Essen. Finanziell ist Borussia Dortmund dem FC Schalke weit enteilt - uneinholbar? Nein, sagt ein Sportökonom. Auch große Lücken lassen sich schließen.

Niemand weiß so recht, was ihn erwartet: Zehn Wochen ohne Fußball, nur gut eine Woche Mannschaftstraining, kein einziges Testspiel – es ist schwer zu sagen, wer sportlich im Vorteil ist im 180. Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 am Samstag (15.30 Uhr/Sky).

Auf einer anderen Ebene stellt sich die Frage gar nicht mehr: Wirtschaftlich ist der BVB Schalke längst enteilt, kam bislang auch deutlich besser durch die Corona-Krise – auf Kurzarbeit für seine Angestellten etwa konnte Dortmund verzichten. „Der BVB hat finanziell und auch sonst wirklich gute Strukturen geschaffen“, sagt Daniel Weimar, Sportökonom an der Universität Duisburg -Essen. Der 36-Jährige befasst sich schon seit langem mit den Finanzen von Fußballklubs. es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen dem finanziell gesunden BVB, der vor der Corona-Krise schuldenfrei war, Rücklagen angehäuft und ein Eigenkapital von 300 Millionen Euro aufgebaut hatte – und auf der anderen Seite den Königsblauen, die laut Konzerngeschäftsbericht 2019 fast 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten drücken.

BVB zeigt: Man kann Lücken schließen

Lässt sich ein solcher Rückstand jemals wieder wettmachen, oder ist der BVB auf Dauer enteilt? „Es ist absolut möglich, auch große Lücken wieder zu schließen“, sagt der Ökonom und nennt einige Positiv-Beispiele. „Borussia Mönchengladbach hat sich über viele Jahre hinweg deutlich gesundet. Auch Dortmund stand ja vor 15 Jahren am Abgrund. Uli Hoeneß hat mit einem Kredit aushelfen müssen, damit der Klub nicht in die Insolvenz abrutscht. Und heute ist Dortmund der finanziell zweitstärkste Verein in Deutschland.“ Leicht sei das allerdings nicht: „Das kann sich schon über natürlich mehrere Jahre ziehen, sich so zu gesunden. Dazu muss man aber im ersten Schritt die eigenen Ansprüche reduzieren und dann ein gutes Management aufbauen.“

Möglich wird das durch viele Effekte, die es im teils vom Zufall geprägten Sportwettbewerb gibt – und in der Realwirtschaft nicht. Der Trainer, der für gleiches Geld mehr aus der Mannschaft herausholt etwa. Der Ball, der nicht an den Pfosten, sondern ins Tor fliegt. Die Champions-League-Qualifikation oder gar die Meisterschaft, die unerwartet kommt – und damit große Einnahmen durch die Champions League. „Dann ist es möglich, sich innerhalb ganz kurzer Zeit zu gesunden“, sagt Weimar. „Die Frage ist, ob man das als Einmal-Effekt verbucht und dann weiter konservativ plant.“ Was im Fußball eher selten passiert. „Aber nach meiner Erfahrung ist es dann meistens doch so, dass man oben dabei bleiben will. Und dann geht das Rattenrennen los, man will mehr leisten und kauft teure Spieler.“

Warum Fußballklubs kaum Rücklagen bilden

Das nämlich ist eine weitere Eigenheit der Fußballbranche: Der relative Wettbewerb zwischen den Konkurrenten, der Kampf um die Tabellenplätze ist enorm – und das treibt die Ausgaben. Geld auf der Bank nutzt den Vereinen dabei wenig, es wird im Zweifel eher in einen Mittelstürmer investiert. Denn ein Abstieg ist im Zweifel noch einmal teurer, weil sich auf einen Schlag die Einnahmen deutlich reduzieren – auch diese Effekte gibt es außerhalb des Sports so meistens nicht.

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„Fußballunternehmen sind nicht dafür geschaffen, eine große Menge liquide Mittel parat zu halten, denn liquides Kapital wird in Spieler investiert“, erklärt der Ökonom. Entsprechen eng sind die Etats gestrickt: „Schon 2018 haben 20 Prozent der Erst- und Zweitligisten negatives Eigenkapital ausgewiesen und waren strukturell überschuldet. In der dritten Liga waren es 40 Prozent, in der vierten Liga wahrscheinlich noch mehr.“ Weimar spricht von einer „finanziell ungesunden Struktur“ bei vielen Klubs. Sprich: Schon vor der Corona-Krise waren die Finanzen derart problematisch, dass es wenig verwundert, dass viele Klubs in arge Nöte gerieten.

Ruinöser Wettkampf in der 3. Liga

Wobei die Situation in der Bundesliga deutlich entspannter ist als in den unteren Klassen: „Gerade für die kleinen Klubs in der Bundesliga wie Freiburg und Augsburg gibt es keinen Aufstieg mehr. Sie könnten die Meisterschaft anvisieren, aber sie müssen nicht“, sagt Weimar. „Die Fans sind zufrieden, wenn sie in der ersten Liga spielen. Das sind sie in der 3. Liga aber nicht. Man will immer hoch. Das treibt dann immer die Entscheidungen zu Überinvestitionen. Deswegen ist die Liquidität in der ersten Liga besser als in der zweiten und in der zweiten besser als in der dritten.“

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Gerade die Grenze zwischen zweiter und dritter Liga sei hochgefährlich für die Klubs. Vom einen auf den anderen Tag brechen die Einnahmen deutlich ein, auf der anderen Seite aber bleiben große Kostenblöcke: langfristige Verträge mit Mitarbeitern oder Stadionbetreibern oder Nachwuchsleistungszentren. Die will kein Klub aufgeben, der hofft, in einem oder zwei Jahren wieder aufzusteigen. „Das“, sagt Weimar, „macht den Kampf so ruinös und so teuer.“

Für Traditionsklubs wie RWE und RWO wird es teuer

Die Schwierigkeiten zeigen sich beim Vergleich der beiden Traditionsvereine 1. FC Köln und 1. FC Kaiserslautern, die beide ein Stadion nutzen, das knapp 50.000 Zuschauer fasst. „Aber Kaiserslautern kann es kaum refinanzieren, während es für Köln total günstig ist“, erklärt Weimar. „Das ist das Problem der 3. Liga: Wenn man dort festhängt mit Strukturen, die eigentlich zweit- oder erstligawürdig sind, wird es teuer.“

Und besonders teuer wird es derzeit für Traditionsklubs in den Niederungen des Fußballs, die größere Strukturen haben. Der Ökonom nennt als Beispiele neben Kaiserslautern, 1860 München, Rot-Weiss Essen oder Rot-Weiß Oberhausen. „Diese Vereine haben gelernt oder sich so aufgestellt, dass sie viel stärker über die Zuschauer-Einnahmen leben als über Sponsoren“, sagt er. „Daher brechen die Einnahmen nun viel stärker ein.“