Essen. Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp wird am Sonntag 80. Vielen Fußballfans gilt er als Feindbild. Wegbegleiter aber beschreiben eine ganz andere Seite.
Jochen Rotthaus kann sich noch genau erinnern an den ersten Anruf, an die erste Begegnung mit Dietmar Hopp. Damals, 2006, war der gebürtige Essener Marketing-Geschäftsführer beim VfB Stuttgart, zu dieser Zeit noch eine große Nummer im deutschen Fußball.
Und nun war da dieser Software-Milliardär aus dem Kraichgau, der nicht viel mehr zu bieten hatte als einen recht unbekannten Regionalligisten mit einer Handvoll Angestellten und den Traum vom Bundesligafußball. „Schon nach dem ersten Gespräch war es schwierig, seinem Wunsch zu widerstehen“, sagt Rotthaus dieser Zeitung. „Er hat sehr klar und schnörkellos, aber mit viel Elan diese Vision formuliert, aus der TSG Hoffenheim ein modernes Fußball-Unternehmen zu entwickeln und in der Region für die Region ein Stadion zu bauen. Er hat das mit so viel Begeisterung und Leidenschaft herübergebracht, dass mir schnell klar war: Das lässt mir keine ruhige Minute mehr.“
Bis in die Champions League
Damals begann der Aufstieg des Dorfklubs bis in die Champions League. Ein Aufstieg, der seinen Förderer in ganz Deutschland bekannt, aber bei Fußballfans nicht unbedingt beliebt machte. Am Sonntag wird Dietmar Hopp 80 Jahre alt – und auch der Bundespräsident gratuliert: „Was schreibt man einem Jubilar, dessen Wirken und Leben eine ganze Bibliothek füllen kann?“, fragt Frank-Walter Steinmeier. „Das, was Sie in Ihrem Leben erreicht haben, vermag selbst ein Bundespräsident nicht in einen kurzen Glückwunsch zu fassen.“
Die Feier wird ganz anders ausfallen als geplant: „Meine Frau und ich wollten mit unseren Kindern und Enkeln über ein verlängertes Wochenende nach Terre Blanche in Südfrankreich fahren, um in kleiner Runde den 80. zu feiern“, sagt der Jubilar. Doch wegen der Corona-Pandemie wird daraus nichts. „Aber wir wohnen, durch eine Wiese getrennt, in der Nachbarschaft mit den Enkeln, sodass wir uns wenigstens sehen und zuwinken können.“
Der Frankreich-Urlaub mit Ehefrau Anneliese und den Söhnen Daniel und Oliver hätte dem Mehrheitseigner der TSG auch eine kurze Ruhepause bescheren sollen. Denn in den Wochen, bevor Corona den Profifußball zum Stillstand brachte, stand Hopp im Mittelpunkt einer Auseinandersetzung, die den Fußball zu zerreißen drohte. Er war zur Zielscheibe der Kommerzkritik geworden – auch ganz buchstäblich auf Fanplakaten, wo ein Fadenkreuz über seinem Kopf lag. Es kam zu Spielunterbrechungen, es drohten Spielabbrüche, was wiederum die Anhänger aufbrachte: Sie hatten den Eindruck, dass Beleidigungen gegen einen Mäzen schwerer geahndet würden als rassistische Ausfälle auf den Rängen.
Es war eine Auseinandersetzung, die auch Hopp mit angeheizt hatte durch Strafanzeigen gegen BVB-Anhänger, die die fast schon eingeschlafenen Proteste neu befeuerten.
Die Proteste versteht er nicht
Menschen, die lange mit ihm zusammenarbeiten, berichten, dass der Milliardär den Protesten recht fassungslos gegenüber steht. Er könne überhaupt nicht verstehen, warum ihm aus Fankurven eine derartige Abneigung entgegen schlägt.
Über die Jahre hat der Gründer des Software-Konzerns SAP mit seiner Stiftung insgesamt rund 800 Millionen Euro für gemeinnützige Zwecke gespendet. Dafür wurde er vor allem in seiner Heimatregion gefeiert, wohin er auch kam. Nur im Fußball, nur mit der TSG Hoffenheim, in die er nicht einmal die Hälfte dieser Summe steckte, war das anders – zumindest später, als der Erfolg kam.
„Dietmar Hopp ist auch ein Menschenfänger“
Am Anfang stand die Kreisliga. 1989 war die TSG aus der Bezirksliga abgestiegen – und Hopp beschloss zu helfen: „Er wollte dort etwas zurückgeben, wo er geboren ist“, erzählt Rotthaus. „Seinem Heimatklub, wo er als kleiner Junge erstmals Fußball gespielt hat.“ Erst ging es gemächlich aufwärts, Stück für Stück, Liga für Liga – bis 2006 der Traum von der Bundesliga reifte: „Er wollte auch deshalb so gerne Bundesliga-Fußball in die Region bringen, damit die vielen Jugendlichen, die im Umkreis Fußball spielen, eine Motivation und ein Ziel haben“, erklärt Rotthaus.
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Es kamen Ralf Rangnick als Trainer, der ehemalige Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters als Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung und Jan Schindelmeiser als Manager – alle ebenfalls angefixt von Hopps Plänen. „Er ist auch ein Menschenfänger“, sagt Rotthaus, der den Aufstieg acht Jahre lang als Geschäftsführer miterlebte. „Es war von Anfang an zu spüren, dass er uns viele unternehmerische Freiheiten gibt, dass er keiner ist, der immer den Chef-Gesellschafter heraushängen lässt. Aber er weiß sehr genau, was er tut, und er hat immer alles im Blick gehabt, was im Klub passiert.“
Väterlicher Freund – und gleichzeitig distanziert
Hopp habe ein großes Gespür für Menschen und große Hilfsbereitschaft: „Er hat sehr oft die richtigen Leute für die jeweiligen Aufgaben geholt und ihnen eine große Freiheit gegeben. Er war jederzeit ansprechbar und für uns gleichzeitig eine Art väterlicher Freund, gleichzeitig aber ein distanzierter, analytisch nüchtern denkender Mensch.“
Wie in einem Startup-Unternehmen soll es damals zugegangen sein in Hoffenheim, so mancher, der dabei war, schwärmt vom Geist des Aufbruchs – und von der großen Leidenschaft, die den Geldgeber mit den Angestellten verbindet. „Er ist ein Hardcore-Fußballfan“, erklärt Rotthaus. „Er schaut wirklich jedes Spiel gerne. Bei Trivial Pursuit würde er uns beim Thema Fußball alle alt aussehen lassen. Er konnte damals aus jeder Saison und jedem Spiel jedes Tor nacherzählen. Das ist seine Leidenschaft.“
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Mit Bratwurst auf der Tribüne
In Hoffenheim kursieren heute noch Geschichten aus den Jahren in den Niederungen des deutschen Fußballs, als gastgebende Klubs hektisch Tische zusammenschoben und Garagen zu VIP-Räumen umfunktionierten, weil der Milliardär mit seinem Klub kam. Der aber wollte nichts anderes, als in seiner Lederjacke und mit Bratwurstbrötchen in der Hand ein Fußballspiel zu gucken.
Inzwischen zieht er die Logen der Bundesliga-Stadien vor, die große Leidenschaft für den Sport aber ist geblieben. Irgendwann einmal soll Sohn Daniel bei der TSG übernehmen, aber erst, wenn der Vater „nicht mehr so fit wie derzeit“ ist. Noch gibt es keine Anzeichen, dass es bald dazu kommen wird.