Essen. Das Coronavirus schleicht sich immer mehr in die Liga. Mit Hoffenheim ist ein komplettes Team in Quarantäne. Ein Mediziner warnt.

Viele Monate lang steuerte der Profifußball in Deutschland nahezu unbeschadet durch die Wogen der Corona-Krise. Nun aber trifft die zweite Welle der Pandemie die Klubs immer heftiger: Da sich mittlerweile acht Profis des Bundesligisten TSG Hoffenheim mit dem Virus infiziert haben, befindet sich das komplette Team in Quarantäne. Aber nicht nur die Sinsheimer sind in Sorge. Positive Tests und Verdachtsfälle bei abgestellten Nationalspielern, die aus Risikogebieten heimkehren, beschäftigen die komplette Liga. In der Bundesliga wächst nun die Sorge um den Spielbetrieb.

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Seit Wochen herrschte unter den Bundesligisten Unmut darüber, trotz rasant steigender Infektionszahlen Profis zu Länderspielen ins Ausland abzustellen. Wie groß das Risiko ist, zeigte sich nun am Mittwochabend in Istanbul. Dort hatte der Kroate Domagoj Vida gegen die Türkei (3:3) unwissentlich mit einer Corona-Infektion gespielt. In der Halbzeit des Testspiels wurde er auf ein potenziell positives Testergebnis hingewiesen und ausgewechselt, kurz nach Mitternacht bestätigte sich der Verdacht, wie der kroatische Fußballverband erklärte. Zuvor hatte er mit drei Bundesliga-Profis auf dem Platz gestanden: Neben den Wolfsburgern Josip Brekalo und Marin Pongracic (beide Kroatien) war es der Schalker Ozan Kabak (Türkei).

Nach Vida-Infektion: Kroatien reist wie geplant zum nächsten Spiel nach Stockholm

Unmittelbare Folgen auf das Bundesliga-Trio wird Vidas Infektion aber wohl nicht haben. Der türkische Verband teilte mit, dass am Donnerstag alle Profis negativ auf das Virus getestet worden sind. Auch die Kroaten erklärten, sich an das Hygienekonzept der Uefa gehalten zu haben. Deshalb reist der Vize-Weltmeister wie geplant zum kommenden Nations-League-Spiel nach Stockholm.

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Aber nicht nur beim Spiel in Istanbul herrschte Corona-Chaos. Rund um das Spiel zwischen Dänemark und Schweden waren es insgesamt sogar 20 Nationalspieler – darunter auch der Hoffenheimer Robert Skov –, die wegen einer Corona-Infektion abgesagt hatten oder wieder abreisen mussten. „Wir können uns die Häufung nicht erklären“, sagte Hoffenheims Sportchef Alexander Rosen am Mittwoch verzweifelt. „Wir halten uns seit Monaten akribisch und gewissenhaft an das Hygienekonzept. So kamen wir über Monate ohne einen einzigen positiven Fall durch die Pandemie, die uns nun knüppelhart trifft.“

Wegen Corona: Pharmakologe Sörgel spricht von "Ignoranz" mancher Vereine

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Für den Pharmakologen und Sportmediziner Prof. Fritz Sörgel hingegen ist die Ausbreitung des Virus keine Überraschung: „Auf dieses Szenario habe ich hingewiesen. Ich habe schon gestaunt über die Ignoranz mancher Vereine, die im September auf volle Stadien gehofft haben“, sagte er dieser Zeitung. „Das zeigt mir, dass man die Pandemie nicht ernst genommen hat. Jetzt sieht man, dass es in diesem Jahr keine Spiele mehr vor Zuschauern geben wird. Man wird froh sein müssen, wenn man diese Saison zu Ende spielen kann.“

Sörgel und auch einige Virologen sehen als Ursache der zunehmenden Fälle im Profifußball nicht in erster Linie den Kontakt auf dem Platz. „Im Frühjahr hat die Deutsche Fußball-Liga während der Geisterspiele die Meinung vertreten, dass es kein hohes Ansteckungsrisiko gibt. Aber jetzt haben wir eine andere Situation. Die Grundinfektion in der Bevölkerung ist so hoch, dass sie sich auch bei den Fußballern niederschlägt“, so Sörgel. „Die Pandemie wird zwangsläufig in die Blase hineingebracht. Wir haben in allen Bereichen der Gesellschaft Ermüdungserscheinungen mit den Maßnahmen, eine Infektion zu verhindern. Und Fußballer eben auch.“ Nach Meinung des Mediziners bestehe auch bei Profisportlern ein „gewisses Risiko“, sich am Arbeitsplatz anzustecken. Mit Blick auf die aktuellen Fallzahlen lasse sich dies „nicht verhindern“, so Sörgel.

Sensibilisierung der Profis: DFL in Austausch mit den Bundesligisten

Auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL), die für die Austragung der Bundesliga zuständig ist, weiß um diese Gefahr. Geschäftsführer Christian Seifert versucht Profis und Vereine deshalb zu sensibilisieren. Nach Informationen dieser Zeitung gibt es zu diesem Thema einen ständigen Austausch zwischen DFL und den Vereinen. „Jeder sollte sich als Teil der Gesellschaft verpflichtet fühlen, seinen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie zu leisten“, erklärte Seifert zuletzt im DFL-Magazin. Zu möglichen Auswirkungen der steigenden Corona-Fälle auf den Spielbetrieb wollte sich die DFL auf Nachfrage nicht äußern.

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Noch hofft die DFL, die Bundesliga wie geplant fortführen zu können – trotz all der Gefahren der Pandemie. Sicher scheint das nach der Häufung der Infektionen allerdings längst nicht mehr. Das Virus hat die Liga längst erreicht.