Essen-. Im aktuellen EM-Kader fehlt es an kontroversen Personalien – weil Bundestrainer Joachim Löw pragmatisch wie nie nominiert. Ein Kommentar
Zum letzten Mal hat Bundestrainer Joachim Löw einen Kader für für ein großes Turnier benannt, nach der Europameisterschaft im Sommer hört er bekanntlich auf. Und wohl noch nie hat so wenig Löw in einem Löw-Aufgebot gesteckt wie aktuell. Anders als zu vergangenen Zeiten ist diesmal keine Entscheidung dabei, die man nur verstehen kann, wenn man zufällig Jogi Löw ist.
Bei vergangenen Turnieren gab es immer so einen Fall. Mal wurde Timo Hildebrandt gestrichen, mal Mario Gomez, vor drei Jahren Leroy Sané. Dafür nahm Löw Lukas Podolski auch dann noch konsequent mit, als der nur noch zum Maskottchen taugte, und hielt 2018 hartnäckig an Manuel Neuer fest, obwohl der nach wochenlanger Verletzungspause ohne jede Spielpraxis war und es den Weltklassemann Marc-André ter Stegen in der Hinterhand gegeben hätte.
Julian Draxler fehlt - trotz Verdiensten aus der Vergangenheit
Es waren Entscheidungen, die fielen in einem Geflecht aus Loyalitäten, Verdiensten der Vergangenheit und Versprechen für die Zukunft. Der aktuelle Kader ist frei von solchen Einflüssen – und deswegen auch frei von Kontroversen. Natürlich, man hätte statt Christian Günter auch Ridle Baku mitnehmen können – aber wer will denn ernsthaft darüber diskutieren, wer als dritter Außenverteidiger die Ersatzbank warmhält?
Konsequent wie nie hat Löw seinen Kader nach aktueller Form und Fitness zusammengestellt. Julian Draxler hat es diesmal nicht geholfen, dass der Bundestrainer schon viel mit ihm erlebt hat. Dafür wurde Kevin Volland dazugeholt, dessen Spielweise Löw nie begeisterte – der aber anders als alle anderen deutschen Stürmer Torgefahr und körperliche Robustheit vereint. Mit der Rückkehr von Thomas Müller und Mats Hummels ist Löw besonders deutlich über seinen Schatten gesprungen. Er hat pragmatisch wie nie nominiert – und damit zumindest den ersten Schritt getan zu einem erfolgreichen Turnier.