Essen. Profivereine zeigen Verständnis für die aufgeschobene Rückkehr der Fans in die Stadien. Amateurklubs geraten in Schwierigkeiten
Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) nahm den Korb der Politik am Morgen danach sportlich. Sie respektiere die Position der Gesundheitsminister aus Bund und Ländern in der gegenwärtigen Situation, es gebe „keine Forderungen in Bezug auf den Zeitpunkt der Zulassung oder die Anzahl von Stadionzuschauern“, teilte die DFL mit. Die Politik hatte zuvor das Hygienekonzept als derzeit nicht umsetzbar deklariert. Vor November sei mit Zuschauern im Stadion nicht zu rechnen.
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Damit bleibt auch der Dauerkarten-Verkauf der Profiklubs vorerst ausgesetzt. Hinter den Kulissen, so heißt es von verschiedenen Standorten, wird weiter an der Fan-Rückkehr und der Ticketvergabe gearbeitet. Wasserstandsmeldungen dringen aber vorerst nicht nach außen.
Gladbach gilt als Vorreiter
Borussia Mönchengladbach dürfte in der Planung am weitesten fortgeschritten sein: Wie in den vergangenen Jahren wurde der Dauerkartenverkauf nach 30.000 abgesetzten Tickets gestoppt. Sie gelten aufgrund der unklaren Zuschauersituation erst ab der Rückrunde und kosten die Hälfte des regulären Preises. Sollte bereits vorher wieder Publikum im Borussia-Park erlaubt sein, die Fan-Obergrenze allerdings unter 30.000 liegen, hätten die Jahreskarten-Besitzer ein Vorkaufsrecht auf die verfügbaren Tickets.
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Überraschend ist die klare Ansage der Gladbacher Verantwortlichen nicht. Die Borussia gilt bundesweit als Vorreiter in Sachen enger Kommunikation mit Fans auf Augenhöhe. An anderen Standorten können Vertreter der Kurve dagegen froh sein, wenn sie bei der Diskussion über Tickets überhaupt mit am Tisch sitzen dürfen.
BVB und Schalke: Verkauf ausgesetzt
Bei Schalke 04 oder Borussia Dortmund ruht der Dauerkartenverkauf, Geld wurde von den Fans nicht eingezogen. „Das ist erst wieder möglich, wenn alle Zuschauer ins Stadion dürfen“, sagte Carsten Cramer, Marketinggeschäftsführer des BVB bereits. „Aber natürlich sind die Dauerkarten-Inhaber auch unsere ersten Ansprechpartner, wenn es darum geht, das reduzierte Kontingent zu vergeben.“ Im Dialog mit den Fans soll geklärt werden, wie mit einer Teilzulassung umzugehen ist. Bewerbungen, Verlosung, eine Aufteilung in unterschiedliche Gruppen – all das ist denkbar, wenn es um ein Szenario zur Fan-Rückkehr geht. Man will auf Tag X vorbereitet sein. Der VfL Bochum und der MSV Duisburg wollen das Ticketthema nicht öffentlich diskutieren, verweisen auf interne Prozesse.
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Die Profivereine zeigten sich nach der ersten Politikabfuhr ohnehin verständnisvoll. „Die Politik gibt im Rahmen der Corona-Pandemie die Leitplanken vor, nicht der Fußball. Es gibt selbstverständlich auch keine Forderungen seitens der Klubs. Wir bereiten uns lediglich auf alle Eventualitäten vor, denn das ist unsere Aufgabe“, teilte der BVB auf Anfrage mit. Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider erklärte: „Mit zielführenden Konzepten werden wir uns weiterhin bestmöglich auf eine schrittweise Rückkehr zur Normalität vorbereiten.“ Ilja Kaenzig, Sprecher der Geschäftsführung des Zweitligisten VfL Bochum, sagte: „Bei Spielen im Ruhrstadion darf es keine Gefährdung der Bevölkerung geben. Das hat oberste Priorität.“ Auch die 3. Liga, in der der MSV Duisburg spielt, hat am Dienstag über die Fan-Rückkehr diskutiert. Ergebnis: Man wartet ab.
Neue Bewertung Ende August
Dass sich kein Klubvertreter weit aus dem Fenster lehnen wollte, ist nachvollziehbar. Die Gesundheitsminister sprachen am Montag nur eine Empfehlung in der Zuschauer-Frage aus. Bindend ist sie nicht. Ende August könnte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit seinen Amtskollegen die Corona-Situation neu bewerten, sich das politische Klima in Richtung Fan-Rückkehr wandeln.
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Deutlich besorgter haben die Vereine der unteren Spielklassen die negativen Signale aus der Politik aufgenommen. Sie sind zwingend auf eine Rückkehr der Zuschauer in die Stadien angewiesen, weil sie ihre Einnahmen überwiegend aus dem Ticketverkauf generieren. Die DFL-Klubs verdienen dagegen das meiste Geld durch die TV-Verträge. Regionalligist Rot-Weiß Oberhausen hat bislang 700 Dauerkarten verkauft. Bis Ende des Jahres werden maximal 300 Fans – wie bei Amateurvereinen in der Kreisliga – ins Stadion Niederrhein kommen dürfen. Mehr erlaubt die Corona-Schutzverordnung nicht. „Wie wir die 300 aussuchen, das steht noch nicht fest“, sagte Präsident Hajo Sommers im Gespräch mit dieser Redaktion. „Wir hoffen zudem, dass alles nur für die Zeit bis Ende des Jahres gilt und wir vielleicht im neuen Jahr mehr Zuschauer begrüßen dürfen.“
RWO: Sommers warnt vor Geisterspielen
Noch verbieten die Statuten Geisterspiele in der Regionalliga West. Bei einem Verbandstag könnte die Regel abgeändert werden. „Wenn es so kommt, sind wir mausetot. Denn da haben wir nicht nur keine Zuschauereinnahmen, dann zahlen auch die Sponsoren nicht“, betonte Sommers. Dann müsste Oberhausen einen Internet-Stream organisieren, um den Sponsoren eine Gegenleistung zu bieten.
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Bei Rot-Weiss Essen ist die finanzielle Abhängigkeit von Kartenverkäufen nicht so dramatisch wie bei RWO. Die Essener haben ein Konzept geplant, das bis zu 5000 erlauben würde. „Mit dieser Zielgröße könnten wir immerhin alle letztjährigen Dauerkarteninhaber und damit unsere treusten Fans bedienen, womit wir im ersten Schritt mehr als zufrieden wären“, sagte RWE-Vorstand Marcus Uhlig.
Wie passt das mit einem geplanten Konzert im Düsseldorfer Stadion zusammen? Für Uhlig gar nicht. „Wenn das Konzert wirklich genehmigt wird und wir am ersten Spieltag gegen Wiedenbrück nicht vor weniger als der Hälfte dieser 13.000 spielen dürfen, dann ergeben sich Fragen“, sagte er. „Fußball und Kultur sollten sich nicht gegeneinander ausspielen lassen.“