Bochum. .
Im Prozess um den europaweiten Fußball-Wettskandal hat der zweite Angeklagte ein Teilgeständnis abgelegt. Zudem geriet auch ein UEFA-Funktionär ins Visier der Ermittler.
Anfüttern von Regionalliga-Kickern im Fast-Food-Restaurant, Bestechung von FIFA-Schiedsrichtern mit fünfstelligen Beträgen und angebliche Verbindungen bis in UEFA-Kreise: Das Teilgeständnis des zweiten Angeklagten im Prozess um den Fußball-Wettskandal hat Manipulationen in allen Facetten offenbart. Der 55-jährige Tuna A. gab am siebten Verhandlungstag vor dem Bochumer Landgericht zu, Spielern des SC Verl jeweils 500 Euro übergeben zu haben. Zudem bestätigte er, dass bei internationalen Spielen die Unparteiischen für 50.000 bis 60.000 Euro bestochen wurden und ein hochrangiger Funktionär in den Skandal verstrickt sein soll. Gegen den Slowaken Jozef M., Mitglied der UEFA-Schiedsrichterkommission, ermittelt die Bochumer Staatsanwaltschaft.
Bei „einem Treffen bei McDonalds in Dortmund“ habe er drei Spielern des damaligen Regionalligisten Verl jeweils 500 Euro zur „allgemeinen Beziehungspflege“ gezahlt, ließ Tuna A. von seinem Verteidiger Reinhard Peters verlesen. Der Türke, der von der Staatsanwaltschaft zum Führungskreis der Wettmafia gezählt wird, gab ansonsten lediglich zu, wissentlich auf manipulierte Spiele gewettet zu haben. Spieler oder Schiedsrichter habe er selbst nicht bestochen.
Bestechung zweier FIFA-Schiedsrichter
Von der vermeintlich spektakulärsten Bestechung hatte der 55-Jährige allerdings Kenntnis: Die FIFA-Schiedsrichter Novo Panic (Bosnien-Herzegowina) und Oleg Orijechow (Ukraine) sollen mit fünfstelligen Beträgen und der Aussicht auf eine Beförderung zur Spielmanipulation angestiftet worden sein. Der Hauptverdächtige Marijo C., der später angeklagt werden soll, habe ihm gesagt, „er hat den Schiedsrichter. Da habe ich alles gesetzt, was ich hatte - fast 40.000“, sagte Tuna A.
Panic leitete das angeblich manipulierte U21-EM-Qualifikationsspiel zwischen der Schweiz und Georgien, Orijechow die Europa-League-Partie zwischen dem FC Basel und ZSKA Sofia. Beide Referees sind von der Europäischen Fußball-Union (UEFA) mittlerweile lebenslang gesperrt worden. Im Fall Panic soll Jozef M. involviert gewesen sein. „Er ist in die Slowakei gefahren, um mit einem einflussreichen Funktionär zu sprechen“, berichtete Tuna A. über Marijo C.
UEFA-Funktionär bestreitet Vorwürfe
Der Slowake M., der laut UEFA-Homepage noch immer der Schiedsrichterkommission angehört, bestreitet, bestochen worden zu sein und Panic eine Höherstufung in Aussicht gestellt zu haben. Die Vorwürfe hatte bereits Ante S., der schon im Manipulationsskandal um den ehemaligen Schiedsrichter Robert Hoyzer verurteilt worden war und laut Staatsanwaltschaft erneut zu den Drahtziehern gehören soll, im Sommer bei Vernehmungen erhoben. „Wir werden die Ermittlungen nicht abgeben, sondern weiterführen“, sagte Staatsanwalt Andreas Bachmann. Panic sollte von M. „besonders lukrative Spiele bekommen“.
Bei der spektakulären Schuldenübernahme des damaligen belgischen Zweitligisten Union Royale Namur will Tuna A. lediglich als „Investor“ aufgetreten sein. Er habe einen französischen Vertrag unterschrieben, den er nicht gelesen habe. Über Manipulationen sei er nicht informiert worden, er habe auch nicht gegen den Klub gewettet. Laut Staatsanwaltschaft soll die Wettmafia 700.000 Euro Verbindlichkeiten übernommen haben, um Einfluss auf die Spieler zu gewinnen und eigene Spieler einzuschleusen.
Cichon soll aussagen
Bereits am 25. November hatte der Mitangeklagte Nürretin G. detailliert die Manipulation von bis zu 16 Spielen beschrieben und die ehemaligen Osnabrücker Profis Thomas Cichon, Marcel Schuon und Bilal Aziz sowie Tuna A. schwer belastet. Die Verteidigung beantragte am Freitag, den ehemaligen Bundesligaspieler Cichon, der derzeit in Südafrika spielt und jegliche Beteiligung bestreitet, als Zeugen vorzuladen.
Zudem gab das Gericht bekannt, dass Marijo C. und Ante S. in den kommenden Wochen als Zeugen gehört werden sollen. Der Hauptverdächtige Marijo C. wird voraussichtlich am 15. und 20. Dezember befragt. Ante S. soll am 5. Januar geladen werden. Den insgesamt vier Beschuldigten wird vorgeworfen, insgesamt 32 Spiele in Deutschland und dem europäischen Ausland manipuliert und hohe Beträge darauf gewettet zu haben.
(sid)