Essen. Deutschlands bester Schiedsrichter erreicht die Altersgrenze. Viele Profis wünschen sich, dass er weitermachen darf. Der DFB ist dagegen.

Manuel Gräfe bringt neuen Schwung in eine Debatte, die schon immer kontrovers geführt worden ist. Am Ende dieser Saison muss der 47 Jahre alte Bundesliga-Schiedsrichter aufhören, weil er die Altersgrenze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erreicht hat. Aber ist es sinnvoll, einen Referee auszusortieren, der herausragende Leistungen zeigt und alle Fitnesstests besteht, nur weil er ein bestimmtes Alter erreicht hat? Gerade nun in Zeiten, in denen der Videobeweis und die Auslegung der Handspiel-Regel wöchentlich für Verwirrung sorgen – und die Unparteiischen professionell wie nie trainieren?

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Der seit 2004 in der Bundesliga aktive Berliner gilt derzeit mit Deniz Aytekin (42) als bester deutscher Schiedsrichter. Beide erhalten regelmäßig „Kicker“-Topnoten. Die Spieler schätzen seine Kommunikation, Gräfe sorgt dafür, dass auch brenzlige Situationen nicht eskalieren. Freiburgs Kapitän Christian Günter etwa warb jüngst für Gräfe: „Ich würde da mal eine Lanze brechen und sagen: Lasst ihn bitte noch ein bisschen weitermachen.“

Schiedsrichter Manuel Gräfe fühlt sich noch immer fit

Der 1,97 Meter große Hüne hätte freilich nichts dagegen. „Bis jetzt fühle ich mich persönlich fit und konnte selbst dem hohen Tempo aller schnellen Top-Spiele dieser Saison problemlos folgen“, sagte Gräfe der „Sportschau“. Dass das Alter kein Ausschlusskriterium ist, Partien in Europas Elite-Ligen erfolgreich zu leiten, zeigen in der Premier League etwa Mike Dean (52) oder Martin Atkinson (50). Der Niederländer Björn Kuipers (48) bekam sogar von der Uefa eine Ausnahmeregelung, um noch an der Europameisterschaft im Sommer teilnehmen zu können.

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Doch der DFB bleibt im Fall Gräfe rigoros. „Die Entscheidung war für uns sehr schwierig“, erklärte Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich, betonte zuletzt aber in der Bild-Zeitung, dass es auch andere Meinungen zu diesem Thema gebe. Der Verband setze in der Ausbildung allerdings auf Fluktuation.

Das sei genau richtig, meint Markus Merk (59), zu dessen aktiven Zeiten (1988 bis 2008) Schiedsrichter-Ikone Pierluigi Collina (61) auch gegen die internationale Altersmarke von 45 Jahren vorgehen wollte. In seinem Freund aus Kaiserslautern aber fand er keinen Mitstreiter. Und das begründet dieser so: „Wenn sich jemand an seinen Posten klammert, werden die Aufstiegsmöglichkeiten für junge Schiedsrichter von unten nach nach oben immer rarer“, sagt der dreimalige Weltschiedsrichter Merk im Gespräch mit dieser Redaktion.

Der frühere Weltschiedsrichter Markus Merk.
Der frühere Weltschiedsrichter Markus Merk. © dpa | Julian Stähle

Die Basis brauche weiterhin den Reiz, sich hocharbeiten zu können. „Wenn man jetzt wegen eines Namens eine Ausnahme macht, werden bald Stimmen laut, die für den nächsten eine Ausnahme fordern – und dann wieder für den nächsten. Bei aller Innovation bin ich der Meinung, dass man dieses über jahrzehntelang funktionierende System nicht brechen sollte“, so Merk.

Einsätze als Videoschiedsrichter

Einen Qualitätsverlust wegen einzelner Personen, die die Altersgrenze erreichen, befürchtet der Leiter des EM-Finales von 2004 nicht. „Selbst als innerhalb von kurzer Zeit starke Jahrgänge mit Florian Meyer, Wolfgang Stark oder Peter Gagelmann und anderen die Altersgrenze erreicht hatten, war das in der Breite ein enormer Qualitätsverlust“, sagt Merk. „Auch den konnte man auffangen.“

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Neben Gräfe scheiden Guido Winkmann und Markus Schmidt im Sommer aus. Immerhin: Alle drei dürfen dann noch als Videoschiedsrichter weitermachen. Eine Disziplin, in der es nach den Erfahrungen der vergangenen Jahren durchaus Optimierungspotenzial gibt.