Dortmund. Der BVB will künftig vor allem Geimpfte und Genesene ins Stadion lassen. Für die Profis hält ein Sportjurist eine Impfpflicht für denkbar.
„Der Schlüssel zu allem“, sagt Hans-Joachim Watzke, „ist die Impfung.“ Der Geschäftsführer von Borussia Dortmund sitzt im Presseraum des BVB-Stadions, bei einem Termin, der in diesen Tagen wenig Freude macht: Watzke präsentiert die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr 2020/21. In der Vergangenheit erlebte man da meist einen sehr stolzen BVB-Boss, der Umsatzrekorde, schwarze Zahlen und pralle Festgeldkonten präsentierte. Am Montag aber muss er einen Verlust von 72,8 Millionen Euro erklären. Die Corona-Krise hat die Einnahmeströme versiegen lassen.
Und deswegen sendet der BVB-Boss gleich mehrere Appelle aus. Den ersten an die Bundeskanzlerin und die Länderchefs, die an diesem Dienstag das weitere Vorgehen in der Krise besprechen. „Ich erwarte, dass Entscheidungen getroffen werden, die uns mittelfristig eine Perspektive geben“, sagt Watzke. Er würde sein 81.365 Zuschauer fassendes Stadion gerne voller bekommen. Nicht sofort, aber mittelfristig.
Watzkes Appell an die Fans
Damit das klappt, hat Watzke einen Appell an die BVB-Fans: „Wenn ihr wollt, dass wir in absehbarer Zeit wieder so etwas wie Normalität verspüren, wenn ihr wieder ins Stadion möchtet, worauf wir sehnlichst warten – dann lasst euch bitte impfen.“
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Ohne Impfung wird es künftig schwierig, ins Stadion zu kommen, nicht nur in Dortmund. Der 1. FC Köln hat bereits angekündigt, nur noch Geimpfte und Genesene ins Stadion zu lassen – mit einem kleinen Ausnahmekontingent für Kinder und andere Menschen, die nicht geimpft werden können. Ähnlich wird es der BVB machen.
DFL schlägt Alarm
Aktuell gilt ohnehin: Steigt der Inzidenzwert in der Stadt Dortmund und den angrenzenden Kreisen auf über 35, dürfen nur 1000 getestete Zuschauer ins Stadion – und 21.033 Geimpfte oder Genesene. Am Samstag gegen Eintracht Frankfurt (18.30 Uhr/Sky) werden noch 25.000 Fans im Stadion sein, aber auch dann gilt, was künftig immer gelten soll: Der BVB will das Stadion überwiegend mit Geimpften und Genesenen füllen. „Das wird bei uns deutlich favorisiert, weil es den Menschen ein deutlich höheres Sicherheitsgefühl gibt“, sagt Watzke. Das sehen nicht alle in der Liga so. Jan Mayer etwa, Geschäftsführer der TSG Hoffenheim, warnt vor einer „Impfpflicht durch die Hintertür“.
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Das Thema ist umstritten, auch auf anderer Ebene: bei den Beteiligten. Der BVB hat aktuell zwei Corona-Fälle zu beklagen, in Julian Brandt und Thomas Meunier erwischte es zwei ungeimpfte Profis. Prominente Fälle gab es auch anderswo – genug, um die Deutsche Fußball-Liga zu alarmieren. In einem Rundschreiben an die Klubs mahnte Geschäftsführer Christian Seifert zu mehr Eigenverantwortung. Die Klubs sollten bei ihren Spielern für die Impfung werben.
Manche Profis bereuten die Impfskepsis
Die könnten inzwischen durchgeimpft sein, aber im Fußball ist es nicht anders als im Rest der Gesellschaft: Nicht jeder krempelt bereitwillig den Ärmel hoch. Mal ist es die Angst vor einer Impfreaktion im Kampf um die Stammplätze, mal grundsätzliches Misstrauen gegenüber der Impfung, mal nur Trödelei.
Manche Profis aber haben sich über ihre Zögerlichkeit schon mächtig geärgert: Sie mussten nämlich in Quarantäne, als Mannschaftskollegen positiv getestet wurden, die geimpften Mitspieler allerdings nicht. Da wurde der Pieks schnellstmöglich nachgeholt.
Die Klubs halten sich bedeckt
Nur wenige Klubs melden wie Köln und Augsburg einen komplett durchgeimpften Kader, der Rest hält sich bei dem sensiblen Thema bedeckt. Klar, man werbe für die Impfung, heißt es überall – und viel mehr können die Klubs auch nicht tun. Kein Arbeitgeber darf seine Angestellten ohne rechtliche Grundlage zur Impfung zwingen.
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Die DFL allerdings hätte durchaus eine Handhabe, sagt der Sportrechtler Paul Lambertz. Einmal mittelbar, indem sie den Klubs nur noch den Einsatz geimpfter Spieler erlaubt. „Zwar müssen alle Zulassungsregeln des Fußballs einer kartellrechtlichen Prüfung standhalten, doch dürfte dies bei der Forderung, dass nur geimpfte Spieler im Kader stehen dürfen, funktionieren“, sagt Lambertz. Denn das verfolge einen legitimen Zweck, nämlich den Gesundheitsschutz.
Italien diskutiert über eine Pflicht
Auch eine Impfung als Bedingung für die Spielerlizenz hält Lambertz für denkbar: Schon jetzt gebe es ja Bedingungen, die ein Spieler erfüllen müsse, um an der Bundesliga teilnehmen zu dürfen: „Es gibt beispielsweise verpflichtende Untersuchungen, ohne die die Spieler von der DFL keine Lizenz bekommen. Das kann man durchaus mit dem Thema Impfung vergleichen.“
Im italienischen Verband wird bereits offen über eine Impfpflicht diskutiert, bei der DFL ist das nicht angedacht. Ausdiskutiert ist das Thema trotzdem noch lange nicht.