Bochum.

Marijo C., den Staatsanwalt Andreas Bachmann mit Ante S. als „Kernperson“ des Wettskandals sieht, gab zu, dass er im DFB-Pokalspiel VfB Speldorf gegen Rot-Weiß Oberhausen (0:3) am 2. August 2009 drei Spieler des Außenseiters bestochen habe.

Der Wettskandal weitet sich aus. Auch ein Qualifikationsspiel zur WM 2010 soll verschoben worden sein. Bei der Partie Liechenstein gegen Finnland in der deutschen Gruppe 4 will die Wettmafia den Schiedsrichter bestochen haben. „Wir haben das Länderspiel mit Novo Panic manipuliert“, sagte der mutmaßliche Haupttäter Marijo C., als er am Mittwoch als Zeuge im Prozess vor dem Bochumer Landgericht vernommen wurde.

Den bosnischen Referee hat der 35-Jährige nach eigenen Angaben zusammen mit Ante S., der bereits im Skandal um den ehemaligen Schiedsrichter Robert Hoyzer als Drahtzieher zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, bestochen. Nähere Angaben über die Partie am 9. September 2009 in Vaduz, die 1:1 endete, machte Marijo C. nicht - weder über die Art der Manipulation noch, ob sie erfolgreich war. Panic pfiff einen Elfmeter für Finnland, den Jari Litmanen verwandelte (73.) und zeigte dem Liechtensteiner Martin Büchel die Rote Karte (76.).

Der Bosnier sollte auch das Qualifikationsspiel zur U21-EM zwischen der Schweiz und Georgien am 18. November 2009 manipulieren, was allerdings misslang. Panic wurde von der Europäischen Fußball-Union (UEFA) mittlerweile lebenslang gesperrt. Neben Geld wurde dem Referee auch eine Beförderung durch die UEFA versprochen, der Slowake Jozef M., Mitglied der UEFA-Schiedsrichterkommission, sollte Panic „pushen“.

Anklage gegen Marijo C. Anfang 2011

Gegen Marijo C., den Staatsanwalt Andreas Bachmann mit Ante S. als „Kernperson“ des Skandals sieht, soll Anfang 2011 Anklage erhoben werden. „Die beiden sind schon Champions League“, sagte Bachmann und erklärte, dass gegen Marijo C. „160 Vorwürfe vorliegen, 60 Fälle sind richtig konkret“.

Der „Kopf“ der Wettmafia, der in der vierstündigen Anhörung smart und eloquent auftrat, belastete zudem den ehemaligen Bundesliga-Spieler Thomas Cichon schwer. „Er wollte 100.000 Euro haben“, berichtete der Familienvater aus Nürnberg, der seit 1998 auf Fußballspiele wettete und seit 2006 Spiele manipulierte.

Bestreitet die Vorwürfe: Thomas Cichon.
Bestreitet die Vorwürfe: Thomas Cichon.

Er habe Cichon in Osnabrück getroffen, bei dem Gespräch sei es konkret um Manipulationen der Spiele des Zweitligisten VfL Osnabrück gegangen. „Cichon hat gesagt: Bei Abendspielen ist eine Manipulation leichter möglich, weil der damalige Torhüter Stefan Wessels dann Probleme mit den Augen hat“, erklärte Marijo C.. Neben Cichon habe er sich auch mit dem damaligen Osnabrücker Profi Marcel Schuon getroffen. Beide Spieler seien bestechlich gewesen: „Sie sind zu den Treffen gekommen, um über Spielmanipulation zu sprechen. Man musste sie nicht überreden. Sie haben ganz genau gewusst, um was es geht.“

Cichon bestreitet Vorwürfe

Cichon, der derzeit bei den Moroka Swallows in Südafrika spielt, bestreitet, an Manipulationen beteiligt gewesen zu sein. Der geständige Schuon ist vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) für 33 Monate gesperrt worden und zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden. Cichon, der bislang nur vom DFB vernommen wurde, muss nun mit weiteren Ermittlungen des Verbandes und einer möglichen Sperre rechnen. Auch Staatsanwalt Bachmann erklärte: „Die Ermittlungen gegen ihn dauern an. Wir erfahren immer wieder neue Details.“

Marijo C. gewährte bei seinen Antworten neue Einblicke in das Zockergeschäft Fußball. Die Initiative für Manipulationen sei nicht immer von der Wettmafia ausgegangen. „Es gibt viele Spieler, die sich in Wettbüros aufhalten“, berichtete er: „Wenn ein Spieler Interesse an Wetten hat, kommt es automatisch dazu, dass man über Manipulationen spricht.“ Marijo C., der monatlich 200.000 bis 300.000 Euro auf Fußballspiele wettete, gab Bestechungen in Deutschland, der Schweiz, Belgien, Slowenien und Kroatien zu. Mit Ante S. habe er sich in vielen Fällen die Bestechungssumme geteilt, die im Schnitt bei 5000 bis 8000 Euro pro Spieler lag.

Mit Gewalt sei nach seinem Wissen Spielern nie gedroht worden. „Ich habe immer alles mit Geld gemacht“, sagte er und fügte auf Nachfrage an: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass für 5000 Euro Gewalt angewendet wurde. Wir haben uns untereinander um ganz andere Summen beschissen und sind alle immer noch am Leben.“ Marijo C. gab unter anderem zu, dass er im DFB-Pokalspiel VfB Speldorf gegen Rot-Weiß Oberhausen (0:3) am 2. August 2009 drei Spieler des Außenseiters bestochen habe.

Stevan R. legt Geständnis ab

Zuvor hatte der dritte Angeklagte ein Geständnis abgelegt. Der 35-jährige Stevan R. gab über seine Verteidiger zu, in drei Fällen an der Manipulation von Spielen beteiligt gewesen zu sein. Zudem gab der Serbe an, bei einer weiteren Partie sei eine Manipulation verabredet, aber nicht durchgeführt worden. Außerdem habe er Kenntnisse von einer weiteren Spielmanipulation, an der er selbst aber nicht beteiligt gewesen sei.

Die Beschuldigten Nürettin G. und Tuna A. hatten bereits ihre Beteiligung gestanden und waren daraufhin am Dienstag auf Kaution freigelassen worden. Die insgesamt vier Angeklagten sollen 32 Spiele in Deutschland und dem europäischen Ausland manipuliert und hohe Beträge darauf gewettet haben. Der Prozess wird am Montag mit weiteren Fragen an Marijo C. fortgesetzt. Am 5. und 6. Januar 2011 ist Ante S. als Zeuge vorgeladen. (sid)