegs wieder (kostengünstig) zu trennen. Erst am frühen Morgen hatte der Vorstandsvorsitzende Bruchhagen seinen Trainer Skibbe in einem persönlichen Gespräch und dann die Spieler bei einer Ansprache in der Kabine von der neuesten Entwicklung informiert. „Wir hatten anderthalb Jahre eine sehr erfolgreiche Zeit“, sagte Bruchhagen hernach der Öffentlichkeit, „doch die extreme Leistungseinbuße hat uns große Sorge gemacht.“ Er, der 62-jährige Verantwortungsträger habe mit den Gremien alle Argumente abgewogen, „wir mussten eine Entscheidung treffen, um die laufende Abwärtsentwicklung aufzuhalten.“
Der ehemalige Bundestrainer Skibbe durfte auf der Pressekonferenz noch eine stilvolle Danksagung an Fans, Verein und Mannschaft loswerden, „tiefgründige Dinge über unsere Krise möchte ich mir aber ersparen.“ Wohl auch, weil die Modalitäten der Trennung noch geregelt werden müssen, schließlich hatte Skibbe erst im Januar einen Kontrakt bis 2012 unterschrieben, der ihm eine siebenstellige Abfindung einbringen dürfte. Ihm werden seit Wochen eine erschreckende Rat- und Tatenlosigkeit vorgehalten – für die verfahrene Situation schien Skibbe mit seinen emotionslosen Ansprachen längst nicht mehr der richtige Mann.
Bruchhagen, der in seiner langjährigen Manager-Tätigkeit nur einmal im Jahr 2000 bei Arminia Bielefeld mit Hermann Gerland einen Trainer vorzeitig entließ (was er später bitter bereute), gab derweil nun zu, dass er zuvor bereits andere Kandidaten kontaktiert habe, dem Vernehmen nach sollen das die Schweizer Marcel Koller und Christian Gross gewesen sein, irgendwann am Wochenende kam ihm der Name Daum in den Sinn. Am Montag führte Bruchhagen das erste Telefonat, am Nachmittag suchte er den in Köln lebenden, seit Juni 2010 bei der vorzeitigen Beurlaubung bei Fenerbahce Istanbul arbeitslosen Fußballlehrers auf. „Wir haben sehr, sehr lange gesprochen“, so Bruchhagen, der schließlich am späten Montagabend das Ja-Wort von Daum erhielt.
Damit wird unter Bruchhagens Ägide ein Paradigmenwechsel eingeleitet; ein eloquenter Selbstdarsteller wie der zweimal beim 1. FC Köln, VfB Stuttgart und Bayer Leverkusen tätige Chefcoach nun einmal ist, scheint vordergründig nicht zum wertkonservativen Vereinschef zu passen. Bruchhagen verbat sich auf diesen Vorwurf, „in Klischees zu denken.“ Seine konkrete Hoffnung an den neuen Retter aus dem Rheinland lautet: „Jeder Trainer ist anders, ich möchte hier keinen in eine Schublade stecken. Ich habe die Erwartung, dass Herr Daum die festzustellende Verunsicherung mindert.“
Ausgerechnet Vorgänger Skibbe, der ähnlich wie Daum teils extreme Erfahrungen im türkischen Fußball sammelte, ist hoffnungsvoll, dass Eintracht Frankfurt den richtigen Joker gezogen hat: „Christoph Daum ist ein erfahrener Fuhrmann, er wird das hinkriegen.“