Essen. DFB, DFL und Klub-Bosse wollen exorbitante Gehälter verhindern. Die populärste Lösung verstößt gegen EU-Recht. Es gibt eine andere Option.

Max Eberl hat in der Corona-Krise gelernt, als Sportdirektor eines Bundesligisten zu sparen. 40 Millionen Euro weniger wird der Champions-League-Teilnehmer am Ende des Jahres zur Verfügung haben. Deshalb gibt Eberl dieser Tage immer wieder Denkanstöße. Ein „Cash Fonds“ beispielsweise könnte notleidende Klubs absichern. Eberls neuerster Vorschlag: Die Kadergröße minimieren. „Das könnte die Kostenseite entlasten“, sagte der 46-Jährige im Fachmagazin Kicker.

* Personalkosten aller Bundesliga-Klubs für Spieler wie München-Zugang Leroy Sané, BVB-Kapitän Marco Reus und Bayern-Topverdiener Robert Lewandowski (von links), Trainer sowie Betreuerstab. Quelle: DFL
* Personalkosten aller Bundesliga-Klubs für Spieler wie München-Zugang Leroy Sané, BVB-Kapitän Marco Reus und Bayern-Topverdiener Robert Lewandowski (von links), Trainer sowie Betreuerstab. Quelle: DFL © Getty/2, DPA / Grafik: Seric Kuzoluk

Eberl ist nicht der einzige, der die Erkenntnisse aus dem situationsbedingten Notzustand im deutschen Fußball nicht ungenutzt lassen will. DFB und DFL haben Reformpläne angekündigt. Der Themenplan „Fußball nach Corona“ ist lang: Gerechtere Verteilung der TV-Gelder, stärkerer Fokus auf gesundes Wirtschaften der Klubs, den Fußball zurück zu den Fans bringen. An letzteres ist ein weiteres Vor-Corona-Thema der kritischen Auseinandersetzung geknüpft: Die exorbitanten Gehälter der Fußballprofis eindampfen.

Sané verdient bei Bayern München Millionen-Gehalt

Viel wurde gespottet, als Bayern-Wunschspieler Leroy Sané angeblich aus Respekt vor der derzeitigen Situation auf einige Millionen Gehalt verzichtet haben soll. Immerhin bezieht der Nationalspieler laut Medienberichten noch 17 Millionen Euro. Das Durchschnittsgehalt eines Vollzeitbeschäftigten in Deutschland lag 2019 bei 3994 Euro brutto im Monat. Zwei Drittel der Deutschen verdienen weniger.

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Eine Lösung für diesen Missstand wird derzeit von nahezu jedem Funktionär aufgegriffen: die aus dem US-Sport bekannte Gehaltsobergrenze („Salary Cap“). DFB-Präsident Fritz Keller ist einer der prominentesten Befürworter einer Kehrtwende: "Provisionen für Spielerberater und immense Transfersummen irritieren die Gesellschaft zunehmend und entfremden sie von unserem geliebten Sport“, sagte er jüngst. Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge sicherte ihm seine Unterstützung zu. Und auch DFL-Chef Christian Seifert will das Thema angehen. „Wenn es möglich ist, Managergehälter zu deckeln, dann muss es auch möglich sein, Gehälter von Beratern und Spielern zu deckeln“, sagte er der FAZ.

Der Bundestag hat Ende 2019 eine Gehaltsobergrenze für Manager beschlossen. Börsennotierte Unternehmen müssen den Verdienst der Spitzenmanager künftig deckeln. Aber geht das auch im Fußball?

Anwalt: Einführung auf nationaler Ebene nicht sinnvoll

Rummenigge ist zwar Kellers Ansicht, doch er hat schon darauf hingewiesen, dass eine solche Gehaltsobergrenze nicht mit geltendem EU-Recht vereinbar sei. Diese Auffassung vertritt auch der auf Sportrecht spezialisierte Anwalt Martin Schimke. „Es wäre sicherlich ein probates Mittel, um den Profi-Fußball gesund zu wirtschaften. Aber auf nur nationaler Ebene ist die Einführung einer Gehaltsobergrenze nach meiner Meinung nicht sinnvoll. Wenn, dann muss das auf europäischer Ebene beschlossen werden", sagt der Richter am Internationalen Sportgerichtshof Cas. „Aber bis dahin ist es noch ein langer dorniger Weg“

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Das Problem: „Mit einer Gehaltsobergrenze werden mehrere europäische Grundrechte eingeschränkt: Es kommt zu Beschneidungen der Vertragsfreiheit, der Berufs-bzw. Arbeitnehmerfreiheit und des freien Wettbewerbs“, sagt Schimke. In der Praxis sei eine Gehaltsobergrenze zwar einführbar – beispielsweise durch die DFL oder die Uefa, doch vor Gerichten kaum haltbar. „Dafür gibt es einen Drei-Stufen-Test: Verfolgt die Gehaltsobergrenze ein legitimes Mittel? Ist die Einführung zwingend notwendig? Ist sie verhältnismäßig?“, nennt der 61-Jährige drei Anforderungen. „Allein schon weil der Fußball ein internationaler Markt ist und der Wettbewerb dadurch erheblich beeinträchtigt würde, ist das sehr zweifelhaft.“

Tarifvertrag als Möglichkeit in Deutschland

Die Diskussion über Gehaltsobergrenzen – mehr Wunsch als Realität? Es gibt zumindest eine andere, nationale Option: Den Tarifvertrag. In ihm könnten Gehaltsgrenzen festgeschrieben werden, nach oben oder nach unten. Die Spielergewerkschaft VDV setzt sich seit langem dafür ein. „Eine für die Klubs verbindliche Salary-Cap-Lösung ließe sich in Deutschland gegenwärtig nur auf tarifvertraglicher Grundlage umsetzen“, sagt Geschäftsführer Ulf Baranowsky.

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Für den Tarifvertrag müssen Schimke zufolge zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen müsse die Spielergewerkschaft „stark und sozialmächtig genug“ sein, sagt der Düsseldorfer Arbeitsrechtler. Laut Kicker haben sich Fußball-Profis um BVB-Profi Mats Hummels zusammengetan, um eine neue Spielergewerkschaft zu gründen. Ob sie stark genug ist und ob Gehaltsobergrenzen ein Thema sind, wird sich zeigen. Aber weist noch auf eine andere Bedingung hin: Wer soll der Vertreter auf Arbeitgeber-Seite sein, mit dem der Tarifvertrag ausgehandelt? Der DFB scheidet aus, weil er kein Arbeitgeberverband ist, sondern ein Dachverband der Regionalverbände, die DFL, weil die Mitgliedschaft für die Klubs der Ersten und Zweiten Liga zwingend und nicht freiwillig ist.

Schalke verordnet sich selbst eine Gehaltsobergrenze

Momentan scheint es deshalb nur eine Lösung zu geben: Die Klubs verordnen sich selbst eine Gehaltsobergrenze. „Das ist eine ganz normale Budgetierung in der freien Marktwirtschaft“, sagt Schimke. Schalke hat es vorgemacht und aus finanziellen Gründen die Gehälter auf angeblich 2,5 Millionen Euro gedeckelt. Ein Anfang. Wenn auch ein dorniger.