Essen. Thomas Müller präsentiert sich bei den Bayern seit Monaten in starker Verfassung. Die Tür zum DFB-Team scheint aber zu zu sein. Ein Kommentar.

Nun gibt es sogar Lob und Zuspruch vom Kaiser. Nach der historischen Gala gegen den FC Barcelona hat sich Bayern Münchens Ehrenpräsident Franz Beckenbauer (74) zu Wort gemeldet, um Thomas Müller (30) zu adeln und für eine Rückkehr in die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ins Gespräch zu bringen. „Thomas Müller sollte wieder für Deutschland spielen“, sagte Beckenbauer der „Bild“. Die Worte der Bayern-Legende haben nicht mehr das Gewicht früherer Tage, doch Beckenbauer steht mit seiner Meinung nicht alleine da. Die Stimmen, die ein DFB-Comeback Müllers fordern, werden lauter. Und das ist auch angebracht. Thomas Müller ist in dieser Form ein Thema für die Nationalmannschaft.

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Die sportlichen Argumente sprechen klar für den Bayern-Star. Müller ist in einer überragenden Verfassung. Er gehört zu den wichtigen Stützen der aktuell wohl besten Mannschaft der Welt. Seine Statistiken in der noch laufenden Saison sind phänomenal. Müller kommt auf 14 Tore und 26 Vorlagen in 48 Pflichtspielen. Die Bundesligasaison schloss er mit einem Vorlagen-Rekord (21) ab. Müller überzeugt bei den außerirdischen Bayern vor allem als Antreiber und Führungsspieler. Der Rio-Weltmeister ist unter Trainer Hansi Flick der zentrale Taktgeber hinter Stürmer-Star Robert Lewandowski.

Müller als Sündenbock für das WM-Debakel

Diese Rolle könnte er freilich auch wieder in der Nationalmannschaft einnehmen. Doch Bundestrainer Joachim Löw verweigert Müller nicht aus sportlichen Gründen den Weg zurück in das DFB-Team. Im März 2019 gehörte Müller genau wie Jerome Boateng und Mats Hummels zu den Spielern, die als Sündenböcke für das Total-Versagen bei der WM 2018 abgestempelt wurden. Das Trio sollte nicht mehr für Deutschland auflaufen, man wolle eine neue Mannschaft aufbauen. Die Endgültigkeit der Entscheidung überraschte damals und ist heute erst recht nicht mehr nachvollziehbar. Eine Pause wäre die sinnvollste Variante gewesen. Müller spielte in Russland (wie viele andere auch) eine schwache WM und hatte auch bei den Bayern eine schlechte Phase. Er wirke kraftlos und überspielt. Das Vertrauen von Flick und die fehlende Zusatzbelastung im DFB-Team scheinen ihn jetzt wieder beflügelt zu haben.

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Löw müsste sich und der Öffentlichkeit eingestehen, dass es ein Fehler war, Müller und möglicherweise auch Hummels komplett abzuschreiben. Nun womöglich stur zu bleiben, ist ein großer Fehler. Beckenbauer bemerkt treffend, dass ihm dabei "kein Zacken aus der Krone brechen" würde. Fußball ist ein Tagesgeschäft, Spieler haben gute und weniger gute Phasen. Und vor allem bei einem großen Turnier wie der EM im kommenden Jahr geht es auch darum, die formstärksten Spieler um sich zu haben.

Bayern-Block würde DFB-Team nicht schaden

Der Bundestrainer argumentierte zuletzt, dass Jungstars wie Leroy Sané oder Serge Gnabry ihre Chance verdient hätten und man das "nicht einfach so über den Haufen werfen" dürfe. Doch würde ein Thomas Müller in Bestform diesen Spielern im DFB-Team schaden? Das Gegenteil wäre eher der Fall. Gnabry, der neben Müller auf dem rechten Flügel auf einem extrem hohen Niveau spielt, profitiert bei den Bayern enorm von der Erfahrung und der Hilfe Müllers. Wie Sané mit beiden beim Rekordmeister harmoniert, dürfte bald beantwortet worden. Dazu kommen Sechser Leon Goretzka und Joshua Kimmich, der sich schon mehrmals für Müller stark gemacht hat. Ein Bayern-Block im DFB-Team hat sich in der Vergangenheit nicht häufig als schlechte Idee erwiesen.

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Zumal sich im Fall Müller die Frage stellt, wem der aktuelle Bayern-Profi hinter dem wohl gesetzten Stürmer Timo Werner den Weg versperren würde. Etwa dem dauerverletzten Marco Reus? Nadiem Amiri? Luca Waldschmidt? PSG-Bankdrücker Julian Draxler? Lediglich Kai Havertz und Julian Brandt könnten diese Position aktuell einnehmen. Weitere Kandidaten lassen sich aktuell nicht finden.

Thomas Müller hat eine erneute Chance in der Nationalmannschaft verdient. Er gehört in das DFB-Team. In welcher Rolle, darüber müsste er mit Bundestrainer Joachim Löw sprechen - sofern dieser überhaupt dazu bereit ist. Mehr Argumente als am Freitagabend gegen Barcelona kann Müller nicht liefern.