Berlin. .
Viele junge Fußballer mit türkischen Wurzeln werden gleich von zwei Fußballverbänden umworben. Mittlerweile bemüht sich der DFB jedoch intensiv um die Nachkommen dieser Migranten. Der Konkurrenzkampf um die in Deutschland lebenden Talente wird härter.
Viele deutsche Fußball-Talente mit türkischen Wurzeln stehen irgendwann vor der Entscheidung, für welches Land sie auflaufen wollen. Seitdem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) das Potenzial der in Deutschland spielenden Türken nicht mehr unterschätzt, ist der Kampf um die besten Talente härter geworden.
Am Integrationsproblem lag es nicht, dass Nuri Sahin im roten Trikot mit Halbmond und Stern spielt - und nicht im weißen mit dem Bundesadler. „Unsere dritte Generation der Türken ist sehr gut integriert. Und aus der vierten Generation kann vielleicht ein Bundeskanzler kommen“, sagt der 22-Jährige: „Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft macht es doch vor, spielt mit einem multikulturellen Team, und ganz Deutschland jubelt, wenn der Türke Mesut Özil ein Tor schießt.“
Kampf um Talente
Sahin aber ist weder Bundeskanzler noch deutscher Nationalspieler. Der Mittelfeld-Star von Borussia Dortmund hat einen anderen Weg gewählt als sein Freund Özil, als er wie so viele junge Fußball-Talente mit türkischen Wurzeln vor der Entscheidung stand: Deutschland oder Türkei? Beide Länder treffen am Freitag (20. 45 Uhr/ZDF) im EM-Qualifikationsspiel in Berlin aufeinander - und in Sahins Brust werden zwei Herzen schlagen. „Ich bin zwar Türke, aber auch ein bisschen Deutscher. Das ist ein ganz besonderes Spiel für mich“, sagt Sahin, der in Lüdenscheid geboren wurde.
Mit diesem Zwiespalt müssen auch viele seiner Kollegen leben. Der Kampf um die besten Talente ist härter geworden, seit der Deutsche Fußball-Bund (DFB) das Potenzial der etwa 200.000 in Deutschland spielenden Türken nicht mehr unterschätzt. „Wir kämpfen um sie“, sagte DFB-Sportdirektor Matthias Sammer dem Fachmagazin kicker: „Es ist unsere grundsätzliche Bestrebung, auch Spieler mit Migrationshintergrund in unser Talentförderprogramm zu integrieren.“
Perspektivische Entscheidung
Ohne diesen Meinungsumschwung hätten Spieler wie Özil oder Innenverteidiger Serdar Tasci sich vermutlich für das Land ihrer Eltern entschieden. „Beim DFB fühle ich mich bestens aufgehoben. Sie haben sich sehr um mich bemüht“, sagt Özil, der mittlerweile aus der Nationalmannschaft kaum noch wegzudenken ist.
Auf eine ähnliche Karriere hoffen die drei U21-Nationalspieler Taner Yalcin, Mehmet Ekici und Ilkay Gündogan. Sie tragen zwar das deutsche Trikot, doch erst wenn sie ein A-Länderspiel absolviert haben, dürfen sie nicht mehr die Seiten wechseln. Der Nürnberger Ekici gibt zu, dass bei seiner Entscheidung nicht nur das Herz eine Rolle spielt: „Die Perspektive muss stimmen.“
Beim neuen Nationaltrainer Guus Hiddink genießen die im Ausland ausgebildeten Türken wie die Altintop-Zwillinge Hamit und Halil eine hohe Wertschätzung. „Die Jungs haben gelernt sich durchzubeißen und sind auf die Anforderungen, die in großen Klubs an sie gestellt werden, besser vorbereitet“, sagt der niederländische Startrainer, der den WM-Dritten von 2002 wieder an die Weltspitze heranführen will.
Türkische Talentspäher
Daher intensiviert der türkische Verband seine Talentsichtung. Und das nicht nur in Deutschland. Insgesamt arbeiten etwa 25 Scouts in ganz Europa, der Jahresetat für die Sichtung beträgt ungefähr eine halbe Million Euro. Dass die Spieler bei ihrer Entscheidung von den Talentspähern unter Druck gesetzt werden, verneint Deutschland-Scout Erdal Keser: „Es darf und soll da überhaupt kein Druck entstehen, egal von welcher Seite.“
Derzeit laufen 24 Spieler aus Deutschland in den Nationalmannschaften der Türkei auf, auf der anderen Seite setzt der DFB in seinen Auswahlteams auf 18 türkischstämmige Kicker. Sahin rät aus eigener Erfahrung: „Das Wichtigste ist, dass man sich bei seiner Entscheidung wohl fühlt.“ (sid)