Essen. San Sebastian, Southampton und Sassuolo überraschen in ihren Ligen. In Deutschland sind die Üblichen vorne. Christian Ziege sagt: abwarten!
Während Amateurfußballer in Deutschland eine ungewöhnlich lange Winterpause befürchten, sieht Christian Ziege die Situation entspannter. Der Europameister von 1996 trainiert seit gut anderthalb Jahren den FC Pinzgau Saalfelden und weiß: Geduld ist angesagt. Schließlich pausiert die Salzburger Regionalliga auch in Jahren ohne Pandemie von November bis März – wer soll denn im Tiefschnee ordentlich kicken? „Daher ist das im Moment gar keine so ungewohnte Situation für uns“, sagt der Ex-Profi im Gespräch mit dieser Redaktion.
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Ungewöhnlich. Ja, das ist der Anblick der Tabellen mehrerer europäischer Top-Ligen in diesem Herbst. Leicester City Tabellenführer in England, der FC Southampton auf Rang vier. Sassuolo Calcio – vor Inter Mailand und Juventus Turin in der Serie A. Und erst mal Spanien! Real Sociedad San Sebastian Spitzenreiter vor Villareal, während der große FC Barcelona nur Achter ist. In Deutschland dagegen sind Bayern München, RB Leipzig und Borussia Dortmund auf den ersten drei Plätzen festgewachsen.
Christian Ziege kennt sich in vielen Ländern aus
Ziege, 48 Jahre Jahre alt, kennt die Ligen gut: zweimal Deutscher Meister mit den Münchenern, Uefa-Pokal-Sieger mit dem FC Liverpool, Italienischer Meister mit dem AC Mailand. Auch Spanien hat er im Blick, da war er mal Trainer, beim Drittligisten Atlético Baleares. Ist es in Europa wirklich überall spannender und abwechslungsreicher als in der Bundesliga? Ziege sieht es so wie mit dem langen, schneereichen Winter in den österreichischen Alpen: erst mal abwarten.
„Die Premier League geht erst im Dezember und Januar in die entscheidende Phase“, sagt er. Bei dem engen Terminplan bliebe kaum Zeit zur Regeneration. Und das in dieser kompakten Corona-Saison noch mal ein Stückchen intensiver. „Am Ende kommt es darauf an, wer Ausfälle, entweder verletzungs- oder coronabedingt, am besten verkraften kann“, meint Ziege.
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Das seien jene Teams mit Kadern, die auch in der Breite eine gewisse Klasse besitzen und ohne Qualitätsverlust rotieren können. „Das ist ein enormer Vorteil, weil die Belastung viel besser gesteuert werden kann“, meint der gebürtige Berliner. Ein Privileg, das zuletzt Manchester City und der FC Liverpool hatten – beide Klubs sind in dieser Saison ungewöhnlich stark von Verletzungen betroffen. ManCitys Gabriel Jesus konnte erst zwei Spiele bestreiten, in Liverpool fehlt die halbe Abwehr um Virgil van Dijk.
Ralph Hasenhüttl überzeugt mit dem FC Southampton
Nicht nur Ziege kann sich „gefühlt jeden Tag“ ein Spiel im Fernsehen anschauen, er kritisiert: „Das kann nicht gut sein, die Belastung der Spieler ist zu hoch. Da habe ich schon das Gefühl, es wird über die Köpfe der Spieler hinweg entschieden.“ Der FC Southampton mit Trainer Ralph Hasenhüttl dagegen hat keine internationalen Verpflichtungen, weniger Belastung. Und es sei „eine Mannschaft, die als Gruppe super funktioniert“, sagt Ziege.
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Der Blick nach Italien: Auch dort ist mit Sassuolo ein Klub ohne die ganz großen Namen vorne. In der vergangenen Saison war es Atalanta Bergamo. Ziege sieht den Vorteil, ähnlich wie bei Southampton, dass diese Klubs nicht so sehr von einzelnen Spielern abhängig seien. Dazu kommt: Juventus Turin hatte viele Ausfälle, darunter Abwehrchef Mathijs de Ligt. Cristiano Ronaldo fehlte wegen einer Corona-Infektion. Mitfavorit Inter Mailand hat eine lange Europa-League-Saison hinter sich, und Star-Angreifer Romelu Lukaku war verletzt. Die großen spanischen Klubs, Real und Barca, befinden sich im Umbruch – die große Chance für andere.
Christian Ziege: Union Berlin ist „Momentaufnahme“
Auch beim FC Bayern beginnen langsam die Verletzungssorgen bei Top-Spielern. Joshua Kimmich hat es erwischt. „Weitere Ausfälle sind auch für so eine Mannschaft nicht leicht zu verkraften“, meint Ziege.
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In der Bundesliga überrascht allenfalls Union Berlin in der erweiterten Spitzengruppe. Eine „Momentaufnahme“ sei das, da die hohen Belastungen in allen Ligen erst noch kämen. Dann hätten die guten großen Kader wieder einen Vorteil. Die Punkte-Abstände seien ja ohnehin marginal. Ein eindeutiges Bild ergibt sich dann wohl erst, wenn auch der FC Pinzgau Saalfelden wieder spielen darf. Im März, wenn der Schnee geschmolzen ist.