Dortmund. Die Uefa hat die EM um ein Jahr auf 2021 verschoben. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke begrüßt die Entscheidung. Fragen bleiben aber offen.

Für Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke begann dieser denkwürdige Tag im europäischen Fußball mit einer Videokonferenz. Um 10 Uhr rauschten die Datenströme, die Europäische Fußball-Union diskutierte mit den Vorständen der Klubvereinigung ECA, zu denen Watzke gehört, und der Vereinigung der Europäischen Ligen. Schon da wurde vorgeschlagen, was sich die Uefa anschließend von den 55 Mitgliedsverbänden absegnen lassen und im Exekutivkomitee beschließen sollte: Die Europameisterschaft wird aufgrund der Coronavirus-Pandemie um ein Jahr verlegt. Vom 11. Juni bis zum 11. Juli 2021 sollen sich nun die besten europäischen Nationalmannschaften messen.

„Ich bin sehr froh, dass diese Entscheidung, die sich abgezeichnet hat, so getroffen worden ist. Die Uefa hat für den Fußball sehr verantwortungsvoll gehandelt – und dies, wenn man die Hintergründe kennt, durchaus auch unter Zurückstellung eigener Interessen“, erklärte Watzke im Gespräch mit dieser Redaktion, als dieser denkwürdige Tag bereits in sein Ende überging.

EM-Gastgeber müssen umplanen

Da sich die Coronavirus-Pandemie weiter zuspitzt, die Zahl der Erkrankten steigt, die Maßnahmen drastischer werden, war mit der Verschiebung gerechnet worden, obwohl sie eine enorme Tragweite hat. Denn eigentlich sollte diese EM eine besondere werden, das größte Fußballfest des Jahres mit zwölf Gastgebernationen, die nun alle umplanen müssen.

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München etwa freute sich auf ein kleines Sommermärchen, da die deutsche Nationalmannschaft ihre drei Vorrundenspiele in der bayrischen Landeshauptstadt ausgetragen hätte. Nun tritt Bundestrainer Joachim Löw mit seiner Elf erst im kommenden Jahr gegen Frankreich, Portugal und einen noch zu ermittelnden Gegner im Süden Deutschlands an. Außerdem müssen Millionen von Fans, die sich bereits Tickets gesichert hatten, ihre Reiseplanung anpassen (die Karten behalten ihre Gültigkeit). Doch letztlich war die Uefa zu diesem gravierenden Schritt bereit, da durch die Corona-Krise der Profi-Fußball an sich zu kollabieren droht.

Uefa-Präsident Ceferin: "Verschiebung ist mit enormen Kosten verbunden"

„Es war wichtig, dass die Uefa als Dachverband des europäischen Fußballs den Prozess anführte und das größte Opfer brachte“, erklärte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin. „Die Verschiebung ist für die Uefa mit enormen Kosten verbunden.“

Diese nimmt der Verband zum einen in Kauf, weil es derzeit schwer vorstellbar ist, dass im Juni ein Fußball-Fest mit Millionen reisenden Fans hätte zelebriert werden können. Zum anderen bekommen die nationalen Ligen jetzt mehr Zeit, ihre Wettbewerbe irgendwie durchzudrücken. Derzeit ruht der Ball auch in der ersten und zweiten Bundesliga, den Klubs droht bei einem Abbruch der Saison ein Verlust von über 700 Millionen Euro. „Es geht ums Überleben“, warnte Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, bereits am Montag. Nun kann die DFL die Saison möglicherweise bis in den Juni verlängern, um die noch ausstehenden neun Spieltage notfalls ohne Zuschauer anzupfeifen.

DFB-Präsident Fritz Keller: "Es gibt keine Alternative"

Aus all diesen Gründen ertönten keine negativen Stimmen, nachdem die Uefa ihre Entscheidung am Dienstagnachmittag offiziell übermittelt hatte. „Es gibt keine Alternative zur Verschiebung der Europameisterschaft“, meinte DFB-Präsident Fritz Keller. „Unsere Nationalspieler hätten natürlich wahnsinnig gerne die Euro im Sommer gespielt, was sie sich bereits erarbeitet hatten. Aber wir müssen alle die Gesundheit und das Leben von Menschen schützen“, sagte Bundestrainer Löw. „Die einzig richtige Entscheidung“, teilte Bayern-Profi Thomas Müller mit.

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Die Chancen des mittlerweile aussortieren Weltmeisters von 2014, doch noch Teil des EM-Kaders zu werden, sinken durch die Verschiebung. Überhaupt werden die zusätzlichen zwölf Monate, die bis zum Eröffnungsspiel vergehen werden, sportliche Auswirkungen haben. Die deutsche Mannschaft etwa verfügt nach ihrem Umbruch über mehr Zeit, sich zu finden. Superstar Cristiano Ronaldo hingegen wird 2021 im Trikot von Titelverteidiger Portugal bereits 36 sein.

Termine kollidieren nach Uefa-Entscheidung weiter

Außerdem bleiben Fragen offen. So kollidiert die EM im kommenden Jahr etwa mit der in China geplanten Klub-WM der Fifa, die dieses Turnier nun eigentlich ebenfalls verlegen müsste. Auf dem Terminplan knubbelt es sich zusätzlich, weil ab dem 7. Juli 2021 die Frauen-EM in England beginnen soll. Zudem bleibt die Uefa dabei, die Champions League und die Europa League fortsetzen zu wollen, der Wettbewerb ist derzeit im Achtelfinale ausgesetzt. Sollte der Ball in dieser Spielzeit noch mal rollen können, würde der Europapokal jedoch für weitere terminliche Schwierigkeiten sorgen. Und dann sollen Anfang Juni auch noch die für Ende März angesetzten Länderspiele und Play-offs zur EM nachgeholt werden.

Erst mal ruht der Fußball. Wann es weitergeht, ahnt niemand. Wie hoch die Verluste sein werden, ebenfalls nicht. Deswegen berichteten einige Medien, dass die Uefa für die EM-Verlegung Geld von den Klubs verlangt habe. „Von Verlangen kann keine Rede sein“, sagte Watzke. „Aber wir dürfen die Uefa als Verband jetzt nicht alleine lassen.“