Duisburg. Das 1:2 gegen Nordmazedonien pulverisiert die Aufbruchstimmung beim DFB. Nun muss Trainer Joachim Löw erneut eine wichtige Entscheidung treffen.

Im Duisburger Stadion saß zu später Stunde ein Mann, der sich sehr sicher war, ziemlich vieles richtig gemacht zu haben – und der mit dieser Meinung nicht allein war. „Sehr geehrter Trainer“, so läutete der erste Journalist die Fragerunde an den Nationaltrainer ein. Und der schwärmte, dass seine Mannschaft das Land stolz gemacht hatte, dass seine Spieler Helden seien und dass er seinen Kritikern das Maul gestopft habe.

Igor Angelovski, der Nationaltrainer Nordmazedoniens, hatte guten Grund, ziemlich zufrieden zu sein, denn seine Mannschaft hatte nicht weniger als eine Sensation geschafft: 2:1 (1:0) in Deutschland gewonnen, beim übergroßen Favoriten in der WM-Qualifikationsgruppe J, nach drei Spielen und zwei Siegen sogar auf Platz zwei.

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Bundestrainer Löw machte Fehler - und die Spieler auch

Dahinter: die deutsche Nationalmannschaft, deren Trainer Joachim Löw entsprechend weniger selbstbewusst auftrat. Dieses 1:2 gegen den Fußballzwerg Nordmazedonien war nicht weniger als eine Blamage. Es war erst die dritte Niederlage einer deutschen Mannschaft in einem WM-Qualifikationsspiel, die vorangegangenen aber hatte es immerhin gegen die renommierten Fußballnationen Portugal und England gegeben – und deshalb kam auch niemand auf die Idee, Löw „sehr geehrter Trainer“ zu nennen.

Er hatte eine Aufstellung gewählt, die viele Beobachter rätseln ließ, mit Mattias Ginter, dem gelernten Innenverteidiger auf rechts und Emre Can, dem ungelernten Innenverteidiger innen. Auch vorne wirkte die Raum- und Aufgaben-Aufteilung unglücklich. Zu den Fehlern des Bundestrainers kam eine enttäuschende Leistung der gesamten Mannschaft, ohne Dynamik, ohne Tempo, ohne Ideen, ohne Engagement gegen den Ball.

Die Aufbruchstimmung ist dahin

Die unerwartete Niederlage wird nach Lage der Dinge die WM-Qualifikation der deutschen Mannschaft in dieser eher schwach besetzten Gruppe nicht verhindern. Aber sie hat andere, ebenso unschöne Folgen: Sie hat den Plan, vor der Europameisterschaft im Sommer eine Aufbruchstimmung zu schaffen, nicht nur empfindlich gestört, sie hat ihn zur Makulatur gemacht. Nach dem 0:6 gegen Spanien geht die deutsche Mannschaft zum zweiten Mal mit einem empfindlichen Rückschlag in eine längere Pause.

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Nach dem Spanien-Debakel hatte Löw die Flucht nach vorne angetreten, hatte seinen Abschied nach der Europameisterschaft angekündigt. Das könnte nun die Diskussion abfedern, ob der Bundestrainer sofort abgelöst gehört – im Sommer ist er ja eh weg.

Es herrscht wieder Tristesse beim DFB

Aber: Die zarte Aufbruchstimmung, die Löw mit seiner Ankündigung, einem neuen, konsequenteren Auftreten und zwei Siegen entfacht hatte, ist nun weg, keine drei Monate vor dem EM-Auftakt herrscht wieder Tristesse. Um eine neue Aufbruchstimmung zu erzeugen, wird Löw erneut eine fundamentale Entscheidung treffen müssen: Er muss die aussortierten Weltmeister Mats Hummels und Thomas Müller zurückholen.

Und das nicht nur der Stimmung wegen: Wer sah, wie die deutschen Offensivspieler auch in besten Positionen den Abschluss verweigerten, wie sie stattdessen noch einen und noch einen Querpass spielten und ziellos um sich selbst kreiselten, der wünschte sich einen Müller, der den Ball zur Not ins Tor gebrüllt hätte.

Die Mannschaft braucht starke Führungsspieler

Der teils konfuse Auftritt von Antonio Rüdiger, der zuletzt deutliche Schritte nach vorne gemacht hatte, geriet zu einem deutlichen Plädoyer für Hummels. Und wie die ganze Mannschaft von einem auf den anderen Moment völlig aus dem Tritt geriet - das schrie förmlich nach dem Einbau dieser starken Führungsspieler.

Mit drei Siegen in drei Spielen hätte Löw auch dieser Debatte deutlich die Fahrt nehmen können. Jetzt aber wird er gar nicht mehr drumherum kommen, Hummels und Müller zurückzuholen.