Wattenscheid. Vor 25 Jahren schlug Wattenscheid 09 Borussia Dortmund in einem denkwürdigen Pokalspiel. Die Helden von damals erinnern sich an das 4:3.

Sergio Allievi hatte gerade mit seiner Mannschaft die Sensation geschafft und wollte sich noch ein Erinnerungsstück sichern. Er ging auf Andreas Möller zu und bat um einen Trikottausch. Doch der damalige Star von Borussia Dortmund lehnte ab. Er war wie seine Teamkollegen frustriert. „Die Dortmunder haben nur noch geschimpft“, erzählt Allievi über die Ereignisse vom 11. August 1996.

Heute vor 25 Jahren gelang ihm mit der SG Wattenscheid 09 eine der größten Sensationen in der jüngeren Geschichte des DFB-Pokals. Das Team empfing damals den aktuellen Deutschen Meister aus Dortmund im Lohrheidestadion. BVB-Trainer Ottmar Hitzfeld hatte seine Europameister Jürgen Kohler, Matthias Sammer und eben Andreas Möller in die Startelf beordert. Am Ende setzte sich aber der Regionalligist durch – in einem denkwürdigen Spiel mit 4:3 nach Verlängerung.

Tenhagen sah sein Team chancenlos

Jupp Tenhagen erinnert sich gerne an diesen Tag zurück. Die Klublegende des VfL Bochum trainierte damals die Wattenscheider. Vor dem Revier-Duell hatte er „nie und nimmer“ mit einem Sieg gerechnet: „Man bemüht immer die Pokal-Floskeln. Aber realistisch gesehen hatten wir überhaupt keine Chance“, sagt der 68-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung.

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Zu Beginn der Begegnung schien für den Favoriten alles nach Plan zu laufen. BVB-Kapitän Michael Zorc erzielte nach 14 Minuten das 1:0. Doch das beeindruckte die Wattenscheider nicht. Besonders nach Eckbällen gelang an diesem Sonntag alles: Hilko Ristau köpfte zum 1:1 (42.) ein. Die Fans brüllten ihre Mannschaft weiter nach vorne – mit Erfolg: Sergej Dikhtyar (50.) und Olaf Skok (69.) sorgten mit ihren Toren nach Eckbällen für eine 3:1-Führung.

Frust bei BVB-Star Julio Cesar

„Dortmund hat uns komplett unterschätzt“, erklärt der ehemalige Nationalspieler Tenhagen. Der Favorit ging dafür hart zur Sache. Sergio Allievi denkt dabei an eine Szene. „Ich habe recht früh nach meiner Einwechselung Julio Cesar den Ball an der Außenlinie durch die Beine gespielt. Daraufhin hat er mich aus lauter Frust voll weggeklatscht und die Gelbe Karte gesehen“, sagt der heute 57-Jährige.

Der BVB rettete sich in die Verlängerung, weil Heiko Herrlich (75.) und Stefan Reuter (88.) noch trafen. Dort sah erst Cesar Gelb-Rot, dann kam es zur entscheidenden Szene: Allievi brachte in der 115. Minute den Ball flach vor das Tor. Einwechselspieler Frank Bläker stand richtig, stocherte den Ball über die Linie und entschied die Partie.

Nach Schlusspfiff realisierte der Siegtorschütze gar nicht, wie ihm geschah. Auf einmal stand Reporterlegende Rolf Töpperwien vor ihm und hielt Bläker das Mikrofon unter die Nase. Inmitten feiernder Wattenscheid-Fans führte der ZDF-Mann ein Interview mit dem Pokalhelden. Nach dem Spiel blieb Bläker kaum Zeit, sich feiern zu lassen: „Am nächsten Morgen musste ich wieder beim Zivildienst antreten“, erzählt der heute 46-Jährige.

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Heute wundern sich seine Arbeitskollegen übrigens, wenn er ihnen auf Youtube die Szenen vom Spiel zeigt. Denn mit Fußball hat der frühere Wattenscheider, der inzwischen Frank Große-Vehne heißt und kürzlich die Spedition seines Schwiegervaters im westfälischen Rhede übernommen hat, kaum noch etwas zu tun. Nach einem Schädelbruch musste er seine Karriere frühzeitig beenden.

Zum Jubiläumstag kommen aber die Erinnerungen hoch. Dass zwei Joker dem Pokalspiel den entscheidenden Impuls gaben, ist für Frank Große-Vehne kein Zufall. „Jupp Tenhagen hat jeden Spieler wertgeschätzt. Das war eine Stärke von ihm“, sagt der gebürtige Borkener.

Nach dem Pokalcoup folgte für Wattenscheid das Aus in der zweiten Runde – mit einem 2:4 nach Elfmeterschießen gegen die Amateure des Karlsruher SC. Dafür hatte Tenhagens Team am Ende der Regionalliga-Saison noch Grund zum Feiern: Wattenscheid gelang der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Und in Dortmund war das peinliche Aus bald vergessen. Spätestens am 28. Mai 1997 – als der BVB durch ein 3:1 gegen Juventus Turin die Champions League gewann.