Essen. Thomas Feltes arbeitet als Professor an der Uni Bochum - und er vertritt BVB-Fans in den Beleidigungsverfahren gegen Dietmar Hopp. Ein Interview.
Thomas Feltes (69) ist Professor an der juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum und deutscher Vertreter in der Anti-Folter-Kommission des Europarates. Er arbeitet auch als Strafverteidiger und vertritt mehrere Beschuldigte in den Beleidigungsverfahren gegen Dietmar Hopp. Der Mäzen der TSG Hoffenheim hat Strafanzeige gegen BVB-Fans gestellt.
Herr Feltes, wie bewerten Sie die Auseinandersetzung zwischen den Ultras und dem Deutschen Fußball-Bund bezüglich der Sprechchöre und der Banner gegen Dietmar Hopp?
Im Moment eskaliert diese Situation. Dabei sind diese „Beleidigungen“ nicht neu. Bis 2018 hat Herr Hopp keine Strafanzeige erstattet bei Schmähgesängen gegen ihn. Erst nach dem Spiel des BVB im Mai 2018 in Sinsheim wurden Strafverfahren eingeleitet, und zwar gegen mehrere Dutzend BVB-Fans. Teilweise wurden sie auch verurteilt, obwohl der individuelle Tatnachweis unserer Auffassung nach nicht geführt wurde (weil mehrere tausend Fans gemeinsam gesungen haben) und das Verfahren zudem andere Rechtsfehler aufwies. Daher sind wir auch in Berufung gegangen.
Es gab in den vergangenen Jahren und auch Wochen viele Fälle von Rassismus, Hetze und Beleidigungen in deutschen Stadien. BVB-Fans werden regelmäßig in anderen Stadien als „Hurensöhne“ beschimpft. Die aktuelle Eskalation und die Aufregung ist für viele Fans nicht nachvollziehbar und wird an die Tatsache geknüpft, dass Herr Hopp gemeinsam mit DFL und DFB für eine totale Kommerzialisierung des Fußballs steht. Daher gehen die Äußerungen von Rummenigge und anderen, darunter fast alle Sportjournalisten, bei Hopp handele es sich um eine „soziale und karitative“ Person mit hoher „Sozialkompetenz“, vollkommen an der Sache vorbei. Darum geht es nicht. Die (unzweifelhaft in der Form des Plakates überzogene) Kritik der Fans richtet sich symbolisch gegen Hopp als Repräsentanten dieses Systems, und nicht gegen ihn als Person.
Wann spricht man eigentlich von einer Beleidigung?
Unter Beleidigung fallen ehrverletzende Äußerungen ebenso wie die Missachtung oder Nichtachtung durch Werturteile. Beleidigt werden kann dabei immer nur eine konkrete Person oder eine Personengruppe. Dabei muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits erfolgen.
Wie bewerten Sie Kollektivstrafen?
Kollektivstrafen sind rechtlich unzulässig. Wenn damit die Sanktionen des DFB gemeint sind, die sich gegen ganze Gruppen von Fans richten: Dies sind nicht nur moralisch zweifelhaft, sondern sie führen zudem dazu, dass sich diejenigen, die davon betroffen sind, obwohl sie nicht oder nur am Rande beteiligt waren, mit den anderen solidarisieren. Dadurch verhärten sich die Fronten immer mehr.
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Wie könnten beide Seiten wieder zueinander finden?
Letztlich hilft in Konfliktsituationen nur Kommunikation. Mit Strafen und Sanktionen werden keine Konflikte beseitigt, sondern im Gegenteil: sie führen zur Eskalation. Allerdings ist der DFB aufgrund seiner Struktur kaum in der Lage, auf Augenhöhe mit den Fans zu kommunizieren. Genau dies wäre aber notwendig. In anderen Bereichen schaltet man in solchen Fällen einen unabhängigen Mediator ein. Vielleicht wäre das eine Lösung. (las)