New York. In einer erweiterten US-Anklageschrift steht es schwarz auf weiß: Russland und Katar sollen die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 gekauft haben.
Was seit vielen Jahren dunkle Vermutung war, scheint sich zu bewahrheiten: Russland und Katar haben die Fußball-Weltmeisterschaften 2018 beziegungsweise 2022 gekauft. Die US-Strafverfolgungsbehörden bringen in einer erweiterten Anklageschrift zum Fifa-Prozess neues Licht in ein perfides System von Korruption und Abhängigkeiten - viele zwielichtige Funktionäre des Weltverbandes haben sich demnach vor der WM-Doppelvergabe 2010 mit Millionenbeträgen bestechen lassen.
Die Staatsanwaltschaft New York nennt im am Montag veröffentlichten Mammut-Dokument vom 18. März („Superseding Indictment“) erstmals Details. „Einigen Mitgliedern des Exekutivkomitees wurden Bestechungsgelder angeboten oder sie haben sie angenommen“, heißt es unter dem besonders brisanten Punkt 92 der 70-seitigen Anklage.
Politik der tiefen Taschen: Auch Jack Warner dabei
Die Fifa-Südamerika-Fraktion aus Julio Grondona (Argentinien/verstorben 2014), Nicolas Leoz (Paraguay/verstorben 2019) und dem berüchtigten brasilianischen Strippenzieher Ricardo Teixeira hat demnach für ihre Stimmen zugunsten Katars intensiv die Hand aufgehalten. Summen werden im Zusammenhang mit den ehemaligen Spitzenkräften des südamerikanischen Kontinentalverbandes Conmebol nicht genannt.
Bei der Politik der tiefen Taschen ist auch ein alter Bekannter wieder ganz vorne dabei: Jack Warner (Trinidad und Tobago), ohnehin eine Schlüsselfigur im Skandal, der 2015 zum Sturz des Weltverbandspräsidenten Joseph S. Blatter führte. Der als besonders skrupellos geltende Fifa-Vize soll für seine Stimme pro Russland über ein Geflecht von Scheinfirmen fünf Millionen Dollar (4,6 Millionen Euro) eingesteckt haben. Rafael Salguero aus Guatemala, ebenfalls bei der Doppelvergabe 2010 Exko-Mitglied, habe für seine Stimme eine Million Dollar (920.000 Euro) kassiert.
Russland weist Vorwürfe zurück
Ein Kreml-Sprecher wies die Vorwürfe am Dienstag kategorisch zurück: Russland habe ganz legal die „beste Fußball-WM der Geschichte“ abgeliefert. Kreml-Sprecher Dimitri Peskow sagte: "Russland hat das Recht, diese WM-Endrunde zu organisieren, auf legalem Wege erhalten. Das war nicht mit irgendeiner Art von Bestechung verbunden. Den Vorwurf streiten wir kategorisch ab.“
Warner kämpft in seiner Heimat gegen eine Auslieferung an die USA. Teixeira sitzt in Brasilien, nach Jahren des Schweigens verkündete er zuletzt bei CNN, er sei sich keiner Schuld bewusst.
Auch Medienvertreter in der Kritik
Das neue Dokument wirft auch ein sehr schlechtes Licht auf die Medienbranche. In der erweiterten Anklage wird erstmals auch zwei ehemaligen Spitzenkräften des US-Giganten FOX vorgeworfen, Funktionäre bestochen zu haben. Es handelt sich um Hernan Lopez, früherer Geschäftsführer der Sparte International Channels, und den ehemaligen Lateinamerika-Chef Carlos Martinez. Beide gehörten 21st Century Fox an, das später im Disney-Konzern aufging.
Dem Duo wird zudem vorgeworfen, sich durch rechtswidrige Nutzung von Insider-Informationen englischsprachige TV-Rechte für die WM-Endrunden gesichert zu haben. Beide bestreiten die Vorwürfe: Die Anklage sei „Fiktion“, teilte ein Anwalt mit. Auf den 70 Seiten wird jedoch in allen Details ein System der Geldwäsche, Bestechung und Verschleierung mit vielen Haupt- und Nebenfiguren in insgesamt 53 Fällen entrollt.
Katar hält sich zurück
Die Anklage wird neuen Schwung in den Fifa-Prozess bringen. Im Nachgang des Skandals von 2015 sind in den USA zahlreiche frühere Funktionäre angeklagt worden. 2017 kam es zum Prozess, einige wurden verurteilt. Danach wurde es vergleichsweise ruhig.
Stumm verhielt sich am Dienstag zunächst auch Katar, das jegliche Bestechung im Zusammenhang mit der WM-Vergabe stets bestritten hat. Eine Fifa-interne Untersuchung von Chefermittler Michael J. Garcia kam 2017 zudem zu dem Schluss, es gebe für Stimmenkauf keine Hinweise.
Katar seit mindestens zehn Jahren in der Kritik
Bestechungen bei der Vergabe der WM 2010 an Südafrika hingegen sind erwiesen. Auch im Zusammenhang mit der Vergabe der WM 2006 an Deutschland soll es zu Unregelmäßigkeiten bei einer Zahlung von 6,7 Millionen Euro gekommen sein. Katar steht besonders im Zwielicht: Korruptionsvorwürfe sowie Berichte über Ausbeutung und Tod von Fremdarbeitern begleiten seit mindestens zehn Jahren das Bemühen des Wüstenemirats, auch im Fußball die größtmögliche Bühne zu bekommen.
Bei der Wahl 2010 in Zürich hatte sich Katar in der vierten Runde mit 14:8 Stimmen durchgesetzt - gegen die USA, die nicht nachlassen wollen. „Die Anklage dokumentiert den anhaltenden Willen der Behörden, Korruption in den höchsten Etagen des Fußballs lahmzulegen“, sagte der New Yorker Staatsanwalt Richard P. Donoghue. (sid)