Köln. . Der FC Bayern München verspielt beim 1. FC Köln fast schon stümperhaft den Sieg. Jetzt bangen die Münchener sogar um Platz zwei. Und wie das in München dann ist: Alles steht in Frage.
Einen Tag lang würde Hamit Altintop gerne Papst sein. „Weil mich interessiert, wie er die Welt sieht“, sagt der Profi in Diensten des FC Bayern München. Wer weiß, wie das Bundesligaspiel der Bayern in Köln ausgegangen wäre, wenn Altintop und nicht Josef Ratzinger in der vergangenen Woche den Kölner Karnevalsprinzen Frank den Ersten empfangen hätte, der im Stadion von seiner Audienz schwärmte. So verschluderte der FC Bayern in Köln eine 2:0-Pausenführung geradezu jämmerlich und steckt nach dem 2:3 in einer tiefen Sinnkrise: Der Titel ist futsch, die direkte Qualifikation zur Champions League wackelt. Und wie das in München dann ist: Alles steht in Frage.
Unfehlbarer Gradmesser für die Schwere der Krise ist ein Blick in die Gesichter von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. Hoeneß neigt bei Enttäuschungen zu Wutausbrüchen, der Präsident leidet körperlich mit und an seinem Team. In Köln hatte er sich im Griff und verkniff sich jeden Kommentar. Das Reden übernahm diesmal Rummenigge, und es kann auch für einen so vollständig von sich überzeugten Menschen wie Louis van Gaal kein Vergnügen sein, in diesen Momenten seinen Chef zu erleben. Van Gaal könnte sich in der Arktis in einen Kühlschrank einschließen, es wäre kuscheliger.
Inhaltlich klang das bei Rummenigge in Köln nicht einmal so schlimm, da hat man ihn schon übler poltern hören. Dortmund müsse sich ja langsam totlachen: spielen haushoch überlegen gegen Schalke, aber nur 0:0. Und ziehen den Bayern dann doch um noch einen Punkt davon.
Aber man muss nur eins und eins zusammen zählen, um zu erahnen, was den Münchener Alphatieren durch die Köpfe geht. „So erreichen wir unsere Ziele nicht“, sagte Rummenigge. Ein Satz zum Frösteln. Platz zwei und die Qualifikation zur Champions League ist das Maximum, das in dieser Saison noch drin steckt – und für den Coach das Existenzminimum.
Die Möglichkeit, das Finale der Champions League 2012 im eigenen Stadion zu verpassen, treibt die Vereinsspitze schon ein Jahr vorher immer wieder mal um.
Aber die Vorstellung, es zu verpassen, weil man sich gar nicht erst für die Königsklasse qualifiziert? Weil am Ende neben Dortmund und Leverkusen sogar Mainz besser war? Es ist ein Szenario, zu dem es nicht kommen darf, nicht kommen wird – jedenfalls nicht, ohne dass vorher Louis van Gaal gehen müsste.
Es hakt in der Defensive
Der Trainer selbst weiß das besser als jeder andere. Er hat das Verhältnis zur Vereinsspitze durch seine eigenwillige Art schwer belastet. Vor allem aber hat er die Möglichkeiten seines Aufgebots vor Saisonbeginn falsch eingeschätzt. Jetzt spielt Bayern mit einem halben Dutzend Akteure, die auf anderen als ihren angestammten Positionen auflaufen müssen, weil die Keimzelle allen Übels nicht behoben ist: Es hakt in der Defensive.
So muss van Gaal hin und her schieben, was hinten nichts löst und weiter vorne schadet: Holger Badstuber, der in Köln schon nach 19 Minuten Rot hätte sehen müssen, kämpft mit einer hartnäckigen Formkrise, Anatoly Tymoshchuk ist kein Partner, der Sicherheit geben könnte. Vor ihnen wackelt die defensive Zentrale, Danijel Pranjic und Andreas Ottl würden vermutlich auch beim FC St. Pauli nicht herausragen.
Louis van Gaal aber macht andere Ursachen als seine Personalpolitik für die ständigen Einbrüche aus, die spät im Spiel schon sicher geglaubte Punkte in Wolfsburg, Gladbach und Leverkusen gekostet haben. „Ich nenne es fehlende Konzentration“, sagt van Gaal. So kinderleicht, wie Köln zu seinen drei Toren kam, mache ihn das „böse, enttäuscht und erstaunt“.
Vielleicht steckt aber doch mehr dahinter als Konzentrationsschwäche. Im Kölner Tollhaus ist etwas passiert, das Schule zu machen scheint. Bei den Gegnern bröckelt, was sie jahrelang gehemmt hat: Respekt und Angst. Keiner hat das besser ausgedrückt als Kölns Nationalspieler Lukas Podolski, der eigentlich nur über den nächsten Gegner sprechen wollte. „Gegen Mainz 05“, sagte der Prinz, „haben wir ein ganz schweres Spiel. Das ist eine andere Mannschaft als Bayern. Die rennen, kämpfen und kratzen.“