Doha. .

Es ist später Abend, von oben funkelt Doha wie tausendundeine Pracht. Nach der Landung wird am Flughafen der Hauptstadt Katars aber schnell klar, dass nicht der Charme des Orients regiert, sondern anderes. „Haben Sie ein Visum?“ „Nein.“ „Dann geben Sie mir Ihre Kreditkarte.“ 100 Riyals – 20 Euro – später knallt der Stempel in den Pass, Einreise bewilligt.

Nur eine Entscheidung für Timbuktu als Austragungsort für die Fußball-WM 2022 hätte mehr überraschen können als Katar. Die Wahl mit ihren Korruptions-Skandalen hat immer noch mehr Gegner, als manches Land Einwohner, doch die Menschen in dem arabischen Emirat erscheinen völlig gelassen.

Auch das Wetter macht, was es seit hunderten von Jahren jeden Morgen macht: Es bietet einen Postkarten-Sonnenaufgang. Eine halbe Stunde später ist es am Nikolaustag schon 30 Grad warm, im Sommer können es 50 werden. Deshalb stehen die Tischchen der Al Koutos Kaffeebar auch im Schatten. Die erste Überraschung: Mitten in der arabischen Kaffeekultur trinken sie Instant-Kaffee mit viel Zucker. An der Corniche, der sieben Kilometer langen Promenade am Meer, gibt es Scheichwerbung. Von einer Plakatwand lächelt Hamad bin Khalifa Al-Thani. Das Staatsoberhaupt hält dabei den goldenen Fifa-Weltcup in den Händen. Der strahlende Wahlsieger, der die WM von der Wahl in Zürich mit nach Hause bringt.

Auf dem Plakat ist Emir Sheikh Hamad bin Khalifa Al Thani mit dem WM Pokal zusehen.
Auf dem Plakat ist Emir Sheikh Hamad bin Khalifa Al Thani mit dem WM Pokal zusehen. © WAZ FotoPool

Zwei Kilometer weiter die Promenade hinauf wohnt Al-Thani in seinem Palast. Er ist ein reicher Mann und würde bis ans Ende seines Lebens zu tun haben, wenn er ab morgen jeden Riyal seines Vermögens zählen wollte. 3,5 Milliarden US-Dollar will Katar in zwölf WM-Stadien investieren. Das Emirat in der Wüste verdient sein Geld mit Öl und Gas. 15 Prozent des Erdgas-Vorrats der ganzen Erde liegen unter dem Sand von Katar, nur Russland und der Iran verfügen über größere Vorkommen. Al-Thani kann seine Versprechungen also finanzieren. Er hat angekündigt: „Niemand muss während der WM Angst vor der Hitze haben. Wir werden dafür sorgen, dass in den Stadien 27 Grad herrschen.“ Klimaanlagen, groß wie Hochhäuser und betrieben mit Solarenergie, sollen das nach Ansicht des Emirs schaffen.

Die Realität sieht anders aus: Hinter dem Plakat des lächelnden Al-Thani erheben sich die Flutlichtmasten des Doha-Stadions, im kommenden Januar Schauplatz der Asien-Meisterschaft. Die Sitze schmoren an diesem Vormittag in praller Sonne. Wer dort drei Stunden sitzt, kann sich mit Sonnenstich ins Krankenhaus einliefern lassen.

An Fußgänger haben die Planer von Doha nicht gedacht. Warum auch? Das Land hat mit 55 000 US-Dollar das höchste Pro-Kopf-Einkommen aller Nationen, ein Liter Super-Benzin kostet lächerliche 20 Cent, und alle Männer aus Katar haben ein gemeinsames Hobby: Hupen! Also fährt jeder Auto. Fußgänger stören und sollten beim Überqueren der vierspurigen Straßen rennen können.

Im klimatisierten Taxi ist es heimelig wie im Kühlschrank. Es stoppt vor dem Souq Al-Waqif, dem ältesten Basar des Landes. Die Händler verkaufen für 40 Riyal (acht Euro) Fan-Schals in den Nationalfarben Dunkelrot und Weiß mit eingewebtem Emir-Foto. Ein Koffer-Verkäufer hat Taschen mit dem Wappen des Basketball-Teams Chicago Bulls aufgestapelt, die Kellner in den Restaurants bauen Ketchup-Flaschen der US-Firma Heinz auf ihren Tischen auf. Als Bier gibt es aber nur „Amstel Zero“, null Prozent Alkohol.

Katar ist schwer zu verstehen. Die Regierung unterstützt den Kampf der USA gegen den Terror, im Emirat gibt es den riesigen US-Luftwaffenstützpunkt Udeid. Wer ihn sucht, findet ihn nicht, er ist auf keiner Landkarte verzeichnet. Die Herrscherfamilie hat aber in Doha auch den Fernsehsender Al-Dschasira gegründet. Osama Bin Laden hat seine Video-Botschaften immer dort abspielen lassen, weil der Sender die größte Reichweite im Nahen Osten hat. In Katar scheinen sich Dinge, die nicht zueinander passen, irgendwie ineinander zu fügen. Ob das auch mit der WM gelingt, weiß noch niemand. Im Sportteil der „Gulf Times“ ist sie kein Thema, der Montag-Aufmacher handelt vom Eishockey der nordamerikanischen Profiliga NHL.

Zurück zur Promenade. Treppen durchbrechen die Betonmauer der Corniche und führen zum glasklaren Wasser des Arabischen Golfs. Der Test mit der Hand zeigt: 22 Grad, wunderbar zum Schwimmen, doch es gibt hinter der Promenade keinen Strand. Zyniker könnten behaupten: Eine Schutzmaßnahme für die Männer in den weißen Kaftanen, die dort wandeln. Viele tragen so dicke Uhren, dass sie selbst mit Schwimmweste untergehen würden.

Die Wahrheit: Das Schwimmen in Hafennähe soll zu gefährlich sein. Außerhalb der Hauptstadt bietet Katar 350 Kilometer Strand. Im Sommer nutzt das aber nichts: Man verbrennt sich auf dem heißen Sand die Füße.