Frankfurt. Im Kampf um die TV-Gelder begehren die kleinen Bundesliga-Klubs auf. Sie wollen den Verteilungsschlüssel ändern. Worum es geht.
Es dauert noch eine ganze Weile, bis in der Bundesliga der Ball rollt. Startschuss ist erst am dritten September-Wochenende, aber hinter den Kulissen hat längst ein Spiel begonnen, dessen Ausgang für den durch die Corona-Krise zu wirtschaftlichen Einschnitten gezwungenen Profifußball enorm wichtig ist: Wie werden künftig die leicht absinkenden Fernsehgelder verteilt?
Als Christian Seifert den neuen Vierjahresvertrag ab der Saison 2021/2022 mit einem Gesamtvolumen von 4,4 Milliarden Euro präsentierte, ahnte der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) schon, dass die „Debatte um die Geldverteilung mindestens so intensiv wie die über die Auktion“ werde. Jetzt wird mit Vehemenz ein komplett anderes Verteilungsmodell verlangt: gleiches Geld für alle nämlich.
So argumentieren gleichlautend die Vorstände Thomas Röttgermann (Fortuna Düsseldorf) und Jan Lehmann (FSV Mainz 05). Zwei Finanzfachleute, von denen der eine aus der Sportvermarktung kommt (Röttgermann), der andere selbst bei der DFL an der Rechteausschreibung mitgearbeitet hat (Lehmann). Düsseldorfs Vorstandsvorsitzender Röttgermann möchte über einen „grundsätzlichen Prinzipienwechsel“ reden. Auch der Mainzer Finanzvorstand Lehmann möchte den Automatismus der immer weiter auseinander driftenden Fernsehgelder stoppen. „Wir wollen wieder mehr sportlichen als wirtschaftlichen Wettbewerb.“
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Die Schere in der Bundesliga geht auseinander
Nächste Saison würde nach Berechnungen des Fachmagazins „Kicker“ der FC Bayern aus der nationalen Vermarktung mehr als 70 Millionen Euro, Aufsteiger Arminia Bielefeld knapp 30 Millionen bekommen. Lehmann weist darauf hin, unbedingt Gelder aus der internationalen Vermarktung dazuzurechnen, die von der DFL vorrangig an die Europapokalteilnehmer ausgeschüttet werden: Dann betrage das Verhältnis zwischen dem Tabellen-18. und dem Meister nicht 1:2, sondern sogar 1:4. Aus seiner Sicht ergibt das derzeit über ein Vier-Säulen-Modell angewandte Leistungsprinzip gar keinen Sinn mehr, weil in jüngerer Vergangenheit die opulenten Ausschüttungen der Uefa für die Champions-League-Vertreter massiv in den nationalen Wettbewerb eingegriffen haben. Mit der Folge, dass in ganz Europa fast immer dieselben Klubs den finanziellen Rahm abschöpfen. Ein Teufelskreis, der die nationalen Wettbewerbe zerstört, wie Lehmann findet.
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Vier der fünf europäischen Top-Ligen sind tatsächlich längst zu Monokulturen verkommen, in der immer dieselben Klubs Meister werden: Der FC Bayern (Deutschland), Juventus Turin (Italien), Paris St. Germain (Frankreich) und Real Madrid oder FC Barcelona (Spanien). Nur England macht bei dieser Eintönigkeit nicht mit. Die Frage muss erlaubt sein, ob der FC Bayern mit seiner achten Meisterschaft in Serie in der vergangenen Saison wirklich mehr geleistet hat als der SC Freiburg, der mit einem Bruchteil des Budgets Achter wurde?
