Köln. .
Die beiden Bayern-Profis Miroslav Klose und Thomas Müller verstehen sich auch bei der Nationalmannschaft prächtig. Dabei sind sie doch so verschieden.
Im Februar 2001 hatte der Deutsche Fußball-Bund bei seiner Pressekonferenz in einem Hotel in Paris einen jungen Mann auf das Podium geschickt, der sich an diesem Ort so wohl fühlte wie ein Nichtschwimmer in bedrohlich hohen Ozeanwellen. Er hatte ein Jahr zuvor noch als Amateur in der zweiten Mannschaft des 1. FC Kaiserslautern gespielt und zwei Jahre zuvor noch im Lauterer Fan-Block gestanden. Jetzt war er von Teamchef Rudi Völler höchstpersönlich zu einem Länderspiel eingeladen worden: zum Prestigeduell mit dem damaligen Welt- und Europameister Frankreich.
Miroslav Klose hieß der unbedarfte Neuling, 22 war er, Debütanten waren damals selten jünger. Wer mitbekommen wollte, was er zu sagen hatte, musste schon ganz genau hinhören, denn dieser talentierte Stürmer sprach extrem leise und senkte dabei auch noch verschämt den Kopf. „Als ich die Nationalspieler am Sonntag kennenlernen durfte, waren alle sehr nett, auch der Herr Völler“, teilte er brav mit.
So viel Zurückhaltung erschien jenem Herrn Völler dann doch nicht das richtige Signal zu sein. Bei der von Zinedine Zidane besiegelten 0:1-Niederlage des deutschen Teams blieb der verlegene Neue 90 Minuten lang auf der Bank sitzen. Völler vertraute damals noch Haudegen wie Wörns, Rehmer, Linke, Ramelow, Hamann oder Jancker.
Aber dieser Miroslav Klose lieferte in der Bundesliga weiter eine gute Show, auf dem Feld legte er jegliche Schüchternheit ab. Nach Treffern führte er den Fans einen Salto vor, der nicht weniger beeindruckte als seine Kaltschnäuzigkeit beim Torabschluss.
Das imponierte auch dem DFB-Teamchef, und so durfte der gebürtige Pole im März 2001 dann doch in der Nationalmannschaft debütieren: Der Gesamtauftritt des Teams beim 2:1 in der WM-Qualifikation gegen Albanien in Leverkusen war zwar erbärmlich, Klose aber startete durch. Zwei Minuten vor Schluss besorgte er den Siegtreffer, und natürlich zelebrierte er auch seinen Salto. So hatte zuvor noch kein deutscher Nationalspieler gejubelt.
Auf Rekordjagd
Neun Jahre später präsentiert Miroslav Klose beeindruckende Zahlen. Sein siegbringender Treffer am Freitagabend beim EM-Qualifikationsspiel in Belgien war bereits sein 53. im Nationaltrikot – bei 102 Länderspielen. Auch wenn die Quote des großen Gerd Müller, der es in nur 62 Länderspielen auf 68 Tore brachte, unerreicht bleiben wird: Es ist nicht ausgeschlossen, dass zumindest die Rekordmarke von Klose geknackt werden könnte.
Längst spielt auch er beim FC Bayern München, mit 32 Jahren ist er derzeit der routinierteste Profi im Nationalteam. Er verkauft sich offensiv, er kündigt an, dass er sich vorstellen kann, auch in vier Jahren bei der WM in Brasilien noch dabei zu sein.
Aber was auch immer Miroslav Klose zu sagen hat, es wird niemals so klingen wie all das, was Thomas Müller so von sich gibt. Am Sonntag saßen die beiden in Köln nebeneinander, wo am Dienstag das nächste EM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan ansteht. Klose wurde Torschützenkönig der WM 2002, Müller gelang das gleiche Kunststück in diesem Sommer. Doch der Shooting-Star des Jahres 2001 hat mit dem von 2010 so viel gemeinsam wie Mireille Mathieu mit Lady Gaga. Während Klose sich stets um Kameras herumzudribbeln versuchte, grinst Müller direkt hinein. Er grüßte beim Fernsehinterview seine Großeltern aus Südafrika und fügte lachend hinzu: „Das war längst mal überfällig.“ Auch er hat einen Raketenstart hinter sich, auch er bewegte 2009 noch den Ball für die zweite Mannschaft der Bayern. Doch ihm macht der enorme Popularitätsanstieg nichts aus. Auf eine gekünstelte mediale Inszenierung verzichtet der 20-Jährige, er hält Natürlichkeit für die bessere Option: „Ein guter Freund hat mir geraten, ich solle mit Journalisten reden wie mit Kumpels. Das kommt am besten an, die Leute wollen doch nichts Aufgesetztes hören.“
Und so hebt sich seine beherzte Fröhlichkeit erfrischend ab vom auswendig gelernten Standard-Blabla vieler ecken- und kantenloser Kollegen. Als er sich während der WM nach dem grandiosen 4:0-Sieg gegen Argentinien ein Bierchen gönnte, fragte er grinsend: „Soll man nach so einem Spiel etwa Milch trinken? Alles Müller, oder was?“ Und er traut sich sogar zu sagen: „Ich folge mehr meinem Instinkt als den Anweisungen von Trainern.“
Die beschweren sich nicht. Wer so spielt wie Thomas Müller, so energiegeladen und intelligent, der kann sich auch solche Sätze leisten.