BVB soll knapp 70 Millionen Euro kassieren
Bei den großen Klubs sieht man das naturgemäß anders. Beispiel Borussia Dortmund, das in der kommenden Saison knapp unter 70 Millionen Euro kassieren soll. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke mahnt im Gespräch mit dieser Redaktion zwar, dass man „nicht mit Vorfestlegungen in Gespräche gehen“ sollte und erwartet, dass allen „an einer fairen und ausgewogenen Lösung gelegen“ sei. Aber er lässt auch durchblicken, dass eine faire Lösung in seinen Augen bedeutet, dass die Klubs mit großer Strahlkraft, die maßgeblich dafür sorgen, dass viel Geld verdient wird, davon auch mehr abbekommen sollten als andere: „Die Auslandserlöse steigen, dafür gibt es Gründe, und die werden sicher berücksichtigt“, sagt er. Was er nicht sagt: Dass die Auslandserlöse steigen, liegt eher an dem BVB und den Bayern als an Mainz und Düsseldorf.
Solche Gedanken sollen die Vereinsvertreter nun auf drei Regionalkonferenzen vortragen, wenn über den Verteilerschlüssel erstmals beratschlagt wird. Die Termine dazu stehen noch nicht fest: Erst Ende des Jahres soll ein Beschluss gefasst werden, den die Mehrheit der 36 Lizenzvereine trägt.
Das DFL-Präsidium entscheidet
Die Entscheidung trifft das neunköpfige DFL-Präsidium, in dem sich die Machtverhältnisse verschoben haben. Fünf der sieben Klubdelegierten vertreten die Interesse des Mittelstandes, der kleineren Vereine inklusive zweiter Liga: namentlich Alexander Wehrle (1. FC Köln), Oliver Leki (SC Freiburg), Steffen Schneekloth (Holstein Kiel), Rüdiger Fritsch (SV Darmstadt 98) und Oke Göttlich (FC St. Pauli). Auffällig, dass sich das Quintett zum Thema bisher zurückhält, aber Göttlich hat schon vor Beginn der Pandemie wiederholt ein radikales Umdenken angeregt. „Es ist die Aufgabe des Präsidiums zu entscheiden, was für die Liga – und nicht für Klubs – das Beste ist“, meint Watzke dazu.
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Die Gleichverteilung aller Medienerlöse ist eine Extremforderung, die bei realistischer Betrachtung keine Chance hat. Aber wenn als Kompromiss ein fixer Sockelbetrag – wie übrigens in der englischen Premier League – herauskäme, so dass 50 Prozent aller TV-Gelder unabhängig von Tabellenplätzen ausgeschüttet würden, wäre schon viel gewonnen. Bundesligisten wie der FC Augsburg oder Werder Bremen unterstützen diesen Ansatz.
Corona-Pandemie hat ein Versprechen abgerungen
Schafft es eine Mehrheit, das Rad gegen den Widerstand der Großen zurückzudrehen? Unter dem Gleichheitsprinzip wurde bis Ende der 90er-Jahre das Fernsehgeld verteilt, als die wenigsten Bundesligaprofis eine Millionengage kassierten. 255 Millionen Mark betrug der gesamte Rechtepreis in der Saison 1998/99. Rund zehn Millionen Mark kassierte jeder Erstligist, die Zweitligisten bekamen etwa die Hälfte. Wichtigster Anbieter war Sat1 mit seiner Fußballshow „ran“. Heute ist das Potpourri derjenigen, die als Produzenten die Ware Bundesliga vermarkten, so bunt wie einst das Outfit des Ran-Moderators Reinhold Beckmann.
Die Rückkehr zu dem Status quo aus dieser Epoche hätte schon deswegen enormen symbolischen Wert, weil sich zwischen 1990 bis 1999 tatsächlich fünf Vereine bei der Schalenvergabe abwechselten. Vier Mal jubelte damals der FC Bayern, aber zwei Mal funkte noch der 1. FC Kaiserslautern dazwischen. Seit 2013 ist die Liga von der Langeweile an der Spitze infiziert. Die Corona-Pandemie hat ihr das Versprechen abgerungen, mehr für ein nachhaltigeres Wirtschaften zu tun. Unter dieser Prämisse gleich auch mehr Gerechtigkeit bei der wichtigsten Einnahmequelle walten zu lassen, wäre eigentlich kein schlechtes Signal.